# taz.de -- Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof: Verschlusssache Wolfsjagd | |
> Die Grünen wollen wissen, wie viele Wölfe in Niedersachsen auf der | |
> Abschussliste stehen. Der Umweltminister verweigert die Auskunft. Zu | |
> Recht? | |
Bild: Diese drei Wölfe leben bereits nicht mehr in freier Wildbahn: Foto aus d… | |
BÜCKEBURG taz | Es sind nur ganz wenige Passagen aus Facebook-Posts, die an | |
diesem Mittwoch vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof zitiert werden. | |
Und doch bekommt man sofort eine Ahnung, welche Tonart da so gepflegt wird | |
– von Leuten, die glauben, sie würden Wölfe verteidigen. | |
„Gestern waren wir sehr erfolgreich und haben zwei Jäger im Wald gestellt. | |
Die Tatsache, dass es schon Dunkel war, hat unserer Argumentation sehr | |
geholfen“ heißt es sinngemäß in einem Post. „Wehe dem, der diese Fähe | |
geschossen hat“ in einem anderen. Und in einem dritten Beitrag fantasiert | |
der Urheber, wie er an einem Unfallauto vorbeikommt und fröhlich pfeifend | |
weiterfährt statt zu helfen, nachdem er gesehen hat, dass Niedersachsens | |
Umweltminister Olaf Lies (SPD) der Verletzte ist. | |
Wer gelegentlich mit sozialen Netzwerken, vor allem Facebook (jetzt: Meta), | |
zu tun hat, kennt diese Tonart: die wutschäumende, selbstgerechte Empörung, | |
die sich hochschaukelt, überschlägt und übertrumpft bis zur Gewaltfantasie. | |
Es gibt sie nicht nur beim Thema Wolf, sondern eigentlich bei jedem Thema, | |
das zur Polarisierung taugt. | |
Aber ist das nun schon Grund genug, bestimmte Informationen gar nicht mehr | |
öffentlich zugänglich zu machen und politische Debatten mit angezogener | |
Handbremse zu führen? Das ist nur eine der Fragen, der sich der | |
Niedersächsische Staatsgerichtshof in dieser Verhandlung widmen musste. | |
## Die Landesregierung verweigert jede Auskunft | |
Die Vorgeschichte: Im Februar 2021 stellten die Grünen eine kleine Anfrage, | |
in der sie um Auskunft baten, wie viele Abschussgenehmigungen für Wölfe in | |
Niedersachsen erteilt wurden und auf welcher Grundlage dies jeweils | |
geschah. | |
Die Landesregierung verweigerte diese Auskunft jedoch und zwar mit dem | |
Hinweis, dass durch diese Informationen das grundgesetzlich verbriefte | |
Recht auf informationelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit | |
Dritter gefährdet wäre. | |
Sie verweist neben den schon erwähnten Beiträgen in sozialen Netzwerken | |
auch auf andere Vorkommnisse wie in Brand gesteckte oder beschossene | |
Hochsitze, Fallen im Wald und persönliche Beleidigungen und Bedrohungen von | |
Jagdpächtern. | |
Nun ja, sagt Helge Limburg (Grüne), der als Prozessbevollmächtigter seine | |
beiden Kollegen Ex-Landwirtschaftsminister Christian Meyer und die | |
Abgeordnete Imke Byl vertritt, niemand bezweifle, dass diese Auswüchse gar | |
nicht gingen und dass man gegen so etwas auch strikt vorgehen müsse. | |
Aber deshalb könne man ja das Frage- und Informationsrecht von Abgeordneten | |
nicht einschränken, zumal diese gar nicht nach konkreten Namen gefragt | |
hätten, sondern ausschließlich nach den Gebieten, die – wie die Reviere der | |
Wölfe auch – nun nicht eben klein seien. | |
## An der Begründung gibt es Zweifel | |
Trotzdem, so hält Staatssekretär Frank Doods für das Umweltministerium | |
dagegen, erlaubten auch diese Informationen Rückschlüsse darauf, welche | |
Weidetierhalter für die Meldung von Rissen verantwortlich seien und welche | |
Kreisjägerschaft die „Entnahme“ des Wolfes koordiniere. | |
Zumal die Wolfsliebhaber oft über eine gute Vernetzung und entsprechende | |
Ortskenntnis verfügten – und dann eben doch sehr schnell bei dem | |
Jagdpächter vor der Tür stehen könnten, der mit dem Abschuss beauftragt | |
ist. | |
Das sind nun allerdings Fragen, bei denen die Richter es durchaus genauer | |
wissen wollen: Wie viele weitere, zusätzliche Informationen benötigt man, | |
um sich zusammenreimen zu können, welcher Jagdpächter zuständig ist? Und | |
warum hat die Landesregierung überhaupt kein Problem damit, all diese | |
kritischen Informationen freizugeben, wenn der Abschuss erfolgt ist? Sind | |
die Jäger dann tatsächlich schlagartig nicht mehr gefährdet? | |
Das muss Doods einräumen, leuchtet vielleicht nicht sofort ein, sei aber | |
bisher die Erfahrung gewesen: Die Wolfsliebhaber seien vor allem darauf | |
aus, Abschüsse zu verhindern, verabredeten sich zu Störaktionen und | |
Waldspaziergängen und sprächen auch bei solchen Gelegenheiten ihre | |
Drohungen aus. | |
Dann müsste sich die Landesregierung aber unter Umständen noch einmal genau | |
überlegen, ob sie hier tatsächlich die Rechte Dritter beschütze oder | |
vielmehr die ungestörte Durchführung, bemerkt Gerichtspräsident Thomas | |
Smollich mahnend. | |
Die Grünen halten diese Gefährdungslage ohnehin für vorgeschoben: „Es geht | |
doch wohl im Wesentlichen darum, diese [1][Abschussgenehmigungen geheim zu | |
halten, damit niemand mehr dagegen klagen kann]“, sagt Christian Meyer am | |
Rande des Verfahrens. | |
## Gegen geheime Genehmigungen kann man nicht klagen | |
Er und seine Fraktionskollegen ärgern sich auch über das Vorgehen des | |
Ministeriums. Zum einen hätte man nicht einmal versucht, sich zu | |
verständigen, ob nicht vielleicht zumindest eine teilweise Auskunft möglich | |
sei – obwohl das bei anderen Anfragen übliche Praxis ist. Dann hätte man ja | |
noch einmal darüber reden können, welche Informationen tatsächlich zu | |
sensibel für die Öffentlichkeit seien. | |
Zum anderen hat der Minister dann auch noch eine vertrauliche Unterrichtung | |
im Ausschuss angesetzt, statt erst einmal die Anfrage zu beantworten. Das | |
ärgert die Oppositionspolitiker vor allem deshalb, weil die Informationen, | |
die dort gegeben wurden, für sie [2][in der öffentlichen Debatte] dann | |
praktisch verbrannt sind. | |
„Da kamen am nächsten Tag dann Presseanfragen zu dem Thema und ich konnte | |
nichts dazu sagen, weil alles vertraulich war“, ärgert sich Meyer, „nicht | |
mal so banale Dinge wie ob es tatsächlich acht Abschussgenehmigungen waren, | |
durfte ich noch beantworten.“ | |
Ob es sich die Landesregierung damit tatsächlich zu leicht gemacht hat und | |
der Opposition Informationen vorenthalten hat, die sie hätte mitteilen | |
müssen, verkündet der Staatsgerichtshof am 8. Februar. | |
3 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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