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# taz.de -- Debütalbum von Parris: Nachts funkelt der Bass tiefblau
> Seine Musik kommt aus dem Club, lässt sich aber hören wie Pop: Das
> Debütalbum des Londoner Produzenten Parris ist so unkonventionell wie
> großartig.
Bild: Er habe seine musikalische Handschrift nun gefunden, so der britische Dan…
Sanfte Klangwellen wogen auf und ab, hin und wieder wischt der kurze Klang
eines Beckens darüber hinweg. Die Wellen kommen näher, werden zu einem
Meer, die Kraft der Bassschübe lässt den Boden unter den Füßen vibrieren.
Hört sich so die Farbe Blau an? Auch ohne Wasser-Metaphern erkennt Parris
in Tracks wie „Sleepless Comfort“ immer wieder Blau.
Die Farbe ziehe sich durch die Musik auf seinem Debütalbum – daher auch der
Titel der eindrucksvollen Musik. Auf „Soaked In Indigo Moonlight“ greift
der Produzent und DJ aus London Clubmusikstile wie House, Techno, Jungle,
Grime und Dubstep auf und fügt sie mit dezenten Pop-Einflüssen zu einem
Sound zusammen, der nicht mehr loslässt.
Dwayne Parris-Robinson ist in den Londoner Stadtteilen Hackney und
Tottenham aufgewachsen. „Ich komme aus einer Gegend, in der viele in
Sackgassen landen“, erzählt der 31-Jährige im Interview. Es sind gerade
auch jene Viertel, aus denen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder
spannende, zukunftsgewandte Klänge drangen, die bis heute britische Club-
und Popkultur prägen.
## Working-Class-Subkulturen
„Viel Musik, auf die ich Bezug nehme, kommt aus Working-Class-Subkulturen.
Schwarze Menschen haben Jungle geprägt, genauso wie UK-Garage, Grime und
Dubstep. Leute haben gelernt, sich mit Musik auszudrücken und werden dafür
anerkannt. Es ist wichtig, enge musikalischen Verbindungen zu den
Communities zu haben, aus denen ich selbst komme.“
Geprägt hat Parris speziell Dubstep, ein Genre, das Mitte der nuller Jahre
seine Hochphase hatte und nach dem schnellen, Breaks-trifft-House-Genre
UK-Garage wieder tief abtauchte in den Bass und nach euphorischen
Champagner-Duschen meist im düsteren Klangnebel badete. Wobei unklar war,
was Dubstep exakt bedeutet. Bis heute gilt als Orientierung die Clubnacht
„FWD>>“ im Londoner Club Plastic People. Dort trafen sich
Produzent*innen und DJs, die unkonventionellere Musik auflegten als
das, was vorher für UK-Garage, Jungle und Drum ’n’ Bass stand.
Dubstep bedeutet stilistische Offenheit, darauf läuft es immer hinaus, wenn
Leute über „FWD>>“ und die Anfänge sprechen. Das gilt auch für Parris, d…
dort Stammgast war. Produzent*innen, die später mit Dubstep in Verbindung
gebracht wurden, lieferten eine Bandbreite an Rhythmen, Klängen und Tempi
ab. Häufig war die Musik bestimmt von magenmassierenden Bässen und
brachialen Drums. Sie bewirkten eine Entschleunigung und Verdunkelung des
häufig sehr melodischen UK-Garage, dessen Stilmerkmal ein Breakbeat im
Shuffle war, der Two Step.
## Die Echokammern des Dub
Manche Produzent*innen suchten bei Dubstep mit Offbeats und
One-Drop-Rhythmen die Nähe zu Dubreggae. Andere betonten den Rave-Zweig
durch feingliedrige Break-Akzente. Am Ende passte doch alles zusammen.
Stilistische Offenheit verbindet, und sie hat auch Parris geprägt, erst als
DJ, dann in der Produktion seiner eigenen Tracks, die er seit 2014
veröffentlichte.
Dubreggae, wie er im Begriff Dubstep mit drinsteckt, habe für ihn aber nie
eine zentrale Rolle gespielt. Trotzdem schwingen die aus der Karibik nach
Großbritannien geschwappte Soundsystem-Kultur und damit auch die
Echokammern des Dub über Umwege in seiner Musik mit. Inzwischen hat sich
Parris von Dubstep und Grime aus stilistisch weiterentwickelt. Mit seiner
Musik, die auf Labels wie Idle Hands, The Trilogy Tapes und dem von ihm
zusammen mit dem in Berlin lebenden Produzenten Call Super betriebenen
Label Can You Feel the Sun erschienen ist, zeigte er zuletzt immer
deutlicher, wie sehr ihn auch Techno und House beeinflusst haben.
## Es greift ineinander
Bei seinen Singles tendiert er inzwischen eher zur Herstellung effektiver
Tanzflächenwerkzeuge. Und doch bleibt der britische Künstler der
vielfältigen Londoner Dancefloor-Tradition verbunden. Das zeigt auch sein
Album „Soaked in Indigo Moonlight“. Parris schafft es, auf dem Debüt viele
Ideen in einem kraftvollen Strom zu bündeln und in ein tiefes Klangmeer
münden zu lassen.
Egal, welchen Rhythmus der Londoner wählt – turbulente Breakbeats,
stampfenden Four-to-the-floor, wirbelnde Polyrhythmen oder minimalistisch
schiebende Bassdrums, manchmal auch alles in einem einzigen Track –, es
greift ineinander, fügt sich zusammen. Er habe seine musikalische
Handschrift, jetzt gefunden, findet Parris.
## Strahlt viel Wärme aus
In den vergangenen Jahren sei ihm aufgefallen, dass er viel Musik gemacht
habe, die sich blau anhöre. An bestimmte Gefühle knüpft er diese Farbgebung
nicht. Einen Teil seiner Persönlichkeit drücke sie aber schon aus. Blau
scheine einen Teil seines Charakters widerzuspiegeln. Welche Seite seines
Charakters dies ist, lässt Parris offen. Es bleibt eine ästhetische
Beschreibung seiner Musik. So wenig griffig das klingt, so konkret wirkt
der Sound von Parris. Obwohl der Klang sehr maschinell und rau klingt,
strahlt er viel Wärme aus, die er durch den Einsatz von strahlenden
Synthesizern und erdigen Bässen erzeugt.
Dazu kommt, wie Parris Popkultur begreift: als Ort, den man immer wieder
aufsuchen möchte. Solche Musik wolle er machen. Klänge, die man immer
wieder hören möchte, davon gibt es auf „Soaked in Indigo Moonlight“ mehr
als genug. In diesem Sinn ist es ein großartiges – unkonventionelles –
Popalbum mit Dancefloorschlagseite.
7 Dec 2021
## AUTOREN
Philipp Weichenrieder
## TAGS
Dancefloor
Grime
Pop
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