| # taz.de -- Über das Leben mit einem Spenderherz: „Mein Herz ist völlig aus… | |
| > Sarah Angelina Gross lebt seit mehr als 13 Jahren mit einem Spenderorgan. | |
| > Bald steht die nächste Operation an. Gross setzt sich für Organspenden | |
| > ein. | |
| Bild: „Meine Mutter sagt immer: Du hast sieben Leben, wie eine Katze“, erz�… | |
| taz am wochenende: Frau Gross, wie geht es Ihnen derzeit? | |
| Sarah Angelina Gross: (lacht) Die Frage kommt schnell mal. Ich habe mir | |
| angewöhnt, immer die Wahrheit zu sagen. Mal können die Leute damit | |
| umgehen, mal nicht. Mir geht es momentan nicht gut, gesundheitlich und | |
| natürlich ist das auch eine psychische Belastung. Ich sitze hier in meinem | |
| persönlichen Lockdown seit zwei Jahren aufgrund meiner Erkrankung. Ich sage | |
| immer, es könnte schlechter sein, aber es könnte auch definitiv besser | |
| sein. | |
| Was haben Sie momentan für Beschwerden? | |
| Ich habe eigentlich permanent [1][Herzrhythmusstörungen]. | |
| Woran liegt das? | |
| 2019 hatte ich einen Herzstillstand beziehungsweise mehre Herzstillstände. | |
| Mir wurde deshalb ein Herzschrittmacher eingesetzt. Mittlerweile ist bei | |
| den Diagnosen herausgekommen, dass der Eigenrhythmus meines Herzens unter | |
| 30 Schlägen pro Minute liegt. Normal ist bei Erwachsenen 60 bis 90. Das | |
| heißt also, ohne den Schrittmacher würde das Herz nicht funktionieren. Der | |
| Schrittmacher liegt zwischen dem Vorhof meines alten und dem des | |
| transplantierten Herzens. Der alte ist anscheinend noch aktiv. Das | |
| bedeutet, dass ich zwei Sinusknoten habe, die einen unterschiedlichen Takt | |
| vorgeben. Der Herzschrittmacher haut auch noch dazwischen. Mein Herz ist | |
| ganz durcheinander, völlig aus dem Takt sozusagen. | |
| Spüren Sie das? | |
| Ja. Mein Herzschrittmacher ist gerade dauernd aktiv und wenn er gerade | |
| rhythmisch ist, ist das die angenehmste Zeit für mich, wie eine Erholung. | |
| Wenn dann zwischendurch wieder Schläge reinkommen, merke ich das extrem, | |
| das strengt total an. Mein Kreislauf macht schlapp, mir wird schwindelig. | |
| Wie sehen Ihre Tage aus? | |
| Nicht besonders aufregend. Ich verlasse die Wohnung so gut wie gar nicht. | |
| An einem guten Tag trinke ich morgens zusammen mit meinem Freund einen | |
| Kaffee. Ich dusche, bevor er zur Arbeit geht, falls was passiert, bin ich | |
| dann nicht allein. Wenn es sehr gut läuft, schaffe ich es mittags, was zu | |
| kochen. | |
| Und an schlechten Tagen? | |
| Da liege ich einfach nur im Bett. Ich kann aber auch nicht schlafen, weil | |
| das Herz nicht zur Ruhe kommt, weil der Puls mal auf 180 steigt, dann | |
| wieder runter auf 60 fällt. Ich bin die ganze Zeit ängstlich, dass etwas | |
| passiert, was ich nicht beeinflussen kann. | |
| Kann man da nichts machen? | |
| Dieses Problem soll eigentlich mit einer Operation gelöst werden, die OP | |
| ist meine große Hoffnung. Sie hätte schon im November sein sollen, wurde | |
| jetzt aber zweimal verschoben, der nächste Termin ist Anfang Januar. | |
| Weshalb wurde die OP verschoben? | |
| Es ist eine größere OP notwendig als gedacht. Ich habe nur die Nachricht | |
| erhalten, dass die OP auf Januar verschoben ist. Ich denke mir aber, dass | |
| die Verschiebung etwas damit zu tun hat, dass die Krankenhäuser gerade | |
| einfach überlastet sind und die keinen Platz haben für jemanden wie mich. | |
| Macht Sie das wütend? | |
| Ja, ich glaube auch, dass das zu selten erwähnt wird. Durch die Situation | |
