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# taz.de -- Intensivarzt zur Coronalage in Sachsen: „Ungeimpfte machen mich w…
> In Sachsen könnten bald alle Kliniken an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen,
> sagt der Intensivarzt Uwe Krause. Kritik übt er an den politisch
> Verantwortlichen.
Bild: Ein Rettungshubschrauber aus Rostock landet im Krankenhaus Zschopau im Er…
taz: Herr Krause, wie ist die Lage bei Ihnen zurzeit im Krankenhaus im
Vergleich zum Vorjahr?
Uwe Krause: Viel schlimmer. Wir haben in der Region deutlich höhere
Fallzahlen als vergangenen Winter. Hier im Landkreis Leipzig liegt die
7-Tage-Inzidenz am Dienstag bei 1.582. Vor einem Jahr betrug der Wert 167.
Entsprechend spitzt sich die Lage in unserem kleinen Krankenhaus in Grimma
zu. Wir versorgen immer mehr Coronapatient*innen. Auf der isolierten
Normalstation liegen derzeit 26 Coronapatient*innen, es gibt nur noch vier
freie Betten. Auf der Intensivstation sind alle acht zur Verfügung
stehenden Betten mit Covidpatient*innen belegt. Sieben davon müssen
beatmet werden. Im Winter 2020 musste ich nur einen Teil der
Intensivstation zur Coronastation umfunktionieren, jetzt ist die gesamte
Intensivstation mit Covidpatient*innen belegt. Wir arbeiten am Limit.
Wie alt sind Ihre Patient*innen?
In der Regel zwischen Mitte 50 bis Mitte 70. Manchmal haben wir aber auch
jüngere Patient*innen. Die jüngste ungeimpfte Person, die wir auf der
Intensivstation behandelt haben, war 37 Jahre alt.
Sind alle Ihrer Patient*innen ungeimpft?
Ein Großteil davon ist ungeimpft. Teilweise behandeln wir auch geimpfte
Menschen. Bei allen geimpften Intensivpatient*innen, die wir bislang
versorgt haben, lag die Zweitimpfung aber schon so lange zurück, dass sie
bereits eine Booster-Impfung hätten erhalten müssen. Hatten sie aber nicht.
Es ist also extrem wichtig, sich rechtzeitig boostern zu lassen.
Andernfalls steigt das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs.
Wie stehen die Chancen, wenn man mit Covid-19 auf die Intensivstation
kommt?
Manche meiner Patient*innen werden es nicht schaffen. Diese haben
größtenteils Vorerkrankungen wie schwere Nieren- oder
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Andere Patient*innen hingegen sind stabil
und haben recht gute Chancen, Covid-19 zu überstehen. Meist handelt es sich
aber um wochenlange Krankheitsverläufe – mit ungewissem Ausgang. Wir können
vorher nicht wissen, ob ein*e Patient*in später Folgeschäden hat. Das
sieht man immer erst am Ende der Behandlung. Grundsätzlich ist die
Wahrscheinlichkeit bei Geimpften größer, zu genesen.
Ärgert es Sie, wenn Sie ungeimpfte Patient*innen behandeln?
Natürlich ärgert mich das. Obwohl sie auf der Intensivstation liegen, sind
manche Patient*innen immer noch der Meinung, dass es das Coronavirus
gar nicht gibt oder dass sie nicht infiziert seien, sie eine andere
Erkrankung hätten. Viele wollen sich trotz wochenlangem
Krankenhausaufenthalt weiterhin nicht impfen lassen. Das macht mich wütend.
Weil die Betten, die diese Patient*innen belegen, anderen
Patient*innen vorenthalten werden. Zum Beispiel solchen, die nach einem
Schlaganfall, einem Herzinfarkt oder einer großen Operation
intensivmedizinisch versorgt werden müssen. Für diese Fälle haben wir keine
Betten mehr zur Verfügung.
Und was passiert mit solchen Patient*innen?
Wird eine Person schwerverletzt oder schwerkrank in unsere Notaufnahme
eingeliefert, dann versorgen wir sie natürlich erst mal. Sobald sie stabil
ist, verlegen wir sie dann in ein anderes Krankenhaus, etwa in unser
Partner-Krankenhaus nach Wurzen, das rund 20 Kilometer von Grimma entfernt
ist. Bislang konnten wir die Klinik in Grimma als Coronaklinik betreiben
und die in Wurzen coronafrei halten. Dringende Operationen wie etwa
Tumor-Operationen werden nur noch in Wurzen durchgeführt. Allerdings sind
inzwischen auch dort alle Intensivbetten belegt.
