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# taz.de -- Kampf um den CDU-Vorsitz: Drei mal drei macht Friedrich Merz
> Nach Norbert Röttgen und Helge Braun geht jetzt auch Friedrich Merz als
> Kandidat für den CDU-Vorsitz ins Rennen. Ob er es schafft, ist offen.
Bild: Die Jungs sind am Start: Helge Braun, Friedrich Merz und Norbert Rötten
Berlin taz | Es kann sich durchaus das Gefühl eines Déjà-vu einstellen. Zum
dritten Mal, seit Angela Merkel 2018 ihren Rückzug vom Parteivorsitz
angekündigt hat, sucht die CDU einen neuen Vorsitzenden. Und zum dritten
Mal ist [1][Friedrich Merz] einer der drei Kandidaten, die ins Rennen
gehen.
Am Dienstagnachmittag steht Merz in einem Saal im Hotel Estrel in
Berlin-Neukölln und kündigt öffentlich seinen neuen Anlauf an. Hinter ihm
sind auf einer Videoleinwand in kleinen Rechtecken CDU-Mitglieder zu sehen,
die hinter seiner Kandidatur stehen. Merz betont, und das ist recht
untypisch für ihn, die Bedeutung des Themas soziale Gerechtigkeit. Und
beteuert: „Es wird mit mir keinen Rechtsruck geben.“
Neben Merz [2][tritt auch der Außenpolitiker Norbert Röttgen] wieder an,
bei ihm ist es der zweite Anlauf. Und als Dritter kommt erneut ein Kandidat
aus dem Merkel-Lager hinzu, dieses Mal ist es [3][der aktuell noch
geschäftsführende Kanzleramtsminister Helge Braun]. Alles wie gehabt also?
Mitnichten. Die Lage der CDU hat sich dramatisch verändert und die Aufgaben
des künftigen Vorsitzenden auch. Die Bundestagswahl ging verloren, in
wenigen Wochen wird die CDU in der Opposition gelandet sein. Gesucht wird
also kein Vorsitzender – eine Kandidatin ist bislang nicht in Sicht –, der
annehmen darf, in Bälde ins Kanzleramt einzuziehen. Möglicherweise wird er
noch nicht einmal Kanzlerkandidat.
## Ein richtig schwieriger Job
Gesucht wird einer, der die Partei erneuert und sie wieder aufrichtet. Der
ihr Profil schärft und die verschiedenen Strömungen gleichzeitig wieder
zusammenführt. Eine schwierige Aufgabe, bei der auch noch Zeitdruck
herrscht. Denn im kommenden Frühjahr stehen in drei Ländern, darunter NRW,
Landtagswahlen an. Noch regiert die CDU hier. Aber wer ist dafür der
richtige Kandidat?
Friedrich Merz, 66, die Sehnsuchtsfigur der Wirtschaftsliberalen und
gesellschaftlich Konservativen, der sich schon immer für den einzig
geeigneten Kandidaten hielt?
Norbert Röttgen, 56, der vor allen von Jungen und vielen Frauen unterstützt
wird, weil er für Aufbruch und Moderne steht, der aber kein Netzwerk in der
Partei hat und als begrenzt teamfähig gilt?
Oder Helge Braun, 49, der freundliche und kluge Vertraute der Kanzlerin,
der ihren Mitte-Kurs fortführen soll, dem aber das Charisma fehlt und den
in der Öffentlichkeit – und damit auch unter den CDU-Mitgliedern – kaum
einer kennt?
## Es bleibt wohl beim Kandidaten-Trio
Noch bis zum Mittwochabend können weitere Kandidat:innen nominiert
werden. Nachdem Jens Spahn und Fraktionschef Ralph Brinkhaus abgewunken
haben, geht man in der CDU davon aus, dass es bei dem Trio bleiben wird.
Hinter Brauns Kandidatur, so erzählt man es in der CDU, soll eine Gruppe
Unterstützer:innen aus dem Laschet-Lager stehen, die in der Partei
weiße Ritter genannt werden. Was sich wie Figuren aus einem
mittelalterlichen Märchen anhört, ist ein Begriff aus der Ökonomie. Als
weiße Ritter werden Investoren bezeichnet, die Unternehmen helfen,
feindliche Übernahmen zu verhindern. In dieser Logik soll Braun also eine
feindliche Übernahme der Merkel-CDU verhindern – die Bedrohung wird wohl
vor allem in Friedrich Merz gesehen.
Wie in den zwei Runden zuvor könnte es vor allem der ehemalige
Aufsichtsratschef des US-Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland sein,
der in dem innerparteilichen Wettkampf polarisiert. Bei den Parteitagen,
die zuletzt den Vorsitzenden noch ohne vorgeschaltete Mitgliederbefragung
bestimmten, spalteten sich die Delegierten vor allem in die
Anhänger:innen des Sauerländers, der für einen Bruch mit Merkels
Modernisierungskurs steht, und seine Gegner:innen. Am Ende waren die
Entscheidungen stets knapp, den Graben in der Partei haben Merz und seine
Anhänger:innen nie überwunden. Schon jetzt kursiert unter diesen der
böse Witz, dass die CDU jetzt alles, aber keinen Narkosearzt brauchen
würde. Braun ist promovierter Mediziner und ausgebildeter Anästhesist.