| auf den Intensivstationen können einfach Leute nicht ins Krankenhaus, die | |
| es eigentlich müssten. Das Verhalten der Menschen, die sich nicht impfen | |
| lassen wollen, finde ich egoistisch. Sie bringen damit andere Leute in | |
| Gefahr und nicht nur sich selbst. | |
| Jetzt müssen Sie also warten. Sie kennen sich aus damit. Was bedeutet | |
| Warten für Sie? | |
| In der Regel nichts Gutes. Ich musste schon einmal sehr lange warten, bevor | |
| ich mein Spenderherz bekommen habe. | |
| Die Transplantation war 2008, da waren Sie 17 Jahre alt. Wie war die Zeit | |
| davor? | |
| Da muss ich ein bisschen ausholen. Ich hatte mit 16 Jahren eine | |
| Virus-Myokarditis, eine Herzmuskelentzündung durch eine verschleppte | |
| Erkältung. Erst habe ich gar nichts gemerkt, es war wie eine Erkältung, die | |
| nicht aufhören wollte. Aber irgendwann ging es mir immer schlechter. Ich | |
| konnte kaum noch Treppen steigen, selbst das Zähneputzen war anstrengend | |
| und ich habe mich jeden Tag übergeben. | |
| Waren Sie nicht beim Arzt? | |
| Doch, aber es hat ewig gedauert, bis ein Arzt mal auf die Idee kam, mein | |
| Herz zu untersuchen. Dann ging alles ziemlich schnell, ich kam nach Kiel | |
| ins Krankenhaus. Nach einer Herzkatheteruntersuchung wurde ich auf die | |
| Intensivstation verlegt, mein Herz arbeitete da schon nur noch mit zehn | |
| Prozent. Als der Arzt reinkam und sagte, ich würde die Intensivstation | |
| jetzt nicht mehr verlassen, habe ich das erst gar nicht verstanden. Ich | |
| fragte: Ja, aber wie lange muss ich den jetzt hier bleiben? Bis ein neues | |
| Herz da ist, hat er geantwortet. | |
| Was waren damals Ihre Gedanken? | |
| Ich lag dann da und fragte mich: Okay, was bedeutet das jetzt? Ich war | |
| völlig überfordert. Ich konnte das nicht richtig begreifen, dass es keine | |
| Zeitangabe gab. Das Warten mit diesem ungewissen Ende war das Schwierigste. | |
| Hatten Sie sich vorher schon mal mit dem Thema Organspende | |
| auseinandergesetzt? | |
| Nein, vielleicht war das gut. Ich wurde auch schon öfter gefragt, ob ich | |
| keine Angst hatte zu sterben. Ich habe in keinem Moment gedacht, dass ich | |
| sterbe. Ich wusste, dass die Gefahr besteht, dass ich es nicht schaffe. Das | |
| war aber keine Option für mich. Erst als das Herz dann da war und ich | |
| operiert werden sollte, kam dieser Gedanke: Also entweder ich wache nach | |
| der OP auf und alles ist gut – oder bin tot. Da begriff ich das das erste | |
| Mal nach acht Monaten auf Intensivstation. | |
| Nach der Transplantation ging es Ihnen auch lange gut. | |
| Mir ging es richtig gut. Ich bin viel gereist, war zum Beispiel in | |
| Australien. Ich habe viele verschiedene Sportarten gemacht, vom Ballett bis | |
| Kraftsport. Mit zwölf habe ich angefangen zu surfen. Das habe ich wieder | |
| gemacht. Ich war skateboarden. Es gab nichts, was ich nicht gemacht habe. | |
| Ich war mit meinen Freunden viel unterwegs, auf Festivals, tanzen. All das, | |
| was man als junger Mensch so machen sollte. | |
| Und 2018 ging es dann los mit den schlechten Nachrichten. | |
| Bei einer Routineuntersuchung beim Frauenarzt wurde etwas Auffälliges an | |
| der Gebärmutter entdeckt. Ich wurde operiert und die entnommenen Proben | |
| ergaben: [2][Gebärmutterhalskrebs]. Das war für mich eine ganz schlimme | |
| Zeit. Es war das erste Mal, dass ich mir überhaupt Gedanken darüber gemacht | |
| habe, ob ich als Transplantierte schwanger werden möchte oder nicht. Ich | |
