# taz.de -- Diskussion übers Abschießen: Niedersachsen und der böse Wolf | |
> Ein CDU-Landtagsabgeordneter warnt bei jeder Gelegenheit vor der | |
> Bedrohung durch Wölfe. Als Chef der Landesjägerschaft müsste er aber | |
> neutral bleiben. | |
Bild: Könnte uns laut Dammann-Tamke bald in der Stadt begegnen: der Wolf | |
GÖTTINGEN taz | „Es ist nicht so wie in den Grimm’schen Märchen, dass Wö… | |
nur durch finstere Wälder streifen“, weiß Helmut Dammann-Tamke, | |
stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im niedersächsischen | |
Landtag. Angesichts des [1][„exponentiellen Wachstums“ der Wolfspopulation] | |
hierzulande verbreitete er kürzlich in der Neuen Osnabrücker Zeitung Angst | |
und Schrecken. | |
Es werde entsprechende Begegnungen auch in urbanen Zentren geben, die | |
Bevölkerung in den Städten werde sich die Frage stellen müssen, „ob sie dem | |
Raubtier weiterhin mit größtmöglicher Toleranz begegnen will und kann“. | |
Anlass für die Äußerungen waren Berichte über eine Wolfssichtung in einem | |
Stadtpark von Hannover, die mittlerweile aber als äußerst unwahrscheinlich | |
angesehen wird. | |
Dammann-Tamke ist neben seinem Mandat als Abgeordneter auch Vizepräsident | |
des Deutschen Jagdverbandes und Präsident der Landesjägerschaft | |
Niedersachsen. Letztere ist in dem Bundesland mit dem Wolfsmonitoring | |
beauftragt, also dem Beobachten, Zählen und statistischen Erfassen frei | |
lebender Wölfe. Sie soll diese Tätigkeit gemeinsam mit den rund 100 | |
[2][Wolfsberater:innen] in den Landkreisen ausüben. | |
Der Umgang mit den Wölfen ist schwer umstritten. Von den | |
Wolfsberater:innenn erwartet die Landesregierung in Hannover strikte | |
Neutralität. „Insbesondere eine neutrale Positionierung zum Thema Wolf | |
gegenüber Nutztierhalterinnen und Nutztierhaltern und in der Presse ist | |
Bestandteil dieser Grundsätze und Grundlage einer konfliktfreien | |
Tätigkeit“, erklärte die Regierung im Februar 2021. „Genauso wie eine | |
neutrale Kommunikation zu Entscheidungen des Ministeriums für Umwelt, | |
Energie, Bauen und Klimaschutz, für welches Wolfsberaterinnen und | |
Wolfsberater im Ehrenamt tätig sind.“ | |
## Zwei Wolfsberater entlassen | |
Vorausgegangen war damals die Entlassung von zwei Wolfsberatern, die sich | |
im Freundeskreis frei lebender Wölfe engagieren und sich kritisch zur | |
Wolfspolitik des Landes geäußert hatten. | |
In der Logik des Landes müsste sich eigentlich auch die | |
[3][Landesjägerschaft] neutral verhalten. Eine Anfrage der taz, ob die | |
Vorgabe einer neutralen Positionierung zum Thema „Wolf“ auch für diesen | |
Verband gelte, ließ das Umweltministerium bis jetzt unbeantwortet. Auf die | |
Frage, wie das Ministerium die wolfskritischen Äußerungen Dammann-Tamkes in | |
seiner Funktion als Chef der Landesjägerschaft bewertet, gab es ebenfalls | |
keine Antwort. | |
Der Grünen-Landtagsabgeordnete und frühere Landwirtschaftsminister | |
Christian Meyer kritisiert Dammann-Tamke scharf. Seine Doppelrolle als | |
CDU-Parlamentarier und Präsident der Landesjägerschaft schade dem Ansehen | |
dieses Verbandes, sagte Meyer der taz. Die Landesjägerschaft solle | |
einerseits neutral das Wolfsmonitoring betreiben. „Andererseits stellt | |
deren Präsident ständig populistische Forderungen nach Bejagung der Wölfe | |
auf.“ | |
Damit bezieht sich Meyer unter anderem auf Dammann-Tamkes wiederholte | |
Warnungen vor Wölfen in Städten. Er könne niemandem garantieren, dass | |
Begegnungen mit Wölfen immer friedlich verliefen, wenn beispielsweise der | |
Gassi gehende Hund als Konkurrent erkannt und angegriffen werde, hatte | |
Dammann-Tamke der Neuen Osnabrücker Zeitung weiter gesagt. In ländlichen | |
Regionen sei dies schon länger so. | |
Er gehe davon aus, dass die weitere Ausbreitung der Raubtiere die | |
politische Diskussion alsbald verändern werde. „Wir kommen in Bundesländern | |
mit großen Wolfsbeständen nicht um eine gezielte Bestandsregulierung | |
herum“, nannte Dammann-Tamke sein eigentliches Anliegen. Meyer findet | |
solche Forderungen „demagogisch“: „Er sorgt so nicht für mehr Sicherheit, | |
sondern betreibt Hetze gegen Wölfe.“ | |
Für eine Bejagung und eine „Obergrenze“ für Wölfe macht sich Dammann-Tam… | |
nicht erst seit diesem Interview stark. In seiner Funktion als | |
CDU-Abgeordneter war er im Landtag Mitinitiator eines Entschließungsantrags | |
der Koalitionsfraktionen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. | |
Als Chef der Landesjägerschaft erklärte er schon 2016 der Bild seine | |
Ansicht zu Rissen von Rindern im Kreis Cuxhaven: „Das Cuxhavener Rudel hat | |
bereits eine Jagdlist zum Reißen großer Tiere wie Rinder entwickelt. Es | |
treibt die Tiere in Gräben oder Moorlöcher, wo sie nicht mehr flüchten | |
können.“ Wenn die Wölfe neue Rudel gründeten, gäben sie diese Taktik | |
weiter. Das Problem werde sich also potenzieren. | |
Auch vom parlamentarischen Staatssekretär aus dem | |
Bundeslandwirtschaftsministerium, Hans-Joachim Fuchtel, forderte | |
Damman-Tamke vor gut einem Jahr ein „konsequentes Denken und Handeln in | |
Richtung Wolfsmanagement“. Das vom Umweltministerium festgestellte brutale | |
Quälen und Töten eines Wolfs im Landkreis Gifhorn im Juli 2019 bezweifelte | |
er. | |
Im vergangenen November wurde ein Wolf im Landkreis Harburg angeschossen | |
und schwer verletzt. Diese Tat verurteilte Dammann-Tamke allerdings: „Auch | |
wenn die genauen Umstände noch unklar sind, hat sich die Person eines | |
Artenschutzvergehens schuldig gemacht“, sagte er. | |
21 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Woelfe-in-Deutschland/!5385189 | |
[2] /Britta-Habbe-ueber-die-Rueckkehr-des-Wolfs/!5025286 | |
[3] https://www.ljn.de/ | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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