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# taz.de -- Neuer Bundestag: Alte und neue Gesichter
> In seiner ersten Sitzung wählt das Parlament die SPDlerin Bärbel Bas zur
> Präsidentin. Sie bekommt vier Stellvertreterinnen – und Wolfgang Kubicki.
Bild: Angela Merkel schaut sich das Gewusel im Plenarsaal aus sicherer Distanz …
Berlin taz | Es ist kurz vor halb zwei am Dienstagmittag, als Rita
Süssmuth, die inzwischen 84 Jahre alt ist, auf der Ehrentribüne des
Bundestags zu klatschen beginnt. Gerade hat Wolfgang Schäuble, der
Alterspräsident des Parlaments, verkündet, dass Bärbel Bas mit 576
Ja-Stimmen zur neuen Präsidentin des Bundestages gewählt worden ist.
[1][Bas, 53, Sozialdemokratin, ist damit quasi Nachfolgerin der CDUlerin
Süssmuth.] Im Laufe des Nachmittags wird Bas fünf Stellvertreter:innen
bekommen, vier von ihnen Frauen. Das ist eine Premiere.
Als Bas dann in ihrem knallroten Jackett am Pult der Präsidentin steht,
atmet sie erst einmal hörbar aus. Die Gesundheitspolitikerin hat Respekt
vor ihrem neuen Amt. Ruhmreich sei es nicht, dass sie erst die dritte
Bundestagspräsidentin sei, sagt sie dann. Dabei habe Rita Süssmuth, die bis
Ende der 90er Jahre im Amt war, gezeigt, wie viel eine Frau in dieser
Position bewirken könne. „Die Verantwortung ist lange noch nicht gerecht
auf alle Schultern verteilt.“ Daran zu arbeiten sehe sie als eine ihrer
Aufgaben an.
Die Abgeordneten sitzen im Plenarsaal dicht an dicht, was ungewohnt ist.
Die Corona-Abstandsregeln sind außer Kraft gesetzt. Für den Plenarsaal gilt
jetzt bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags 3G. 24 Abgeordnete
der AfD, die sich dieser Regel nicht beugen wollen, sind deshalb auf der
Tribüne.
Auf der anderen Seite, auf der Ehrentribüne, hat Angela Merkel neben
Süssmuth Platz genommen, neben der Kanzlerin sitzt Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier, zwei Reihen dahinter sitzen mit Peter Altmaier
(CDU) und Christine Lambrecht (SPD) zwei Bundesminister:innen, die nicht
mehr im Parlament vertreten sind. Im Saal ist die Regierungsbank, wo Merkel
16 Jahre lang einen Platz hatte, leer. Das Kabinett ist nur noch
geschäftsführend im Amt. Es beginnt nicht nur eine neue Legislaturperiode.
Eine Ära geht zu Ende.
## Im richtigen Moment Ja gesagt
Es sei ein vielfältiges, junges, frisch gewähltes Parlament, betont
unterdessen die neue Präsidentin. Dies könne leichter Brücken bauen,
Vorurteile und Misstrauen überwinden helfen. Abgeordnete müssten eine
Sprache sprechen, die verständlich sei. Es müsse gestritten,
unterschiedliche Meinungen müssten ausgetragen werden, aber stets mit
Respekt. „Hass und Hetze sind keine Meinung.“ Als Präsidentin werde sie das
Parlament vor Angriffen schützen. Ausdrücklich dankt Bas ihrem Vorgänger.
„Sie haben sich um unsere parlamentarische Demokratie verdient gemacht.“ Da
klatschen die Abgeordneten aus allen Fraktionen.
Bärbel Bas ist in vielen Punkten das Gegenteil ihres Vorgängers, nicht nur
weil sie eine Frau und Sozialdemokratin ist. Während Schäuble, Jurist wie
so viele im Bundestag, stets etwas Intellektualität und manchmal auch
Arroganz ausstrahlt, gilt Bas als bodenständig. Die Duisburgerin hat sich
von einer Bürogehilfin mit Hauptschulabschluss über ein Studium zur
Abteilungsleiterin bei einer Krankenkasse hochgearbeitet, seit zwölf Jahren
sitzt sie im Parlament.
Jetzt hat sie das zweithöchste Amt inne, was die Bundesrepublik zu vergeben
hat. Und möglicherweise ist damit die Frau, die selbst nicht den Finger
gehoben, aber im richtigen Moment Ja gesagt hat, wie sie in ihrer Rede
berichtet, genau die richtige Repräsentantin für einen Bundestag, der den
Abstand zur Bevölkerung wieder verringern will.
## Keine Mehrheit für den AfD-Kandidaten Kaufmann
Bevor Bas gewählt werden kann, sorgt die AfD, wie so oft, kurz für
Aufregung. Nur 1933 mit Hermann Göring habe dieses Haus eine Ausnahme von
der Regel zum Alterspräsidenten gemacht, poltert Bernd Baumann, der
Parlamentarische Geschäftsführer der AfD. Das ist schon insofern falsch,
als dass die entsprechende Regelung bereits 2017 geändert wurde. Seitdem
ist nicht mehr der an Jahren älteste Parlamentarier, sondern jener, der am
längsten im Bundestag sitzt, der Alterspräsident und darf die Sitzung mit
einer Rede eröffnen. Deshalb ist das Schäubles Aufgabe und nicht die von
AfD-Mann Alexander Gauland, der mit 80 ein Jahr älter als Schäuble ist.
In seiner Abschiedsrede betont Schäuble die Vorbildfunktion des Parlaments,
appelliert an den Anstand der Abgeordneten und setzt sich für Streit ein,
aber „fair und nach Regeln“. Auch betont er, wie es auch Bas nach ihm
machen wird, wie wichtig eine echte Wahlrechtsreform in dieser
Legislaturperiode sei. Um genau halb zwei sagt Schäuble dann: „Frau
Präsidentin, bitte übernehmen Sie das Amt.“
Am Nachmittag wählt der Bundestag Bas’ Stellvertreter:innen: Neu im Amt
sind Yvonne Magwas (CDU) und Aydan Özoguz (SPD). Claudia Roth von den
Grünen, Petra Pau von der Linken und Wolfgang Kubicki von der FDP bleiben.
Der AfD-Kandidat Michael Kaufmann verfehlt mit 118 Ja-stimmen die
erforderliche Mehrheit von 369 Stimmen deutlich.
Aktualisiert am 27.10.2021 um 10:00 Uhr. Wolfgang Schäuble war bisher nicht
Alterspräsident des Bundestags sondern übernimmt das Amt erst jetzt. Das
Amt hatte seit 2017 Hermann Otto Solms inne. Wir bitten den Fehler zu
entschuldigen. d. R.
26 Oct 2021
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[1] /Bundestagspraesidentin-Baerbel-Bas/!5806028
## AUTOREN
Sabine am Orde
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