| # taz.de -- Ladesäulenmangel bei Elektroautos: Tanken schwer gemacht | |
| > Strom für E-Autos ist häufig ein rares Gut, zudem teuer. In vielen | |
| > Städten treiben Monopolisten die Preise hoch. Doch jetzt regt sich | |
| > Widerstand. | |
| Bild: Alexander Köhl mit selbst verlegtem Ladekabel in Bonn. Nutzen darf er di… | |
| Bonn taz | Alexander Köhl liebt Elektroautos. Privat fährt er einen roten | |
| Renault Zoé, 53 kWh Akku-Kapazität, 386 Kilometer Reichweite, „perfekt für | |
| den Alltag“, wie er sagt. Beruflich lebt der 43-jährige Bonner ebenfalls | |
| von der Elektromobilität: Zum einen vermietet er E-Autos, zum anderen berät | |
| er Umsteigewillige, die sich einen Stromer zulegen wollen. Er weiß alles | |
| über Wallboxen, Ladesäulen und Energieanbieter. Und doch hat er selbst ein | |
| Problem, vor dem sich viele seiner Kundïnnen fürchten: Zu Hause kann er | |
| sein Auto nicht laden. | |
| Das Reihenhaus, in dem Köhl wohnt, hat keine Garage und keinen eigenen | |
| Stellplatz. Die nächste öffentliche Ladestation ist zu Fuß 15 Minuten | |
| entfernt. Um trotzdem an Strom zu kommen, fragte er seine Nachbarn, ob er | |
| ein Kabel unter deren Gartenweg verlegen könne. So kommt er von hinten an | |
| die Straße heran, in der sein Auto parkt. Die Nachbarn stimmten zu, Köhl | |
| hackte den Weg auf, vergrub das Kabel, installierte eine Wallbox am | |
| Gartenzaun. Die Technik funktioniert, aber Köhl hatte eine entscheidende | |
| Sache vergessen: Erlaubt ist seine Konstruktion nicht. | |
| „Man darf in Deutschland keine Kabel über den Bürgersteig legen“, sagt | |
| Köhl, „schließlich könnte jemand darüber stolpern.“ Als er 2017 die Wal… | |
| installierte, habe er das noch nicht gewusst. Nur durch Zufall sei er auf | |
| einen Zeitungsartikel gestoßen. Eilig fragte er beim Ordnungsamt nach, ob | |
| er sein Stromkabel mit einer Kabelbrücke sichern könnte, wie es bei | |
| Volksfesten an Bierständen üblich ist. Doch die Behörde lehnte ab. Seitdem | |
| hängt die Wallbox nutzlos an der Wand. Über 2.000 Euro hat Köhl nach | |
| eigenen Angaben für die Technik und deren Installation ausgegeben, alles | |
| umsonst. Doch damit fing der Ärger erst richtig an. | |
| Die Anekdote steht symptomatisch für ein Problem, das in Deutschland | |
| grassiert: Die [1][Elektromobilität boomt]; 2020 wurden 194.000 reine | |
| E-Autos zugelassen, eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr. Doch der | |
| Ausbau der Ladeinfrastruktur kann nicht mithalten. Aktuell kommen in | |
| Deutschland bereits 17 Elektroautos auf eine Ladestation, Tendenz steigend. | |
| Aber selbst dort, wo es Strom gibt, braut sich Ärger zusammen: Regelmäßig | |
| klagen E-Mobilistïnnen über bürokratische Willkür, Strommonopole und | |
| unübersichtliche Tarife. | |
| ## Monopolisten und teure Tarife | |
| Gemeckert wird in Deutschland gerne, aber in diesem Fall scheint die Kritik | |
| berechtigt. So veröffentlichte der Ökostrom-Anbieter [2][LichtBlick] | |
| kürzlich eine Analyse, in der es um die Marktmacht regionaler Stromanbieter | |
| geht. In den untersuchten Städten waren die meisten öffentlichen | |
| Ladestationen fest in der Hand lokaler Energiekonzerne oder deren | |
| Tochterunternehmen. In Leipzig gehören demnach 73 Prozent aller | |
| Ladestationen den Stadtwerken, in München 84 Prozent und in Hannover sogar | |
| 95 Prozent (enercity). In Berlin dominiert der Anbieter Allego (65 | |
| Prozent). | |
| Da kaum Wettbewerb herrscht, zahlt man fürs öffentliche Stromtanken oft | |
| deutlich mehr als für normalen Haushaltsstrom. Ein Beispiel: In München | |
| kostet das Laden an einer Stadtwerke-Säule 38 Cent pro Kilowattstunde. In | |
