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# taz.de -- Urteil gegen Pflegerin in Oberlinhaus: Kein Grund zu morden
> Die Pflegerin Ines R. wurde wegen Mordes verurteilt. Zu oft im Prozess
> und der Berichterstattung darüber wirkte es so, als hätten äußere
> Umstände sie dazu getrieben.
Bild: Die Angelakte im Landgericht Potsdam am Mittwoch
Es gibt keinen berechtigten Grund für Mord. Diesen Satz wiederholen
Aktivist*innen für Inklusion wieder und wieder mit Blick auf die
Berichterstattung zu dem Mordprozess um die vier getöteten
Heimbewohner*innen in Potsdam. Dass sie das tun müssen, zeigt, dass
etwas falsch läuft. Um die Opfer geht es in den Artikeln wenig, umso mehr
um den Arbeitsort der nun [1][wegen Mord verurteilten Pflegerin].
Vor Gericht werden viele Mitarbeiter*innen des Oberlinhauses gehört,
die von Überforderung bei der Arbeit berichten. Die den [2][Notstand in der
Pflege anhand ihres Arbeitsplatzes] für die anwesenden Journalist*innen
greifbar machen. Sie treffen dabei drastische Aussagen: „Ich konnte den
Menschen durch die Arbeitsbedingungen keine Lebensqualität mehr bieten,
musste sie nur noch abfertigen“, sagt eine Pflegerin. „Sie mussten Tage,
wochenlang im Bett liegen bleiben. Die Kündigung war die letzte Lösung.“
Durch ihre Berichte kann schnell ein Gefühl der Mitschuld des Arbeitgebers
an den grausamen Morden entstehen. Darauf zielte auch die Verteidigung der
Pflegerin, die auf eine Schuldunfähigkeit setzte. Im Verlauf der
Verhandlungen wurde deutlich, wie [3][schwerwiegend die psychischen
Probleme] der nun verurteilten Pflegerin Ines R. waren.
Hätte ihr Arbeitgeber das nicht bemerken können? Suizidalität schon seit
ihrer Kindheit, eine schwere Erkrankung ihres Sohnes, der andere Sohn hat
eine Behinderung, und auch finanziell hat die [4][Familie aus Potsdam] zu
kämpfen.
## „Keine Reue gezeigt“
Aber es gibt keinen Grund für Mord. Es gibt Gründe für Kündigungen, für
Krankschreibungen, für lange Ausfälle bei der Arbeit. Ines R. sucht sich
therapeutische Hilfe und spricht auch offen mit einigen Kolleg*innen
über ihre psychischen Probleme, über ihren Medikamenten- und Alkoholkonsum.
Die Menschen, die sie jahrelang pflegte und tötete, wussten nichts davon.
Die Pflegerin „hat bis zum Schluss keinerlei Reue gezeigt, sondern die
Verantwortung auf äußere Umstände gelegt“, fasst auch die Staatsanwältin …
ihrem Plädoyer zusammen. Sie tötete wehrlose Menschen. Die [5][kurze
Entschuldigung zum Prozessende] werten Angehörige der Opfer als nicht
authentisch. Auch kam sie viel zu spät.
Die Erkenntnisse, die der Prozess über Ines R. ans Licht brachte, sind
tragisch und schmerzlich. Eine Erklärung oder gar Legitimation für die Tat
sind sie nicht.
22 Dec 2021
## LINKS
[1] /Urteil-nach-Morden-im-Oberlinhaus/!5824052
[2] /Gewalttat-im-Oberlinhaus-in-Potsdam/!5818585
[3] /Gewalttat-im-Oberlinhaus-in-Potsdam/!5822604
[4] /Gewalttat-im-Potsdamer-Oberlinhaus/!5816445
[5] /Plaedoyers-im-Oberlinhaus-Prozess/!5822782
## AUTOREN
Linda Gerner
## TAGS
GNS
Pflege
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Mordprozess
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