| habe dann überlegt, dass es mit meiner Erkrankungen sehr egoistisch ist, | |
| Kinder in die Welt zu setzen und dann am Ende allein lassen zu müssen, wenn | |
| ich doch sterbe. Und trotzdem konnte ich mich nicht dafür entscheiden, dass | |
| die Gebärmutter entfernt wird. Ich musste glücklicherweise keine | |
| Chemotherapie machen und bin bis jetzt tatsächlich krebsfrei. | |
| Aber das war ja nur der Anfang. | |
| Bei der OP wurden mir auch Lymphknoten entfernt, später hat sich in meinen | |
| Beinen ein Lymphödem entwickelt. Und das hat dazu geführt, dass ich | |
| insgesamt zwei oder drei Sepsen, also Blutvergiftungen, hatte. Das war | |
| quasi die nächste Geschichte, die, ich sag mal, kritisch war. Es war | |
| mittlerweile 2019, im März kam dann der Herzstillstand. Das war eine | |
| Abstoßung meines Körpers gegen das Spenderherz. | |
| Wie ist das, wenn das Herz stillsteht? | |
| Ich glaube, das können nur Leute verstehen, die auch mal Herzprobleme | |
| hatten. Ich habe gemerkt, wie mein Herz aufhört. Ich habe einfach gemerkt, | |
| wie kein Schlag mehr kommt. Ich habe nur darauf gewartet, dass der nächste | |
| kommt. Aber das ist nicht passiert. Die Ärzte im Krankenhaus sagten später, | |
| ich war ohnmächtig, aber daran kann ich mich nicht erinnern. Aber das Herz | |
| hat ja glücklicherweise wieder alleine angefangen, sodass ich in die | |
| Notaufnahme fahren konnte. | |
| Mit dem Auto!? | |
| Ja, das war ziemlich dumm. Ich habe in dem Moment nicht einordnen können, | |
| was passiert ist. Ich dachte, mein Herz stolpert, und das kannte ich ja. | |
| Ich dachte, ich lass das mal abklären und bin ins Krankenhaus gefahren. Am | |
| nächsten Morgen im Krankenhaus ist das Herz noch zwei, drei Mal stehen | |
| geblieben. Ich weiß nicht wie oft. Ich hab mit meiner Mutter telefoniert | |
| und hab gemerkt: Oh Scheiße, es geht schon wieder los. Ich habe dann zu | |
| meiner Mutter gesagt: Ich ruf dich zurück, und im nächsten Moment war das | |
| Zimmer voller Menschen, die mich mit großen Augen angeguckt haben. | |
| Hatten Sie Angst? | |
| Ja, ich hatte das erste Mal richtig Panik. Ich habe wirklich gedacht, ich | |
| pack das nicht. Die hatten die Aufkleber zur Reanimation schon aufgeklebt, | |
| also rechneten die auch damit, dass sie mich ins Leben zurückholen müssen. | |
| Mein Bruder war bei mir und ich habe ihm gesagt, dass ich verbrannt werden | |
| möchte. Für ihn war das wahrscheinlich auch sehr schlimm. | |
| Wann kam die Hoffnung zurück? | |
| Als ich nach Kiel verlegt wurde, auf die Station, auf der ich 2007, 2008 | |
| schon mal lag. Dort habe ich auch den Herzschrittmacher bekommen, den habe | |
| ich Hugo getauft. Eine Hassliebe, denn ich hatte die ersten Monate starke | |
| Schmerzen, eine Thrombose hatte ich auch noch. | |
| Und dann sind Sie zusammen mit Ihrem Freund verreist? | |
| Anfang Juli bis Anfang August 2019. Erst haben wir noch unseren Van | |
| ausgebaut und sind dann über den ganzen Balkan bis nach Griechenland | |
| gefahren. Es war meine allerschönste Reise. Wir haben einfach so unfassbar | |
| viel erlebt und so schöne Orte gesehen und viele Menschen getroffen. Alles | |
| war so wie in einem kitschigen, aber sehr schönen Roman. Mein Herz hat das | |
| alles wunderbar mitgemacht. Vielleicht ist es ja so: Wenn das Herz | |
| glücklich ist, ist alles gut, dann muckt es auch nicht auf. | |
| Hatten Sie keine Bedenken? | |
