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# taz.de -- Spielfilm „Plan A“ im Kino: Nakam bedeutet Rache
> „Plan A – Was würdest du tun?“ erzählt von einer jüdischen Organisat…
> die 1945 in Deutschland Anschläge plante. Nicht nur die Figuren
> enttäuschen.
Bild: Als Max (August Diehl) in sein Haus zurück will, bedroht ihn der Nachbar…
Am Anfang steht eine Frage: „Stell dir vor, dass deine Familie ermordet
wurde. Nur für einen Moment. Deine Kinder, deine Brüder, Schwestern,
Eltern, Freunde. Einfach alle. Und das ohne jeglichen Grund. Und jetzt frag
dich: Was würdest du tun?“
Gestellt wird sie von einem, der die Shoah überlebt hat und nun auf Rache
sinnt. Die Regie-Brüder Yoav und Doron Paz, die auch das Drehbuch zu „Plan
A“ verfassten, haben sie als rhetorische angelegt. Hinter ihr steckt
erkennbar der Wille, alles, was nach ihr geschehen wird, zu entschuldigen
beziehungsweise zu rechtfertigen. Da die Handlung weitgehend auf
historischen Tatsachen fußt, bedarf sie eigentlich weder des einen noch des
anderen.
Dass das israelisch-deutsche Drama die nahezu unbekannte Geschichte der
„Nakam“ erzählt und im gleichen Atemzug eine Verteidigungsrede derselben
anstimmt, lässt es unnötig hölzern wirken. Im Deutschen steckt die Frage
allerdings sogar im Filmtitel, was ihre Bedeutung zusätzlich unterstreicht.
Auch ohne diese Erhöhung dient sie der Handlung als aufdringlicher
didaktischer Rahmen.
Besagter Überlebender ist Max ([1][August Diehl]), der unmittelbar aus
Auschwitz-Birkenau ins Nachkriegsdeutschland zurückgekehrt ist. Sein Haus
wird längst von der Familie bewohnt, die seine der Gestapo gemeldet hat.
„Nur weil der Krieg vorbei ist, heißt das nicht, dass wir keine Juden mehr
töten können!“, schleudert ihm der ehemalige Nachbar, das Gewehr im
Anschlag, noch entgegen.
Darin liegt die Krux des Films: Er ist ambitioniert darin, filmisch wenig
beleuchtete Aspekte der augenblicklichen Nachwirkungen des
Nationalsozialismus wie die schier unmöglich erscheinende Rückkehr
Überlebender in die Mitte der Täter*innen zu erschließen. Er beweist
aber wenig Fingerspitzengefühl darin, sie darzustellen, verfällt vor allem
bei den Dialogen immer wieder ins Formelhafte.
## Wann ist Rache gerechtfertigt?
Mehr als die Hälfte der 110-minütigen Spieldauer widmet er dem ersten
Abschnitt von Max’ zermürbender Suche nach einer Möglichkeit, völlig auf
sich und seinen Schmerz zurückgeworfen, weiterzumachen. Die Begegnungen,
die er auf diesem Weg macht, sind nicht weniger schablonisiert: „Aber warum
habt ihr euch nicht gewehrt?“, lässt der Film einen Offizier der Jüdischen
Brigade der British Army ungelenk fragen und verschließt sich damit davor,
mehr Nuanciertheit, mehr Einfühlungsgabe als ein trockenes
Geschichtsseminar zuzulassen.
An ein solches erinnert der Verlauf der Handlung stellenweise ohnehin:
Statt sich der filmischen Aufarbeitung der „Nakam“, zu widmen, beschäftigt
sich der Plot oft mit sehr allgemeinen Facetten des Holocaust und verharrt
so über weite Strecken an der Oberfläche seiner eigentlichen Fragen: Wann,
wenn sie es denn jemals sein kann, ist Rache gerechtfertigt? Oder: Wann ist
das Verlangen nach ihr zumindest nachvollziehbar?
Über Umwege gelangt Max an ein Netzwerk jüdischer Partisanen namens „Nakam�…
(hebräisch für „Rache“), deren titelgebender „Plan A“ umfassende
Vergeltungsmaßnahmen an den Deutschen vorsah. Unter anderem in Nürnberg
plante man das Trinkwasser zu vergiften. „Auge um Auge, sechs Millionen für
sechs Millionen“, begründet Ana (Sylvia Hoeks), mit der Max eine leidlich
erzählte Affäre eingeht, die Motivation dahinter.
## Sowohl Anerkennung als auch Verurteilung
Von da an wird die Dynamik zwischen den Rachegesinnten nachgezeichnet,
allerdings ohne das Innenleben der Gruppe näher zu beleuchten. Die Figuren
und ihre individuellen Beweggründe bleiben dem Publikum fremd. Das
eigentliche Ziel des so sehr um Zuspruch für „Plan A“ und die Ausführenden
bemühten Films ist also allein schon deswegen unerreicht, weil jegliche
Identifikation unmöglich erscheint.
Darüber hinaus changiert der Ton bis zuletzt zwischen den beiden eingangs
erwähnten Polen, zwischen Entschuldigung und Rechtfertigung. Dabei scheinen
sowohl Anerkennung als auch Verurteilung dessen, was „Nakam“ unternahm, aus
heutiger Sicht deplatziert: Für das eine hat Rache schlicht zu wenig Gutes
an sich, für das andere bleibt die präzedenzlose emotionale
Ausnahmesituation, in der sich die Überlebenden der Shoah befanden, zu
unvorstellbar.
Das gemeinhin keine Abweichung zulassende Opfernarrativ von
Holocaust-Überlebenden durchbricht das Drama immerhin. Zu Täter*innen
werden die Handelnden zwar nicht – schlicht, weil „Plan A“ durch die
zionistische paramilitärische Untergrundorganisation Hagana vereitelt wurde
–, Genugtuung finden aber zumindest einige von ihnen in der Erkenntnis,
dass die beste Rache immer noch ein gutes Leben ist.
9 Dec 2021
## LINKS
[1] /Historienfilm-ueber-NS-Zeit-in-Oesterreich/!5657038
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
Spielfilm
Holocaust
Widerstand
Juden
Nachkriegszeit
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Shoa
Dokumentarfilm
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Österreich
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