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# taz.de -- Angriffe bei „Querdenken“-Protest: Neue Normalität
> Am Samstag wurden bei einer verbotenen „Querdenken“-Demo in Berlin
> Journalist:innen angegriffen und verletzt. Beteiligt waren Neonazis.
Bild: Auseinandersetzung zwischen „Querdenker“ und Polizist am Samstag in B…
„Wurf einer vollen Getränkedose auf einen Journalisten.“ „Journalist zu
Boden geprügelt.“ „Demo-Teilnehmer spuckt Journalistin ins Gesicht.“
„Kamerateam wird mit ‚Lügenpresse‘-Rufen beschimpft.“ Steinwürfe. Ver…
Attacken. Körperliche Angriffe.
Diese Nachrichten beschreiben nur einen Bruchteil dessen, was
Pressevertreter:innen seit nunmehr anderthalb Jahren [1][am Rande von
„Querdenker“-Protesten] und Coronaleugner-Demonstrationen widerfährt. Die
Gewalt gegen Journalist:innen nimmt massiv zu. Bereits im vergangenen
Jahr ging ein großer Teil der Angriffe auf Journalist:innen von
„Querdenker“-Demos aus. Insgesamt [2][252 Angriffe auf
Journalist:innen] waren es in Deutschland, wie aus einer [3][Kleinen
Anfrage der Grünen] an die Bundesregierung von Januar 2021 hervorgeht. Die
Dunkelziffer dürfte höher sein.
Am vergangenen Samstag kam es in Berlin nun erneut zu Angriffen. Trotz
Verbots versammelten sich Anhänger der „Querdenken“-Szene. Sie zogen
stundenlang durch verschiedene Bezirke der Stadt, auch ein Autokorso fuhr
ab Mittag durch Berlin. Die Polizei sei an diesem Tag den Ereignissen
hinterhergelaufen, sagt Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen
Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) der Verdi in
Berlin-Brandenburg, der taz.
Fünf Angriffe auf Journalist:innen zählt Verdi an diesem Samstag in
Berlin. Einer der Betroffenen ist Julius Geiler, Reporter beim
Tagesspiegel. Seit anderthalb Jahren berichtet er regelmäßig von den
Protesten. Am frühen Nachmittag wurde in Berlin-Friedrichshain ein
spontaner Demozug von der Polizei gestoppt. Geiler machte am Straßenrand
Videoaufnahmen von einer Gruppe um den bekannten Rechtsextremisten Amin K.
Er hörte, wie die Gruppe Pläne machte, Verdi-Journalistengewerkschafter
Reichel anzugreifen, der ebenfalls vor Ort war und bereits im August bei
„[4][Querdenken“-Protesten geschlagen wurde]. So erzählt es Geiler der taz.
Geiler sei daraufhin von einer Person das Handy entrissen worden. „Ziel war
es eindeutig, die Berichterstattung zu behindern. Gleichzeitig handelt es
sich um einen Raub, weil der Täter versuchte, mit dem Handy zu flüchten“,
sagt Geiler. Die Polizei stellte den Täter später und nahm ihn fest. Gegen
ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten räuberischen Diebstahls
eingeleitet.
## Angreifer identifiziert
Weitere Pressevertreter, die in dieser Situation zu intervenieren
versuchten und die Geiler zu Hilfe kamen, wurden ebenfalls attackiert.
[5][In mehreren Videos], die Geiler selbst auf Twitter teilte und die den
Angriff aus verschiedenen Perspektiven zeigen, sieht man Angreifer, die mit
Fäusten auf die Unterstützer losgehen.
Kurze Zeit später kam es an [6][einem weiteren Ort zu einer Attacke]. Eine
Gruppe Neonazis stürzte sich auf Medienvertreter. Zwei von ihnen sollen
dabei verletzt worden sein.
Mittlerweile wurden Teile der Angreifer [7][von Szenekennern
identifiziert]. Die zweite Tätergruppe soll Division MOL zuzuordnen sein,
einer Jugend-Neonazigruppe aus Strausberg bei Berlin, die der
rechtsextremen Kleinpartei III. Weg nahesteht. Die Männer, die
Tagesspiegel-Reporter Geiler und weitere Kollegen angriffen, wurden als
Rechtsextremisten identifiziert. Sie agierten, so schreibt Geiler,
gemeinsam mit dem Berliner Neonazi Amin K.