| Komischerweise nicht. Mein Freund war zu Beginn etwas skeptisch, wollte mir | |
| diese Reise aber auch unbedingt ermöglichen. Es gibt Leute, die halten mich | |
| für bescheuert, aber das bin ich gewohnt. Das Reisen ist nach der | |
| Transplantation eine richtige Leidenschaft von mir geworden. Ich dachte | |
| immer, dass mein Spender oder Spenderin das verdient hat, mit mir die Welt | |
| zu bereisen. Wer weiß, ob er oder sie das vielleicht auch noch machen | |
| wollte. | |
| Leider lief es nach Ihrer Rückkehr nicht wirklich rund. Sie waren mehrere | |
| Male im Krankenhaus und hatten zu allem Übel auch noch Corona. Wie kam es | |
| dazu? | |
| Ich habe mich tatsächlich im Krankenhaus angesteckt. Anfang Januar 2021 war | |
| ich dort, ich weiß gar nicht mehr wegen was. Noch während meines | |
| Aufenthalts habe ich schlimme Halsschmerzen bekommen. Bei der Entlassung | |
| wurde ich nicht freigetestet und meine Hausärztin diagnostizierte per Zoom | |
| eine Mandelentzündung. Erst als ich starke Kopfschmerzen hatte und nichts | |
| mehr schmecken konnte, wurde ein Test gemacht, der war positiv. Es ging mir | |
| dann immer schlechter, ich hatte über mehrere Tage einen Puls von 180. Dann | |
| bin ich schließlich ins Krankenhaus gekommen. Mir ging es so schlecht, dass | |
| ich dann schließlich auf die Intensivstation im Uniklinikum Hamburg verlegt | |
| wurde. Erst dort fing es mit der Luft an, die wurde knapp. Aber ich musste | |
| nicht beatmet werden, sondern habe gelegentlich Sauerstoff bekommen. Alles | |
| in allem war ich etwa vier Wochen im Krankenhaus. Coronapositiv war ich | |
| aber bis Ende April. Und danach fing die Long-Covid-Sache an. | |
| Welche Beschwerden hatten Sie? | |
| Bei mir sind die Beschwerden geblieben. Die Kraft, die ich ohnehin nicht | |
| habe, die hat sich noch mal halbiert. Ich schaffe es nur, 50 bis 100 Meter | |
| zu gehen, dann brauche ich eine Pause. Mittlerweile bin ich in einer | |
| pneumologischen Ambulanz, wo die Lunge immer wieder untersucht wird. Ich | |
| bin wirklich nicht jemand, der viel meckert, aber ich hab mir dann doch | |
| irgendwann mal gedacht: Jetzt reicht’s! Aber dann denke ich mir: Okay, es | |
| könnte schlimmer sein, an diesen Sachen, die ich hatte, hätte ich auch | |
| sterben können. Meine Mutter sagt immer: Du hast sieben Leben, wie eine | |
| Katze. | |
| Wie schaffen Sie es, immer wieder Kraft zu schöpfen? | |
| Resilienz ist immer wieder ein Thema. Mein Arzt in der | |
| Transplantationsambulanz sagt auch, er versteht einfach nicht, wie man so | |
| viel Mist erleben kann und immer so positiv ist. Und tatsächlich verstehe | |
| ich das auch nicht. Und ich denke, ich warte mal auf den Moment, an dem ich | |
| zusammenbreche. Irgendwie kommt der nicht. Natürlich gibt es auch Tage, an | |
| denen es mir richtig schlecht geht, das lasse ich dann auch raus. Aber ich | |
| finde immer die Motivation zu sagen: Das schaffst du jetzt auch noch! Es | |
| gab nie den Moment, wo ich dachte, es lohnt sich nicht zu leben. Das wäre | |
| auch total unfair meinem Spender/meiner Spenderin gegenüber. Die Freude | |
| darüber, dass man lebt, ist bei den meisten Transplantierten viel größer | |
| als die ganzen schlimmen Dinge, die man erlebt. | |
| Über Sie gibt es eine ZDF-Reportage und zahlreiche andere Fernsehbeiträge. | |
| Sie sind auf Social Media aktiv. Warum haben Sie sich entschieden, Ihre | |
| Geschichte öffentlich zu machen? | |
| Als ich damals angesprochen wurde, habe ich mich dafür entschieden, weil | |
