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# taz.de -- Mitmach-Sticker bei Instagram: Ein Ort des Ichs
> Neben Selfies, Rezepten und Urlaubsfotos werden bei Instagram auch
> politische Infos verbreitet. Ich will vor allem Lifestyle-Content und
> Ablenkung.
Bild: Viele teilen bei Instagram gerade Kinderfotos von sich – Angela Merkel …
Seitdem Instagram den neuen Mitmach-Sticker hat, geht meine Laune bergauf,
was angesichts des Weltgeschehens und der Nachmittagsdunkelheit eine Menge
ist. Der Aufwand ist gering, das Prinzip simpel, der Effekt riesig.
Jemaus startet einen Aufruf in der Insta-Story, zum Beispiel: Teile einen
Screenshot von der „Urban Dictionary“-Definition deines Vornamens. Poste
ein Kinderfoto, das deine Grundhaltung zum Ausdruck bringt. Lade das letzte
gespeicherte Meme hoch. Wer sich angesprochen fühlt, beteiligt sich mit
einem eigenen Beitrag. Dadurch sehen die Follower den Aufruf und können
ebenfalls mitmachen. Der Sticker ist wie ein digitaler Sourdough-Starter
(sog. Hermann-Teig), ein paar Leute tragen ihn in die Welt und wer Bock
hat, greift nach einem Stück von dem Kuchen, der nicht weniger, sondern
mehr wird. Wer das uninteressant findet, überspringt die Story.
Nun gibt es überall Mäuse mit einem erhöhten Bedürfnis danach, ihre
Abneigung gegen harmlose Trends zu verbalisieren. So auch mit den
Mitmach-Stickern. Die Essenz: Niemaus jucken eure Kinderfotos, hört auf so
selbstbezogen zu sein, macht was Vernünftiges. Ich bin da ehrlich:
Instagram ist nun mal der Ort des Ichs. Da kommt maus nicht drum rum, dafür
wurde die App entworfen. Wer wirklich glaubt, politische Info-Slides seien
weniger [1][selbstbezogen als Urlaubsfotos, Selfies] und Rezepte, täuscht
sich. Wir müssen nicht unsere Gesichter in die Kamera halten, um uns zu
profilieren. Memes, Aufklärungsbeiträge, Musik, Podcasts oder Mini-Essays
transportieren ebenso, wer wir sind oder sein wollen. Und: Woran wir
glauben und wie wir die Welt betrachten.
Über Instagram neben Lifestyle-Content [2][auch politische Inhalte zu
verbreiten], ist seit einigen Jahren zum Trend avanciert. Mittlerweile
gehört es in den liberalsten Kreisen zum guten Ton zwischen glossy Fotos
gelegentlich „was Politisches“ zu teilen. Wir erinnern uns an die schwarzen
Kacheln im Juni 2020.
Mit technologischen Mitteln können politische Kämpfe an Tempo und
Reichweite gewinnen. Viele Demos oder Spendenaktionen wären ohne
Online-Mobilisierung nicht halb so erfolgreich. Doch zu glauben, dass die
Welt durch Info-Slides verändert wird, ist ein Trugschluss. Manche würden
sogar sagen, dass diese Art von missverstandenem „Aktivismus“ politische
Kämpfe eher schwächt, weil Inhalte verkürzt und falsche Sicherheiten
geschaffen werden.
Mittlerweile gebe ich offen zu, Instagram vor allem für Lifestyle-Content
aufzusuchen. Ich will keine Hot Takes zum Elend, sondern Ablenkung. Eure
Kinderfotos und Outfits sind interessanter als der 69. Infopost über ein
Thema, mit dem ich mich 2013 tiefer gehend beschäftigt habe. Wir treffen
uns einfach auf der nächsten Demo oder Buchpräsentation. Ich poste den
Aufruf dazu dann inmitten meines von Selfies und Torten genährten
Super-Algorithmus.
2 Dec 2021
## LINKS
[1] /Instagram-Trend-ChallengeAccepted/!5699386
[2] /Reality-Show-ueber-Aktivismus/!5798010
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
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Instagram
Selfie
IG
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