| Hannover fallen zwischen 35 Cent und 47 Cent an, gestaffelt nach Tageszeit | |
| und Tempo – langsamer Wechselstrom ist günstiger als Gleichstrom an einer | |
| Schnellladesäule. Auch wenn der Durchblick in einem solchen Tarifdschungel | |
| schwerfällt, ist eines offensichtlich: Wer den Luxus einer eigenen Garage | |
| hat, spart mitunter viel Geld. Denn Haushaltsstrom kostet in der | |
| Bundesrepublik durchschnittlich nur 32 Cent pro Kilowattstunde. | |
| Auf die hohen Preise haben Kundinnen und Kunden noch einen gewissen | |
| Einfluss – zum Beispiel, indem sie sich eine Ladestrom-Flatrate zulegen. | |
| Mit „Elva“ gibt es einen ersten Anbieter, der je nach Autogröße eine solc… | |
| Pauschale anbietet, egal an welcher Ladestation in Europa man Strom tankt. | |
| Ein anderes Problem lässt sich jedoch nicht so einfach lösen: die Dominanz | |
| regionaler Stadtwerke. Wer zu Hause sein Auto laden will, kann sich zwar | |
| eine Wallbox in der eigenen Garage oder am Stellplatz installieren lassen. | |
| Der lokale Netzbetreiber muss die Anlage aber ab einem Verbrauch von mehr | |
| als 11 Kilowatt freigeben. Ein immer wieder geäußerter Vorwurf: Stadtwerke | |
| verschleppen die Abnahme absichtlich – es sei denn, es handle sich um | |
| eigene Produkte. Dann gehe es natürlich schneller. | |
| Von dieser Situation weiß das Kölner Unternehmen „[3][On Charge]“ zu | |
| berichten. Die Firma stellt Ladestationen auf, wo es Lücken in städtischen | |
| Netzen gibt. „Wir sind zurzeit mit vielen Städten in Verhandlungen“, sagt | |
| „On Charge“-Geschäftsführerin Denise Neumann. Doch obwohl die E-Mobilität | |
| boomt, friste das Thema vielerorts immer noch ein Schattendasein. „Die | |
| Hälfte der Städte hat sich noch gar nicht damit befasst“, sagt Neumann. | |
| „Die anderen versuchen das Problem selbst zu lösen oder überlassen es ihren | |
| Stadtwerken.“ | |
| Die Folge: Oft bleiben Anträge, eine eigene Ladesäule ans Stromnetz | |
| anschließen zu dürfen, monatelang liegen. „Die Netzbetreiber lassen sich | |
| Zeit“, sagt Neumann. Sie beschleicht das Gefühl, dass ihr absichtlich | |
| Steine in den Weg gelegt werden, um die private Konkurrenz fernzuhalten. | |
| „Natürlich gibt es Städte, in denen es richtig gut funktioniert“, sagt | |
| Neumann. „Aber das ist vielleicht in einem Viertel der Fälle so.“ | |
| ## Netzbetreiber lassen Kunden warten | |
| Auch in Bonn bei Alexander Köhl wurde die Firma aktiv. Da der 43-Jährige | |
| seine Eigenkonstruktion nicht nutzen darf und selbst keine öffentliche | |
| Ladestation in der Nähe steht, wandte er sich im Sommer 2020 an „On | |
| Charge“. Die Firma willigte ein, eine Ladestation auf eigene Kosten | |
| aufzustellen – das Geld soll später durch die Stromgebühren wieder | |
| hereinkommen. „On Charge“ stellte einen Antrag bei der Stadt Bonn, um | |
| loslegen zu können. Passiert ist seitdem nicht viel. „Der Antrag ist immer | |
| noch in Bearbeitung“, schimpft Köhl. „Die sitzen das einfach aus. Wie soll | |
| so die Energiewende gelingen?“ | |
| Inzwischen hat Denise Neumann einen Anwalt eingeschaltet und das | |
| Bundeskartellamt kontaktiert. Auf die Vorwürfe angesprochen, reagiert die | |
| Bonner Stadtverwaltung nur mit einer allgemeinen Erklärung. Mehrere | |
| Dienststellen und die Stadtwerke seien derzeit damit befasst, einen | |
| Masterplan zum Ausbau der Ladeinfrastruktur auszuarbeiten. „Solange dies | |
| noch nicht der Fall ist, wird Anträgen privater Anbieter nicht | |
| entsprochen“, schreibt die Pressestelle in einer E-Mail. Auf den konkreten | |
| Fall geht sie nicht ein. | |