| ich es selbst so absurd fand, dass ich noch nie mit dem Thema Organspende | |
| in Berührung gekommen war. Ich sehe es auch ein bisschen als meine Aufgabe | |
| an, schon allein weil ich es überhaupt darf, weil sich ein Mensch oder | |
| seine Angehörigen für eine Organspende entschieden haben. | |
| Sie sind auch auf Instagram als iheartsarah2008 aktiv. | |
| Instagram ist Fluch und Segen zugleich. Eigentlich bin ich von dieser | |
| Fake-Welt ziemlich genervt. Ich erreiche über Instagram aber mehr und vor | |
| allem auch andere Leute, als wenn ich jetzt zum Beispiel einen Vortrag | |
| halte. Ich spreche über Organspende, aber auch darüber, wie es ist, mit | |
| einem Spenderorgan zu leben. Ich habe gemerkt, dass da ganz viele Fragen | |
| aufkommen. | |
| Sie sind dabei ziemlich ehrlich. Sie schreiben, wenn es Ihnen schlecht | |
| geht. | |
| Wieso sollte ich so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Das ist es ja | |
| momentan nicht. Organspende ist ja kein einfaches Thema, schließlich geht | |
| es um den Tod. Aber: Wir müssen darüber reden! Wenn wir das nicht tun, | |
| müssen das im schlimmsten Fall die Angehörigen – das ist eine furchtbare | |
| Situation, wenn die nicht wissen, was die Person überhaupt wollte. | |
| Vor einem knappen Jahr hat der Bundestag einen [3][Gesetzesvorschlag zur | |
| Neuregelung der Organspende] abgelehnt. Damit scheiterte die | |
| Widerspruchslösung, nach der jeder Mensch ein potenzieller Organspender | |
| ist, außer er hat zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen. | |
| Mich macht das wütend. Wir profitieren von der Widerspruchslösung in | |
| anderen Ländern und importieren Organe. Ich finde, die Politik macht es | |
| sich zu einfach, indem das Thema alle paar Jahre mal auf die Tagesordnung | |
| kommt, man darüber diskutiert und dann doch nichts ändert. In der | |
| Zwischenzeit sterben die Menschen. Jeden Tag sterben drei Menschen, die auf | |
| der Warteliste stehen. Das ist doch heftig. Ich selber kannte einige, die | |
| es nicht geschafft haben. | |
| Können Sie nachvollziehen, wenn sich jemand gegen eine Organspende | |
| ausspricht? | |
| Jeder kann sich entscheiden, wie er will. Aber das Mindeste ist doch, sich | |
| Gedanken darüber zu machen. Mal zu überlegen, was man machen würde, wenn | |
| man auf einmal selbst oder ein enger Angehöriger in die Situation kommt und | |
| ein neues Organ braucht. Die wenigsten würden sich wohl dagegen | |
| entscheiden, weil das den sicheren Tod bedeuten würde. Durch die | |
| Widerspruchslösung wird niemand gezwungen, Organe zu spenden, nur dazu, | |
| sich einmal zum Thema zu äußern. Wenn man es runterbricht, geht es um ein | |
| Plastikkärtchen. | |
| Besteht die Möglichkeit, dass Sie irgendwann wieder auf die Warteliste für | |
| ein Spenderorgan kommen? | |
| Vermutlich wird es mich irgendwann wieder betreffen. Aber zweimal im Leben | |
| das Glück zu haben und ein passendes Organ zu bekommen und das zu | |
| überleben, das haben nur wenige Leute. Aber die Liste wäre ja die | |
| Endstation. Für mich gibt es ja noch andere Optionen. Erst mal die | |
| Operation im Januar. Und dann schaue ich weiter. Ich will unbedingt mit | |
| meinem Freund nach Norwegen reisen, um die Polarlichter zu sehen. Die | |
| Standheizung für unseren Van ist schon bestellt. | |
| 3 Jan 2022 | |
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| Juliane Preiß | |
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