## Einzelne in den Fokus gerückt
Die Geschehnisse vom Wochenende sind erschütternd. Bei der Betrachtung und
Einordnung bleibt jedoch wichtig zu betonen, dass diese Gewalt nicht neu
ist. „Übergriffe auf,Querdenker'-Demos passieren ständig“, sagt Geiler. A…
Reporter kenne man das schon. Vielleicht ist dieser Umstand genau das
Dramatische an der Sache. Wer am Rande dieser Proteste berichtet, stellt
sich auf Übergriffe ein. Die Gewalt wird so zur neuen Normalität.
Eine neue Dimension bemerke Geiler aber doch auch: Die Aggression habe
etwas zugenommen und Journalisten würden als einzelne Personen stärker in
den Fokus gerückt. Und noch etwas anderes fällt auf, und zwar nicht auf der
Seite der Betroffenen, sondern bei den Angreifern: Wo es sonst überwiegend
einzelne Personen sind, die am Rande von Demonstrationen Müll auf
Journalist:innen werfen, die sie beschimpfen, mal eine Hand vor die
Kamera halten oder körperlich angreifen, war es im Falle des vergangenen
Samstags auch eine Gruppe, die aktiv wurde. Gewerkschafter Reichel sieht
darin einen kleinen qualitativen Sprung im Bezug auf diese Angriffe.
Bedrohungen und Bedrängungen habe es immer gegeben, sagt er. Aber: „Die
zweite identifizierte Gruppe, Division MOL, war bislang als Gruppe nicht
durch körperliche Angriffe auf Journalisten sichtbar.“
Die Aggressionen gegen Pressevertreter:innen haben auf
„Querdenken“-Demonstrationen ein neues Ventil gefunden. Rechtsextreme
Gruppen wie der III. Weg, andere Neonazis und Reichsbürger treffen dort
regelmäßig auf ein Umfeld der Akzeptanz. Hier tanzt barfuß ein Hippie, dort
spielen Kinder einer Impfgegner-Familie aus Baden-Württemberg und zwei
Meter weiter werden Fahnen rechtsradikaler Gruppen geschwenkt. Wo sich
Coronaleugner, Impfgegner und „Querdenker“ treffen, war das bislang eben
möglich. Rechtsradikale Gruppen waren von Beginn an auf
„Querdenker“-Demonstrationen aktiv und sichtbar, sagt Reichel. „Sie stand…
in der Demo und am Rande und wurden von den anderen,Querdenkern‘
toleriert.“
## Bewusst akzeptiert
Diese Toleranz ist es, die Angriffe unter anderem auch möglich macht.
Julius Geiler drückt es so aus: „Solche Angriffe passieren, weil sie sich
in der Masse sicher fühlen.“
Wenn Journalist:innen von rechtsradikalen Gruppen gezielt angegriffen
und bei ihrer Arbeit behindert werden, ist das nicht nur staatliches
Versagen. Nicht nur die Polizei ist zu verurteilen, weil sie nicht
ausreichend Schutz gewährleistete. Das Versagen fand schon viel früher
statt, als es ein gewisser Teil der Gesellschaft akzeptabel fand, diese
Menschen bei ihrem Protest mitlaufen zu lassen und ihre Anwesenheit ganz
bewusst zu normalisieren.
Wer über die Ursachen der Gewalt und Übergriffe gegen
Medienvertreter:innen spricht, darf das nicht verschweigen.
6 Dec 2021
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-Gefahr/!5758599
[2] /Angriffe-auf-Journalistinnen/!5743093
[3] https://margit-stumpp.de/wp-content/uploads/2021/01/KA-19_25546.pdf
[4] /Angriff-auf-DJU-Chef-Joerg-Reichel/!5790677
[5] https://twitter.com/glr_berlin/status/1467156412270845955?s=20
[6] https://twitter.com/vuecritique/status/1467136608814211075?s=20
[7] https://twitter.com/ver_jorg/status/1467823371752718338?s=20
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
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