# taz.de -- Behindertenbeauftragter schlägt Alarm: Kaum Jobs für Leute mit Be… | |
> Menschen mit Behinderung litten noch immer besonders stark unter der | |
> Pandemie, so der Behindertenbeauftragte. Er stellt Forderungen an die | |
> Ampel-Koalition. | |
Bild: David Völzmann hat im Rollstuhl eine Ausbildung zum Tischler absolviert | |
BERLIN apf/dpa | Während der Corona-Pandemie hat sich die Jobsituation von | |
[1][Menschen mit Behinderung] nach Ansicht des Behindertenbeauftragten der | |
Bundesregierung deutlich verschlechtert. Aktuell gebe es in Deutschland | |
mehr als 170.000 Schwerbehinderte ohne Beschäftigung, sagte Jürgen Dusel am | |
Dienstag in Berlin. „Von der Erholung des Arbeitsmarktes nach der Pandemie | |
werden vor allem Menschen mit Schwerbehinderung erst ganz zum Schluss | |
profitieren.“ Daher müsse es intensive Bemühungen geben, diese Menschen | |
jetzt aktiv in das Arbeitsleben einzubinden. | |
Dusel, stellte für viele Lebensbereiche klare Forderungen an die neue | |
Bundesregierung. Es gehe dabei nicht um etwas, das „nice to have“ sei, | |
sondern „letztlich um die Umsetzung fundamentaler Grundrechte“, sagte | |
Dusel. Das Thema Inklusion müsse „aus dem Betulichen“ herausgeholt und als | |
etwas verstanden werden, was „unser Land einfach reicher“ mache. | |
Konkret verlangte Dusel, beim sozialen Wohnungsbau nur noch Projekte zu | |
fördern, die barrierefrei sind. Bedenken wegen höherer Kosten wies Dusel | |
zurück: Zumindest bei Neubauten sei die Kostensteigerung „marginal“. | |
Als weiteren Bereich, im dem mehr getan werden müsse, nannte Dusel Bus und | |
Bahn. Laut Gesetz müsse der öffentliche Nahverkehr seit dem Jahreswechsel | |
barrierefrei sein – es gebe dabei aber ein „Umsetzungsproblem“, weil ande… | |
Prioritäten gesetzt würden. Nötig sei „eine Art von Mobilitätspakt“ mit | |
allen Beteiligten wie etwa Verkehrsunternehmen und Kommunen. | |
## Ein weiteres Anliegen: Besserer Schutz vor Gewalt | |
Auch bei der Deutschen Bahn gebe es weiterhin Probleme. So müssten etwa | |
Rollstuhlfahrende ihre Reisewünsche 24 Stunden im Voraus anmelden und | |
könnten auch nicht überall auf den so genannten Mobilitätsservice der Bahn | |
zurückgreifen. Dies sei in einem der reichsten Länder Europas nicht | |
akzeptabel. | |
Auch im Gesundheitswesen mahnte Dusel an, Barrierefreiheit umfassend zu | |
berücksichtigen. Behinderte könnten wegen Mängeln in diesem Bereich oft ihr | |
Recht auf freie Arztwahl nicht verwirklichen. Barrierefreiheit bedeute | |
dabei nicht nur, dass Arztpraxen für Rollstühle zugänglich sein müssten, | |
mahnte Dusel. Dazu gehörten etwa auch barrierefreie Internetseiten von | |
Kliniken und die Möglichkeit von Gehörlosen, sich im Gesundheitswesen in | |
Gebärdensprache zu verständigen. | |
Dass das Bundesgesundheitsministerium für diese Fragen bis Ende des Jahrs | |
einen Aktionsplan aufstellen wolle, lobte der Beauftragte. Minister Karl | |
Lauterbach (SPD) habe „mich an seiner Seite“, versicherte Dusel. | |
Weitere Baustellen seien die Stärkung von Familien mit schwerbehinderten | |
oder chronisch kranken Kindern sowie [2][besserer Gewaltschutz für Menschen | |
mit Behinderungen.] Zudem müsse die Teilhabe von Behinderten am | |
Arbeitsleben verbessert werden. | |
## Koalitionsvertrag „schon sehr gut“ | |
Laut Gesetz müssen Betriebe ab 20 Mitarbeitenden mindestens fünf Prozent | |
der Jobs mit Schwerbehinderten besetzen. Es müsse „Schluss sein“ damit, | |
dass ein Viertel dieser Unternehmen gar keine Schwerbehinderten | |
beschäftigte, sagte Dusel. Die so genannte Ausgleichsabgabe, die Betriebe | |
bei Nichterfüllen der Vorgabe zahlen müssen, solle für Firmen ohne | |
schwerbehinderte Mitarbeiter auf rund 750 Euro pro Monat und nicht korrekt | |
besetztem Arbeitsplatz verdoppelt werden. | |
Zum Ampel-Koalitionsvertrag sagte Dusel, dieser sei in Fragen der | |
Partizipation von Behinderten „schon sehr gut“. Er beschreibe erstmals, | |
dass Politik für Menschen mit Behinderungen „als Querschnittsaufgabe | |
gedacht wird“. Deutschland sei in diesem Bereich „ganz gut dabei, aber noch | |
lange nicht am Ende der Veranstaltung“, mahnte er. | |
Dusel ist seit Mai 2018 Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von | |
Menschen mit Behinderungen. Mitte Januar wurde er vom Kabinett im Amt | |
bestätigt; er kann es damit bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode | |
ausüben. Der Bundesbeauftragte wirkt laut Gesetze darauf hin, dass die | |
Verantwortung des Bundes in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens | |
erfüllt wird, für gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne | |
Behinderungen zu sorgen. | |
8 Feb 2022 | |
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