| Die Marktmacht einzelner Anbieter ist aber nicht nur auf Städte beschränkt. | |
| Wer mit dem Elektroauto auf Reisen geht, steht vor dem gleichen Problem. | |
| Das Positive: An nahezu allen Raststätten in Deutschland stehen inzwischen | |
| Schnellladesäulen, an denen man die Batterien in 30 bis 45 Minuten füllen | |
| kann. Die schlechte Nachricht: Dort dominieren ebenfalls einige wenige | |
| Konzerne, zum Beispiel EnBW, Allego oder Aral. Am teuersten ist das Laden | |
| ohne Vorvertrag. Beim Betreiber [4][Ionity] fallen dafür 79 Cent pro | |
| Kilowattstunde an – ein trauriger Rekord. | |
| Das Bundeskartellamt hat inzwischen eine Untersuchung eingeleitet, um | |
| „strukturelle Wettbewerbsprobleme zu identifizieren“, wie es aus der | |
| Behörde heißt. Auch Noch-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat das | |
| Problem erkannt und das sogenannte [5][Deutschlandnetz] ins Leben gerufen: | |
| Bis 2023 sollen eintausend neue Standorte mit Schnellladern entstehen. Der | |
| Bund finanziert den Aufbau und den Betrieb der Stationen, stellt aber eine | |
| Bedingung: Die Anbieter, die sich an der Ausschreibung beteiligen, dürfen | |
| hinterher nicht mehr als 44 Cent pro Kilowattstunde verlangen. | |
| Prompte reagierten die Konzerne mit einem Protestbrief: Nun sind sie es, | |
| die eine Wettbewerbsverzerrung wittern. Immerhin befinden sich einige der | |
| geplanten Standorte in unmittelbarer Nähe zu existierenden | |
| Schnellladestationen. Dass diese in Zukunft weniger attraktiv sind, wenn | |
| direkt nebenan günstigerer Strom fließt, liegt auf der Hand. Die Kritik von | |
| EnBW & Co ist also zumindest teilweise verständlich. Aber eben nur | |
| teilweise: Immerhin haben auch die Energieanbieter für den Aufbau ihrer | |
| Ladeinfrastruktur vielerorts selbst eine staatliche Förderung einkassiert, | |
| wenn auch keine hundertprozentige. | |
| Und auf dem Land? Dass die Zahl der E-Autos sich dort in Grenzen hält, ist | |
| ein offenes Geheimnis. „In den Ämtern denken viele noch nicht an die | |
| Zukunft“, sagt René Siry, ein 37-jähriger Gebrauchtwagenhändler aus dem | |
| Westerwald. Er selbst fährt seit 2018 elektrisch, findet die Standorte | |
| öffentlicher Ladestationen aber oft willkürlich. „Da steht dann irgendwo am | |
| Ortsausgang eine Ladesäule“, kritisiert der E-Mobilist. „Was soll ich da | |
| machen? Mir drei Stunden den Verkehr anschauen?“ Viel sinnvoller sei es | |
| doch, Stromquellen dort aufzustellen, wo Autos ohnehin länger stehen: vor | |
| Supermärkten, auf Wanderparkplätzen oder am Rathaus. | |
| Trotzdem bietet der ländliche Raum gute Voraussetzungen für die | |
| Elektromobilität, findet Siry. „Die meisten hier haben sowieso ein | |
| Eigenheim. Da lohnt es sich, eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach zu packen | |
| und eigenen Strom zu produzieren.“ Er selbst hat es so gemacht. 12.000 Euro | |
| netto haben seine Solarpanels gekostet, plus 2.000 Euro für die Wallbox. | |
| „Natürlich dauert es eine Weile, bis man das wieder drin hat“, sagt Siry. | |
| Aber es sei eben eine Investition in die Zukunft und in den Klimaschutz. | |
| „Und immer noch besser, als teures Benzin zu tanken.“ | |
| 11 Nov 2021 | |
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| [1] /Foerderung-fuer-Elektrofahrzeuge/!5792855 | |
| [2] https://www.lichtblick.de/?lbm_csi=brand_lb&gclid=CjwKCAiA1aiMBhAUEiwAC… | |
| [3] https://www.on-charge.com/ | |
| [4] https://ionity.eu/de | |
| [5] https://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet/Elektromobilitaet/Ladeinfrastruktu… | |
| ## AUTOREN | |
| Steve Przybilla | |
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