| # taz.de -- Kunstausflug nach Cottbus: Ein Wunder in der Lausitz | |
| > Das Cottbuser Dieselkraftwerk klingt nach in die Jahre gekommener | |
| > Schwerindustrie. Tatsächlich ist es das schönste Kunstmuseum | |
| > Deutschlands. | |
| Bild: Wo sollte Kunst die Moderne verhandeln, wenn nicht hier? Museum im alten … | |
| Mit Cottbus ist das so eine Sache. Die einen kennen die Stadt im Osten | |
| Deutschlands nicht und fragen, wo sie überhaupt liegt. Die anderen wissen | |
| das so ungefähr und haben Klischees im Kopf, die meist irgendetwas mit | |
| Lausitz und Sorben, Braunkohle und Neonazis zu tun haben. Dabei lockt die | |
| Stadt auf halbem Weg von Berlin nach Dresden mit dem Dieselkraftwerk – dem | |
| wohl schönsten Kunstmuseum in Deutschland. | |
| Vom Bahnhof nimmt man am besten den halbstündigen Spaziergang Richtung | |
| Altstadt in Kauf. Dabei fallen zweisprachige Straßenschilder ins Auge. Die | |
| Karl-Liebknecht-Straße etwa heißt auf Sorbisch „K. Liebknechtowa droga“. | |
| Auf dem Weg liegt [1][das Theater], im Jugendstil erbaut, schon mal ein | |
| echter Hingucker. Vis-à-vis hängt an einem Gebäude ein regenbogenfarbenes | |
| Banner, „Cottbus ist bunt“ steht darauf. Man sieht es häufiger in der | |
| Stadt. | |
| Das Dieselkraftwerk Cottbus ist Teil des [2][Brandenburgischen Landesmuseum | |
| für moderne Kunst], kurz BLMK. Mit über 42.000 Werken beherbergt es „eine | |
| der wichtigsten Sammlungen von DDR-Kunst“, sagt Ulrich Röthke, Kustos der | |
| Sammlung Malerei, Grafik und Skulptur. Es liegt im malerischen Goethepark | |
| mit alten Bäumen und einem Teich samt Enten. | |
| ## Das Wunder | |
| Der Name deutet auf die ursprüngliche Bestimmung hin: 1928 als Kraftwerk in | |
| Betrieb gegangen, wurde es schon Ende der 1950er stillgelegt, jedoch als | |
| Werkstatt weiter genutzt. Nach der Wende leer stehend, verfiel der | |
| Gebäudekomplex zusehends. Es gab auch mal Pläne, hier ein Musicaltheater | |
| anzusiedeln – doch „daraus wurde zum Glück nichts“, wie Ulrich Röthke n… | |
| heute erleichtert sagt. | |
| Und dann geschah so etwas wie ein kleines Wunder hier in der Lausitz, von | |
| wegen Aufbau Ost: Von 2004 bis 2008 wurde das Kraftwerk für die Kunst – die | |
| bis dahin in einem ehemaligen Kaufhaus in der Altstadt ausgestellt wurde – | |
| umgebaut. Behutsam, wie man sehen kann, mit Sinn und Verstand. Und mit viel | |
| Geld, insgesamt flossen hier rund 8 Millionen von EU, Land und Kommune. Das | |
| ist, hier in der ostdeutschen Randlage, mehr als gut angelegt und stellt | |
| eine mehr als kluge Investition in die Zukunft dar. | |
| Mit der „historischen Bausubstanz ging man sensibel um“, sagt Ulrich | |
| Röthke. Recht hat er. Denkmalschutz und Ansprüche an ein modernes Museum | |
| mit all seinen konservatorischen und raumklimatischen Bedingungen gehen | |
| zusammen. Und genau das macht den Reiz aus. | |
| ## Das Neue im Alten | |
| Das Berliner Büro Claus Anderhalten Architekten hat einen Innenhof | |
| überdacht und so zum sachlich-schicken Entree gemacht. Von hier aus gelangt | |
| man in die Ausstellungsräume. Die historische Bausubstanz umgibt sie als | |
| Hülle: Mitten in die alte riesige Halle, wo früher der Dieselgenerator | |
| stand, haben die Architekten einen Betonkubus gesetzt. Auf der einen Seite | |
| sind die alten Klinkersteine, türkisfarbene Kacheln von anno dazumal und | |
| kräftiges Rot an den monumentalen, kathedralhaften Fenstern von einst zu | |
| sehen. Auf der anderen Seite blanker Sichtbeton, Stahl und Glas in den neu | |
| hinzugefügten Museumsteilen. | |
| ## Das Programm | |
| In den sechs unterschiedlich großen Ausstellungsräumen – insgesamt 1.250 | |
| Quadratmeter – sind vor allem, aber nicht nur Stücke aus der hauseigenen | |
| Sammlung zu sehen. Noch bis 5. Dezember läuft etwa die Ausstellung | |
| [3][„Strukturen im Wandel – Die Zukunft hat schon begonnen“], die vom Leb… | |
| in Industrielandschaften erzählt – wie passend in der vom Braunkohleabbau | |
| geschundenen Lausitz. | |
| Und ab 18. Dezember sind Schlüsselwerke [4][aus der Sammlung Chagas | |
| Freitas’] zu sehen, der als Kulturattaché der brasilianischen Botschaft in | |
| der DDR Kunst sammelte. Es handelt sich um die größte Sammlung von | |
| DDR-Kunst im Ausland. Es könnte keinen passenderen Ausstellungsort als | |
| Cottbus geben. | |
| 21 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.staatstheater-cottbus.de/ | |
| [2] https://www.blmk.de/ | |
| [3] https://www.blmk.de/programm/strukturen-im-wandel/ | |
| [4] https://www.blmk.de/programm/rausch-der-bilder-die-sammlung-chagas-freitas-… | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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