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# taz.de -- Schönheitsdruck in der Gesellschaft: No pressure, just pleasure
> Schon in der Kindheit war klar: Bei besonderen Anlässen muss man gut
> aussehen. Aber warum sich nicht einfach mal schön machen, nur so, ohne
> Druck?
Bild: Für das gute Leben braucht es gar keine Gäste!
Entgegen der Annahme, es hätte bei uns zu Hause nie Markengetränke gegeben,
fiel mir neulich ein, dass es sie doch gab, nur halt nie für uns selbst.
Sobald meine Eltern Besuch hatten, standen auf dem Softdrink-Menü nicht
mehr die Freeway-Cola und der Tetrapack naturtrüber Apfelsaft, sondern
Coca-Cola, Sprite und Glasflaschen mit Beckers Bester in mindestens zwei
Sorten. Lediglich das Sprudelwasser durfte so bleiben, Saskia war dann doch
VIP genug.
In meinem Kopf ergab das Sinn: Wenn das Essen, die Kleidung, der
zwischenmenschliche Umgang und das Geschirr auf den Tischen sich für den
Besuch fancy macht, warum sollten die Getränke davon ausgenommen sein? Es
ist schließlich auch nicht ungewöhnlich, besondere Weine zu besonderen
Anlässen aufzumachen. Also eigentlich alles ganz cool und normal, aber ich
entnehme daraus natürlich mal wieder einen Knacks: Weil es die
Marken-Softdrinks nur gab, wenn wir Besuch hatten, weiß ich nicht, wie maus
sich alleine eine gute Zeit macht.
Sich schick anzuziehen, aufwendig zu schminken, Kerzen anzuzünden, gute
Snacks auszupacken, obwohl maus allein ist, fühlte sich für mich immer nach
Verschwendung an. Wozu einen heftigen Look ballern, wenn ihn doch niemaus
sieht? Dass das Quatsch ist, habe ich während der Pandemie gemerkt. Erstens
sehen andere eine_n ständig durch Videocall-Marathons, zweitens müssen wir
nicht so tun, als würden wir uns nicht eh durch unsere eigenen Frontkameras
anstarren, und drittens: Selbst wenn Punkt 1 und 2 nicht gegeben wären,
zeigte [1][die notwendige Corona-Isolation], wie trist der Alltag wird,
wenn maus sich bewusst den Genuss verwehrt. Für das gute Leben braucht es
keine Gäste!
## Beauty aus Pressure
Also schlage ich öfter ein Kochbuch auf und koche etwas Besonderes.
Räucherstäbchen brennen nieder. Ich zünde nicht nur mehr Kerzen an, ich
besorge auch mehr Ständer dafür, um mich wie in diesen Touri-Kirchen zu
fühlen, in denen Leute grundlos Geld bezahlen, um ein Teelicht anzumachen.
Ich habe mir schönere Jogginganzüge gekauft, die den Glamour mit der
Bequemlichkeit kombinieren. Make-up benutze ich zwar täglich, aber viel
weniger als vor der Pandemie.
In der Hinsicht habe ich gelernt, zwischen Beauty aus Pressure und Beauty
aus Pleasure zu unterscheiden. Die Lichtsituation aus pinken, roten und
lila Lämpchen suggeriert von außen wahrscheinlich, hier wäre ein privater
Stripclub, dabei sitze ich nur auf meinem Sofa und doomscrolle mit meinem
Vaporizer zwischen den Lippen durchs Internet. Und die Getränke? Ich bleibe
bei Leitungswasser, schwarzem Kaffee und ungesüßtem Tee. Nicht mal
Discounter-Limos. Weil ich im Alleinsein realisiert habe, dass mir
Softdrinks gar nicht so gut schmecken und ich sie meist nur getrunken habe,
weil ich in Gesellschaft war – der Druck, genießen zu müssen. Aus der Ferne
wirkt Pisse durch ihr Glitzern wie Goldwasser.
7 Oct 2021
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## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
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