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# taz.de -- Schüler:innen stellen Zukunftsfragen: Die 4a will die Welt retten
> Am „Frei Day“ ist keine Schule, stattdessen beschäftigen sich
> Schüler:innen mit Fragen der Zukunft. Es geht um Klima, die Erde und
> das eigene Dorf.
Bild: Es gibt in der Regel viel zu viel Müll in Stadt und Land. Aber es lässt…
Todenbüttel taz | An einem frostigen Freitag im Dezember machen sich Emma,
Kimberly, Lena und Isabella auf, um ein paar Systemfragen zu stellen. Weit
ist der Weg nicht: Die Neun- und Zehnjährigen gehen nur von der
Theodor-Storm-Dörfergemeinschaftsschule über die Hauptstraße zum örtlichen
Supermarkt im 1.100-Seelen-Ort Todenbüttel in Schleswig-Holstein. Dort
bauen sie sich in einer Reihe vor dem stellvertretenden Marktleiter auf.
Der hat eigentlich keine Zeit, aber der stumme Vorwurf aus vier großen
Augenpaaren zwingt ihn buchstäblich in die Knie. Er geht in die Hocke, also
auf Augenhöhe mit den Viertklässlerinnen, und diskutiert mit ihnen über
Plastikverpackungen und Lebensmittel, die entsorgt werden, anstatt sie an
Leute ohne Geld zu verschenken. Stefan Meßfeldt, Klassenlehrer der 4a, hat
seine Schülerinnen in den Markt begleitet, steht nun aber außerhalb der
Hörweite. Das fällt ihm schwer, gibt er zu: „Als Lehrer hat man Ideen im
Kopf und will am liebsten was vorgeben – aber sie müssen es selbst machen.
[1][Das ist nun mal das Konzept des Frei Days].“
Hinter dem denglischen Kunstwort steht die „Schule im Aufbruch“. Das
Konzept hat die inzwischen pensionierte Lehrerin Margret Rasfeld als
Leiterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum zwischen 2012 und 2016
entwickelt. Inzwischen ist daraus die Schule-im-Aufbruch-GmbH geworden, die
Schulen berät, wenn sie neue Wege einschlagen wollen. Heißt: Auch wenn der
Name „Frei Day“ an die Fridays for Future erinnert, gab es die „Schule im
Aufbruch“ früher, schließlich stand FFF-Begründerin Greta Thunberg zum
ersten Mal im August 2018 mit dem „Schulstreik fürs Klima“-Plakat auf der
Straße.
Im Zentrum von Rasfelds Idee steht, Kindern Freiräume zu geben – Tage, die
frei sind von klassischem Unterricht. „Am Frei Day stellt das Leben die
Fragen“, heißt es etwas hochtrabend auf der Website von Schule im Aufbruch.
Schüler*innen können sich an diesen Tagen statt mit Matheformeln oder
Grammatik mit „selbst gewählten Zukunftsfragen“ befassen.
## Mehrwegbecher statt Limoflaschen
Rund 80 Schulen in Deutschland arbeiten laut der Website nach diesem
Konzept, in Schleswig-Holstein sind es zwei. Darunter ist die
Theodor-Storm-Gemeinschaftsschule mit Standorten in Hanerau-Hademarschen
und Todenbüttel. Um Zukunftsfragen geht es dort nicht nur an speziellen
Projekttagen, berichtet Schulleiterin Heike Brunkert.
So hängen seit einiger Zeit Wasserspender in den Gebäuden, damit die Kinder
sich daran gewöhnen, Wasser aus dem eigenen Mehrwegbecher statt Limos aus
der Plastikflasche zu trinken. Und eine neunte Klasse baut aus alten PCs
neue Geräte zusammen. „Weniger Verbrauch, Müll vermeiden, Energie sparen –
das sind Themen der Stunde, mit denen sich die Kinder befassen und die auch
für die Schulen wichtig sind“, sagt Brunkert.
Um seine Viertklässler*innen an die neue, offene Lernform
heranzuführen, hat Lehrer Andreas Meßfeldt ein Video gedreht, in dem er
Müll auf dem Schulgelände verteilt und so tut, als wäre das in Ordnung.
„Die Kinder waren entrüstet“, sagt er und grinst. Das war kurz nach den
Sommerferien, und seither haben sich die Grundschüler*innen in
Kleingruppen mit dem Bienensterben, Braunkohlekraftwerken in China und
Müllproblemen im Dorf befasst.
Daraus sind konkrete Projekte entstanden: Mit Hilfe des Schulhausmeisters
bauen drei Kinder Insektenhotels, und Emma, Kimberly, Lena und Isabella
waren nicht nur im örtlichen Supermarkt, sondern auch schon im Gemeinderat,
um mehr öffentliche Mülleimer zu fordern. An ihren ersten politischen
Auftritt haben die vier Mädchen gemischte Erinnerungen: Als sie selbst
reden mussten, hatten sie Lampenfieber – ansonsten sei es langweilig
gewesen.
13 Dec 2021
## LINKS
[1] https://frei-day.org/
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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Potsdam
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