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# taz.de -- Wandel der Berliner Museen: Abgesang an das Spektakel
> Letztlich ist Dahlem ein Wendeverlierer. Zu Mauerzeiten war hier die
> geballte Kunst und Kultur Westberlins zu finden, heute sind die Museen
> leer.
Bild: Leergeräumtes Dahlem
Die großen Blätter der Platanen häufen sich knietief auf den Gehwegen, ein
paar Studierende beraten mit leisen Stimmen und Schlafzimmerblick, wo es
den billigsten Kaffee gibt – die melancholische Stimmung passt gut zu einem
Besuch im Univiertel Dahlem im Südwesten Berlins.
„Forschungscampus Dahlem“ steht auf einem blauen Banner eines
Museumsgebäudes, in dem sich seit vier Jahren kein Museum mehr befindet.
Aber auch noch kein Forschungscampus: Seit Verkündung desselben vor zwei
Jahren hat man nicht mehr viel davon gehört.
## Im Abseits
Erst vor wenigen Wochen wurde das [1][umstrittene Humboldt Forum] im
Stadtschloss in der Mitte Berlins eröffnet, wo die Bestände von zwei der
drei großen Museen, mit denen sich einst Dahlem schmückte, nämlich das
Ethnologische Museum und das für Asiatische Kunst, nun zu bewundern sind.
Nur das Museum Europäischer Kulturen, auch MEK genannt, musste in Dahlem
bleiben und schien damit ganz schön abgehängt. Man müsse sichtbarer werden,
sich mehr fokussieren, hieß es. Derzeit zeigt das Museum, das ein Potpourri
aus Exponaten der europäischen Kultur- und Alltagsgeschichte sammelt, eine
[2][Sonderausstellung zur Adventszeit].
Zu sehen sind Trachten, was auf die Bedeutung des Christkinds in der
sorbischen Weihnacht verweist, eine selbstgehäkelte Krippe im Eierkarton,
Bilder der antirassistischen Proteste gegen den „Zwarten Piet“, der in den
Niederlanden seit jeher als tollpatschiger, schwarz geschminkter Diener den
guten alten Nikolaus begleitet, sowie kurze Erzählungen verschiedenster
junger Europäer*innen, wie diese Weihnachten feiern. Oder eben nicht.
Gewiss keine schlechte Ausstellung ist das, aber ist sie schon Grund genug,
sich bei Wind und Kälte durch die halbe Stadt zu schlagen? Natürlich gibt
es noch andere Kunstmuseen in Dahlem, deren Besuch ein interessiertes
Publikum mit dem MEK verbinden könnte, aber der Bedeutungsverlust, den
Dahlem als Museumsstandort erlitten hat – und der schon beim Fall der Mauer
mit der Neujustierung der Berliner Museenlandschaft absehbar war –, ist nun
eingetreten.
## Der Bedeutungsverlust
Dabei hatte alles so glanzvoll ausgesehen für Dahlem: Bereits um 1900 kam
die Idee auf, aus dem Stadtteil ein deutsches Oxford zu machen, nach der
Teilung der Stadt wurde hier die Freie Universität gegründet. Bedeutende
Kunst wie etwa die Nofretete wurde in Dahlem präsentiert. 1970 erhielt der
Bau, in dem sich heute das MEK befindet, den modernen Erweiterungsbau, der
heute leer steht.
Und was hat es mit dem Forschungscampus auf sich? Für diesen sollen in
Dahlem die Depots und Bibliotheken der oben genannten Museen
zusammengefasst werden, dort soll gemeinsam mit Wissenschaftler*innen
aus den Herkunftsländern an den Objekten geforscht werden. Das ist in
Zeiten sinnvoll, wo selbst Deutschland eingesehen hat, dass es mehr
Provenienzforschung braucht und außereuropäischer Bestand zurückgegeben und
generell Deutungshoheit abgegeben werden muss. Aber viel kulturbegeistertes
Publikum bringt so ein Campus natürlich auch dann nicht nach Dahlem, wenn
wie angekündigt ein neuer Marktplatz sowie zahlreiche Führungen anvisiert
sind.
## Ein Wandel
Die Zeiten sind einfach vorbei, da Kinder von Bildungsbürger*innen
regelmäßig nach Dahlem mussten, um dort fröhlich auf den schönen
Südseebooten herumzuklettern, die jetzt im Humboldt Forum zu sehen sind.
Und bei denen heute infrage steht, ob sie [3][überhaupt in Deutschland
bleiben sollten]. Vielleicht sollte man sich in Dahlem einfach darüber
freuen, dass man nicht so im Fokus steht wie das Humboldt Forum.
15 Nov 2021
## LINKS
[1] /Humboldt-Forum/!5797821
[2] https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/museum-europaeischer-kulturen/h…
[3] /Berliner-Humboldt-Forum-oeffnet/!5783035
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
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