| # taz.de -- Rechte Verlage auf der Buchmesse: Deutsches Traditionsbewusstsein | |
| > Mit der Buchmesse ist die Diskussion über die Präsenz rechter Verlage | |
| > zurück. Völlig unnötig ist diese Tradition, denn es ist möglich sie | |
| > auszuladen. | |
| Bild: Jasmina Kuhnke hat ihre Teilnahme an der Buchmesse abgesagt | |
| Obwohl die Zahl der Corona-Infektionen wieder steigt und es immer wieder zu | |
| Impfdurchbrüchen kommt, kehrt langsam die prä-pandemische Normalität | |
| zurück. Für die Literaturbranche bedeutet dies konkret: [1][Nach anderthalb | |
| Jahren gibt es wieder eine richtige Buchmesse] – nicht online, nicht in | |
| abgespeckter Form, sondern fast so wie früher. Buchmessen sind für Leute | |
| aus Verlagen, Literaturagenturen und viele Autor_innen so etwas wie | |
| Klassentreffen, zwar mit Stress verbunden, aber eben auch ein schönes | |
| Wiedersehen. | |
| Unter den Traditionen der Frankfurter Buchmesse ist auch die unnötigste | |
| zurück: [2][die Diskussion über die Präsenz rechter Verlage]. Unnötig daran | |
| ist nicht etwa, dass das Thema endlich normalisiert werden sollte, denn es | |
| wird auch in zehn Jahren nicht hinnehmbar sein, dass antisemitische, | |
| rassistische, antifeministische Propaganda locker zwischen Krimis und | |
| Liebesromanen beworben wird. Trotz Halle, trotz Hanau, trotz des Mordes an | |
| Walter Lübcke und zig Polizeiskandalen made in Hessen. Als ob die geistige | |
| Brandstiftung nichts mit dem rechten Terror zu tun hätte, der auch im | |
| Bundesland Frankfurts stattgefunden hat und stattfindet. | |
| Unnötig ist die Tradition deshalb, weil die Möglichkeit existiert, rechte | |
| Verlage von der Messe auszuladen. Stattdessen argumentieren die | |
| Organisator_innen mit der Meinungsfreiheit und legitimieren Antisemitismus, | |
| Rassismus und Antifeminismus als einen Dissens, den man in einer Demokratie | |
| aushalten muss. Das wichtigere, unausgesprochene Argument ist | |
| wahrscheinlich jedoch die teure Standmiete, die auch solche Verlage zahlen. | |
| Schäbiges Nazi-Publikum | |
| Die Anwesenheit eines rechten Verlags bedeutet nicht nur einen schäbigen | |
| Nazi-Stand in den Messehallen, sondern ein schäbiges Nazi-Publikum, das | |
| dort rumflaniert. Als wären es nicht auch Nazis gewesen, die während des | |
| Nationalsozialismus Bücher – Werke jüdischer, kommunistischer und queerer | |
| Autor_innen – verbrannt haben. | |
| Für einige wird die Teilnahme an der Buchmesse eine moralische | |
| Abwägungsfrage, für manche eine existenzielle, etwa weil sie selbst von | |
| Nazis Bedrohungen erfahren. So etwa [3][die Autorin Jasmina Kuhnke]. Diese | |
| Woche ist ihr Debütroman erschienen, sie war eingeladen, ihn in Frankfurt | |
| als Überraschungsgast vorzustellen, aus Sicherheitsgründen unangekündigt | |
| also. In ihrem am Dienstag erschienenen Statement sagt sie den Auftritt ab, | |
| auch sonst vermeidet sie aufgrund der Gefährdungslage Lesungen mit | |
| Publikum. Nikeata Thompson und Annabelle Mandeng haben sich Kuhnkes | |
| Messeboykott kurze Zeit später angeschlossen. | |
| Die Messe-Organisator_innen nehmen lieber in Kauf, dass bedrohte | |
| Autor_innen fernbleiben und darauf verzichten, ihre Bücher dort | |
| vorzustellen. Wessen Meinungsfreiheit (und körperliche Sicherheit) sie | |
