# taz.de -- Urteil zu Infos über Wolfsabschüsse: Geheimhaltung geht nur teilw… | |
> Die niedersächsische Landesregierung muss mehr Informationen über die | |
> Wolfsjagd herausrücken. Das ist ein Teilerfolg für die Grünen. | |
Bild: Für manche Freund, für andere Feind: der Wolf in Niedersachsen | |
HANNOVER taz | Am Ende beeilen sich natürlich beide Seiten zu versichern, | |
dass sie sich durch den Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg | |
voll bestätigt fühlen. [1][Geklagt hatten dort die Grünen], die sich durch | |
die rigide Geheimhaltungspolitik der Landesregierung bei den | |
Wolfsabschüssen in ihren Grundrechten als Abgeordnete verletzt sahen. | |
Wurden sie auch, sagt der Staatsgerichtshof, zumindest teilweise. Die | |
Landesregierung sei mit ihrer Auskunftsverweigerung zu weit gegangen. Zwar | |
habe sie vollkommen zu Recht alle Informationen verweigert, die | |
Rückschlüsse darauf zulassen, welcher Weidetierhalter, Jäger oder sonstiger | |
Behördenmitarbeiter mit einer bestimmten Abschussgenehmigung in Verbindung | |
stehen. | |
Man müsse diese Menschen vor den Bedrohungen durch selbst ernannte | |
Wolfsfreunde schützen, hatte das Umweltministerium stets argumentiert. Und | |
das sah auch das Gericht so, das sich ausgiebig mit der munter vor sich hin | |
eskalierenden Debatte in den sozialen Netzwerken befasste. Zumindest in | |
diesem Punkt darf sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) also bestätigt | |
fühlen. | |
Die Anzahl der Ausnahmegenehmigungen, ihr Datum und ihre Begründung hätte | |
Lies allerdings durchaus mitteilen können, rügte das Gericht „Mehr wollten | |
wir ja auch nie“, sagt Christian Meyer (Grüne). „Es geht uns ja nicht um | |
den Namen des Jägers oder der Jägerin. Sondern darum, überprüfen zu können, | |
ob die Ausnahmegenehmigung gerechtfertigt ist.“ | |
## Ausnahmegenehmigungen bisher kaum überprüfbar | |
Damit ist der grüne Ex-Landwirtschaftsminister wieder beim Knackpunkt, der | |
in diesem Gerichtsverfahren aber ein Randaspekt blieb: Ist Niedersachsen | |
zu schnell und zu leicht bei der Hand mit diesen Abschussgenehmigungen? | |
Wegen dieser Kernfrage laufen Umweltorganisationen schon länger Sturm. Und | |
es laufen noch eine ganze Reihe weiterer juristischer Verfahren auf | |
unterschiedlichen Ebenen. | |
Vor dem Oberverwaltungsgericht [2][klagen gerade der Nabu Niedersachsen | |
mit] Unterstützung des WWF Deutschland und des Freundeskreises freilebender | |
Wölfe gegen die niedersächsische Wolfsverordnung. Gegen die jüngsten | |
Abschüsse im Amt Neuhaus (Landkreis Lüneburg) hat Peta Strafanzeige | |
erstattet. | |
Die EU-Kommission hat schon [3][vor einiger Zeit ein Pilotverfahren gegen | |
Deutschland] eingeleitet. Dabei steht Niedersachsen besonders im Fokus, | |
weil fünf der insgesamt acht Wolfsabschüsse zwischen 2000 und 2021 hier | |
erfolgten – obwohl in Sachsen und Brandenburg mehr Wölfe heimisch sind. | |
## Geheimhaltung gilt auch nicht immer | |
Darum, argwöhnen viele Tierschützer, ging es bei der rigiden | |
Geheimhaltungspolitik nämlich eigentlich: zu verhindern, dass gegen die | |
Abschussgenehmigungen geklagt wird, bevor sie vollzogen werden. Gerade erst | |
hat der Nabu in Bayern dafür gesorgt, dass eine Abschussgenehmigung | |
gerichtlich kassiert wurde. In Niedersachsen war das bisher kaum möglich. | |
Das Verhalten des Umweltministers sei auch ziemlich widersprüchlich, sagt | |
Meyer. Sobald der Abschuss erfolgt sei, habe das Ministerium nämlich | |
überhaupt keine Probleme mehr damit, alle möglichen Informationen | |
herauszurücken. Als ob die fanatischen Wolfsfreunde dann schlagartig das | |
Interesse verlieren und niemanden mehr beschimpfen und belästigen würden. | |
Für Kopfschütteln hatte in diesem Zusammenhang auch gesorgt, dass im | |
Landkreis Cuxhaven örtliche CDU-Abgeordnete der Lokalzeitung ganz stolz | |
eine Abschussgenehmigung präsentierten – offenbar hatte ihnen das | |
Ministerium nicht mitgeteilt, dass die eigentlich geheim ist. | |
## Forschung zur Wirkung fehlt | |
In den Landkreisen Cuxhaven und Osterholz ging es nach mehreren | |
dramatischen Nutztierrissen hoch her – zum ersten Mal hat die zuständige | |
Behörde hier eine Abschussgenehmigung erteilt, in der kein konkretes Tier | |
benannt ist. | |
Das hatte bei den anderen Abschüssen immer wieder für Diskussionen um | |
„Fehlabschüsse“ gesorgt, weil es kaum möglich ist, den einen Problemwolf | |
sicher zu identifizieren und abzuschießen. Das Ministerium hatte immer | |
wieder darauf verwiesen, dass es rechtlich auch möglich sei, ein anderes | |
Tier des Rudels zu schießen. Auch das ist ein Punkt, an dem viele | |
Tierschützer zweifeln. | |
Die Abschussdebatten aber auch verdeckten das, was eigentlich wichtiger | |
wäre, erklärt der grüne Wolfsexperte Christian Meyer: Mehr Investitionen in | |
Herdenschutzmaßnahmen und ein besseres Wolfsmonitoring. | |
Wenn beispielsweise mehr Wölfe mit Peilsendern bestückt würden, könnte man | |
ihr Jagd-, Revier- und Ausweichverhalten endlich einmal realistisch | |
betrachten – statt sich gegenseitig mit wissenschaftlich nicht erwiesenen | |
Behauptungen darüber zu behelligen, wie die Abschüsse wirken oder nicht | |
wirken. | |
10 Feb 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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