Können Sie keine weitere Betten bereitstellen?
Das ist schwierig, denn für zusätzliche Betten braucht es entsprechend mehr
Personal. Vermutlich müssen wir schwer Erkrankte bald in weiter entfernte
Kliniken verlegen. Sachsen ist in drei Krankenhauscluster aufgeteilt:
Dresden, Leipzig und Chemnitz. Stößt ein Cluster an seine Grenzen, werden
Patient*innen in Kliniken eines anderen Clusters verlegt. In Sachsen
jedoch ist die Situation inzwischen so dramatisch, dass in absehbarer Zeit
wohl alle Cluster an ihre Grenzen kommen.
Mit Hilfe der Bundeswehr mussten bereits 14 Coronapatient*innen aus
Sachsen in andere Bundesländer verlegt werden.
Ja, das habe ich in der Zeitung gelesen. Die Lage in Sachsen ist wirklich
ernst. Daher appelliere ich an alle Bürger*innen, ihre Kontakte massiv
einzuschränken, sich testen zu lassen, sich im Falle einer Infektion an die
Quarantäne-Regelung zu halten und natürlich: sich impfen zu lassen.
In Sachsen haben Kneipen, Kinos und Weihnachtsmärkte zu. Im Einzelhandel
gilt 2G, Ungeimpfte dürfen nur noch Supermärkte, Apotheken, Drogerien und
Tankstellen betreten. Reicht das oder braucht es einen harten Lockdown?
Für einen harten Lockdown ist es jetzt zu spät. Die Lawine der Infektionen
rollt bereits. Die Infizierten kommen ja in der Regel erst 14 Tage nach der
Ansteckung ins Krankenhaus, sodass der harte Lockdown nicht viel bringen
würde – außer viel Ärger bei den Bürger*innen. Man hätte in der
Vergangenheit einfach viel mehr Menschen impfen müssen.
In Sachsen sind erst 58 Prozent der Menschen geimpft. Hat die dortige
Coronapolitik versagt?
Für die katastrophale Lage ist nicht allein das Land Sachsen
verantwortlich. Auch die Bundesregierung hat Schuld. Sie hätte eine
bundesweite konsequente Impfkampagne starten oder – noch besser – eine
Impfpflicht einführen sollen. Ich bin ein Vertreter der Impfpflicht. Damit
hätte man viele Menschenleben retten können. Jetzt bleibt uns nichts
anderes übrig, als weiter zum Impfen zu motivieren und uns an die aktuellen
Coronamaßnahmen zu halten.
Während der Pandemie haben viele Pflegekräfte gekündigt. Nun können
vielerorts freie Intensivbetten nicht genutzt werden. Sind Sie davon auch
betroffen?
Gott sei Dank nicht. Ich hoffe, das bleibt auch so. Gleichzeitig könnte ich
es auch verstehen, wenn Pfleger*innen aufgrund der Arbeitsbelastung
kündigen. Die Belastung ist deutlich höher als vergangenen Winter. Es ist
sehr anstrengend, Coronapatient*innen zu versorgen – sowohl psychisch
als auch physisch. Schwer Erkrankte werden in Bauchlage beatmet, das
verbessert die Sauerstoffversorgung. Einen Patienten vom Rücken auf den
Bauch zu drehen kostet viel Kraft. Hinzu kommt die emotionale Belastung.
Viele Coronapatient*innen sterben, die Pflegekräfte sind häufig mit
dem Tod konfrontiert.
Genau. Außerdem leisten die Pfleger*innen den Angehörigen der
Patient*innen emotionalen Beistand. Sie informieren sie telefonisch
über den Gesundheitszustand und trösten sie, dafür nehmen sie sich viel
Zeit. Besuche sind bei Coronapatient*innen aufgrund der Isolation
und Quarantäne ja grundsätzlich verboten. Wenn Patient*innen im Sterben
liegen, dann versuchen wir es aber zu ermöglichen, dass die Angehörigen im
Krankenhaus Abschied nehmen können. Ich bewundere es, wie aufopferungsvoll
sich unsere Pflegekräfte um die Patient*innen und deren Angehörige
kümmern.
30 Nov 2021
## AUTOREN
Rieke Wiemann
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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