| schützen, haben sie deutlich gemacht und das bereits vor Kuhnkes Statement. | |
| Die Message buchstabieren sie nicht aus und doch ist sie | |
| unmissverständlich: Wer sich vor Nazis schützen will, muss sich halt aus | |
| der Öffentlichkeit zurückziehen und einbüßen. Noch so eine unnötige | |
| deutsche Tradition. | |
| 20 Oct 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Frankfurter-Buchmesse-vor-Eroeffnung/!5805589 | |
| [2] /Identitaere-auf-der-Buchmesse/!5455166 | |
| [3] /Doxing-von-Autorin-Jasmina-Kuhnke/!5760862 | |
| ## AUTOREN | |
| Hengameh Yaghoobifarah | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Habibitus | |
| Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse | |
| rechte Verlage | |
| IG | |
| Buch | |
| Antifeminismus | |
| Kolumne Habibitus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| rechte Verlage | |
| Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
| rechte Verlage | |
| Kolumne Habibitus | |
| Kolumne Habibitus | |
| Kolumne Habibitus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neulich in einer Berliner Buchhandlung: „Es gibt eben keine Zufälle“ | |
| Begegnung der lebensbejahenden Art: Ein älterer Herr gibt Tipps für ein | |
| Geburtstagsgeschenk und Lebensweisheiten von sich. Superb! | |
| Antifeminismus und rechte Vereine: Die Kunstrasen-Bewegung | |
| Seit über einem Jahrzehnt organisieren sich antifeministische | |
| Männerrechtler. Sie haben an Einfluss verloren – trotz mancher | |
| Überraschungscoups. | |
| Hype um UGG-Boots: So hot wie unattraktiv | |
| UGG-Boots, die plüschig gefütterten Wildlederschuhe, sind vor allem eines: | |
| hässlich. Oder liegt das eher am sonstigen Styling der Annikas? | |
| Debatte um Boykott der Buchmesse: Eine dünne Eisdecke | |
| Das Recht, an einer Buchmesse teilzunehmen, muss so inklusiv wie möglich | |
| gehalten werden. Sonst übernimmt man das Gift jener, die man bekämpfen | |
| will. | |
| Comedy-Autorin über Aktivismus: „Twitter ist für mich Battle-Rap“ | |
| Jasmina Kuhnke ist als „Quattromilf“ eine Twitter-Celebrity. Aus Protest | |
| gegen rechtsextreme Verlage auf der Buchmesse sagte sie ihre Teilnahme ab. | |
| Spenden an Neuköllner Buchhandlung: Alle Kinder gegen rechts | |
| Die Buchhandlung Leporello hat Spenden vom Klett Kinderbuch Verlag | |
| bekommen. Das Geld stammt vom Verkauf von Büchern auf einem neurechten | |
| Webshop. | |
| Boykott der Frankfurter Buchmesse: Der falsche Weg | |
| Aus Protest gegen die Präsenz rechter Verlage sagt Autorin Jasmina Kuhnke | |
| ihren Buchmessenbesuch ab. So verkleinert man die dort gelebte Diversität. | |
| Schönheitsdruck in der Gesellschaft: No pressure, just pleasure | |
| Schon in der Kindheit war klar: Bei besonderen Anlässen muss man gut | |
| aussehen. Aber warum sich nicht einfach mal schön machen, nur so, ohne | |
| Druck? | |
| Umgang mit Coronaleugner_innen: Es hätte nie so weit kommen dürfen | |
| Die Gewaltbereitschaft von Corona-Leugner_innen ist kein Geheimnis. | |
| Trotzdem begegnen ihnen manche Politiker_innen weiter mit Empathie. | |
| Identitätspolitik mal anders: Wir können alle Blumen sein | |
| Lieber dasselbe Parfüm bis zum Lebensende als dieselbe romantische | |
| Zweierbeziehung? Bei der Duftauswahl entstehen jedenfalls diverse Gedanken. |