Merz, der seit der Bundestagswahl wieder direkt gewählter Abgeordneter ist,
war von 2000 bis 2002 Fraktionsvorsitzender, dann schnappte ihm Merkel den
Posten weg. Später stieg er aus der Politik aus und machte in der
Wirtschaft viel Geld. Bei seinen ersten beiden Anläufen, den Parteivorsitz
zu erringen, hat der Mann mit dem großen Ego auch deshalb verloren, weil
viele in der Partei daran zweifelten, ob es ihm wirklich um die Partei geht
– oder nicht doch vor allem um sich selbst und seine alten
Auseinandersetzungen mit der Kanzlerin.
## Teamlösung mit Merz?
Vergessen ist nicht, dass er bei seiner letzten Niederlage gegen Armin
Laschet zwar nicht bereit war, einen Posten im CDU-Präsidium zu übernehmen,
aber umgehend das Wirtschaftsministerium für sich einforderte, den Posten
von Peter Altmaier.
Doch auch Christdemokrat:innen, die Merz skeptisch gegenüberstehen,
räumen ein, dass dieser sich im Wahlkampf Laschet gegenüber weitgehend
loyal verhalten hat. Ihnen stellt sich jetzt die Frage: Könnte Merz
möglicherweise im Team mit Vertreter:innen aus anderen Strömungen der
Partei doch eine Lösung sein? Denn dass einer allein es schafft, den
CDU-Karren aus dem Dreck zu ziehen, bezweifeln die meisten. Infrage steht
aber auch, ob Merz zur wirklichen Teamarbeit überhaupt in der Lage ist.
So erklärt sich auch, dass Merz an diesem Dienstagnachmittag nicht allein
ins Estrel gekommen ist, er hat zwei Mitstreiter:innen mitgebracht. Der
Berliner Sozialpolitiker Mario Czaja, der aus dem Osten stammt und gerade
der Linkspartei das Direktmandat in Berlin-Marzahn-Hellersdorf abgenommen
hat, soll im Falle von Merz’ Wahl Generalsekretär werden. Czaja ist ein
ausgewiesener Sozialpolitiker und damit eine kluge Ergänzung zu Merz.
## Die besten Chancen hat wohl trotz Allem Merz
Christina Stumpp aus Baden-Württemberg, wie Czaja frischgebackene
Bundestagsabgeordnete, soll stellvertretende Generalsekretärin werden.
Allerdings gibt es den einzigen Posten, den Merz hier für eine Frau
vorgesehen hat, noch nicht. Er müsste erst mithilfe einer Satzungsänderung
geschaffen werden.
Merz betont auch, dass er die Kandidaturen der Familienpolitikerin Silvia
Breher und von Karin Prien, der liberalen Bildungsministerin in
Schleswig-Holstein, als stellvertretende Parteichefinnen unterstützt und
hofft, dass Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Chef der
Mittelstandsunion Carsten Linnemann und Jens Spahn ebenfalls als Vize
kandidieren werden. Merz ist sichtlich bemüht, die Partei in ihrer ganzen
Breite zu umarmen. Auf die Frage, ob er auch Fraktionschef werden will,
aber gibt er keine klare Antwort.
Röttgen, der bereits am Freitag seine Kanddiatur vorgestellt hatte, hatte
dies ausgeschlossen. Er tritt gemeinsam mit der Hamburgerin Franziska
Hoppermann an. Die frisch gewählte Bundestagsabgeordnete war lange in der
Kommunalpolitik aktiv und hat beruflich viel Führungserfahrung als
Senatsdirektorin der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz. Sie soll im
Fall seiner Wahl Generalsekretärin werden. Fraktionschef Ralph Brinkhaus
wäre dann der Dritte im Team.
Braun ist der Einzige, der sich noch nicht öffentlich vorgestellt hat. Aus
einem Brief des Hessen an die CDU-Mitglieder aber geht hervor, dass auch er
nicht Fraktionschef werden will. Mitstreiter:innen hat er noch nicht
präsentiert. In der Partei geht das Gerücht, dass Serap Güler,
Ex-Integrationsstaatssekretärin aus NRW, die gerade frisch in den Bundestag
eingezogen ist, dabei eine Rolle spielen könnte – möglicherweise sogar als
Generalsekretärin. Eine entsprechende Anfrage der taz ließ Güler
unbeantwortet.
Wer von den drei Kandidaten aber hat nun die besten Chancen? In der Partei
heißt es oft, dass dies Merz sein könnte. Eine Umfrage unter
CDU-Anhänger:innen hat Röttgen dagegen mehr Unterstützung als Merz
bescheinigt. Letztlich aber weiß man wenig darüber, wie die 400.000
CDU-Mitglieder ticken, die ab Anfang Dezember befragt werden. Und völlig
offen ist auch, wie viel von ihnen sich überhaupt an der Abstimmung
beteiligen werden. Klar aber ist: Der Parteitag, der im Januar offiziell
den neuen Parteichef kürt, wird sich an das Votum der Mitglieder gebunden
fühlen.
16 Nov 2021
## LINKS
[1] /Friedrich-Merz-und-die-Chefsuche-der-CDU/!5812226
[2] /Kandidatur-fuer-den-CDU-Vorsitz/!5815035
[3] /Nachfolge-von-Armin-Laschet/!5810987
## AUTOREN
Sabine am Orde
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