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# taz.de -- Reality-Show über Aktivismus: Retweets und Revolution
> Dr US-Sender CBS wollte in einer Reality-Show Aktivist:innen
> gegeneinander antreten lassen. Nach viel Kritik wurde „The Activist“ nun
> abgesagt.
Bild: Neben Schauspielerin Priyanka Chopra (Foto) sollte auch Sänger Usher die…
Stellen Sie sich einmal folgendes Szenario vor: Sechs Aktivist:innen
aus aller Welt treten gegeneinander an, um herauszufinden, wer von ihnen
die beste Aktivist:in ist. Sie alle engagieren sich in den Bereichen
Gesundheit, Bildung und Umwelt – und wollen etwas bewegen in der Welt. Um
zu gewinnen, müssen sie verschiedene Challenges absolvieren, wie die
Organisation einer Community-Veranstaltung oder einer Onlinekampagne.
Wie gut sie das machen, entscheiden Likes und Retweets im Netz und eine
Jury bestehend aus dem Sänger Usher, der Schauspielerin Priyanka Chopra
und der Tänzerin Julianne Hough. Den Sieger:innen winkt eine Stange Geld
und die Chance, [1][im Rahmen des G20-Gipfels] Ende Oktober in Rom mit
wichtigen Politiker:innen und Lobbyist:innen über ihr Anliegen zu
sprechen.
So sah das Konzept der Reality-Show „The Activist“ aus, die gemeinsam von
dem US-Sender CBS, Live Nation sowie der NGO Global Citizen produziert
werden sollte. Fünf Wochen lang wäre sie ab Ende Oktober ausgestrahlt
worden. Doch keine zwei Wochen nach der Ankündigung der neuen Show wurde
sie auch schon wieder eingestellt.
Aus Unterhaltungssicht wäre die Show sicherlich ein voller Erfolg gewesen.
Egal ob Dating, Musik oder Modeln – Castingshows boomen. Wenn man dann noch
durch bloßes Fernsehgucken und Likes verteilen ganz nebenbei „die Welt
retten kann“, wie es in der Presseerklärung heißt, hätten sicherlich
Millionen Zuschauer:innen eingeschaltet. Aber kaum war die Ankündigung
zur neuen Sendung online, gab es starke Kritik an dem Format.
## „Zutiefst gefährlich“
„Abgesehen von der Tatsache, dass Millionen von Dollar für Haare, Make-up,
Reisen, Promimoderatoren und Jurymitglieder, Produktion und Vertrieb
ausgegeben werden, die an die Aktivisten und Organisationen gehen könnten,
die vorgestellt werden, ist dies zutiefst gefährlich“, sagte Brittany
Packnett Cunningham, die mit der Organisation Campaign Zero gegen
Polizeigewalt und für eine Reformierung der Sicherheitsbehörde kämpft.
Eine Haltung, die viele Aktivist:innen im Netz teilten. Schließlich
gehe es bei Aktivismus nicht darum, Likes und Retweets zu sammeln, sondern
in der realen Welt für positive gesellschaftliche Veränderungen zu kämpfen.
Und diese erreiche man nicht durch Wettkampf, sondern durch Solidarität und
Gemeinschaft zwischen Aktivist:innen.
Auch Prominente mischten sich in ein. Die Schauspielerin Jameela Jamil
twitterte: „Könnten sie das Geld nicht direkt an die Aktivist:innen
geben, anstatt Aktivismus in ein Spiel zu verwandeln und einen Bruchteil
des benötigten Geldes in einen Preis zu investieren?“
In den Tagen nach der Ankündigung entspann sich eine Debatte über die
Kommerzialisierung von [2][Aktivismus in sozialen Medien] und auch in der
Berichterstattung klassischer Medien. Der Ton war klar: Diese Show ist ein
Desaster. Die Produzent:innen der Show verteidigten das Konzept
zunächst, die NGO Global Citizen schrieb, dass es nicht darum gehe,
Aktivismus zu trivialisieren, sondern die Kreativität und den Einsatz der
Kandidat:innen hervorzuheben und einem großen Publikum zugänglich zu
machen. Michael Rapino von Live Nation fuhr gleich die ganz großen
Geschütze auf und sprach davon, dass die Show ein einzigartiges Beispiel
sei, wie Unterhaltung die Welt verändern könne.
## Stattdessen eine Doku
Doch nachdem die Kritik kein Ende fand und die Jurymitglieder, die auch
persönlich für ihre Teilnahme kritisiert wurden, sich entschuldigten, wurde
die Show abgesetzt. Global Citizen entschuldigte sich bei Instagram:
„Globaler Aktivismus konzentriert sich auf Zusammenarbeit und Kooperation,
nicht auf Konkurrenz. Wir entschuldigen uns bei den Aktivist:innen, den
Hosts und der Aktivistengemeinschaft – das war falsch von uns.“
Ganz ausfallen soll „The Activist“ im Übrigen nicht. Stattdessen wird aus
der eigentlich geplanten Reality-Show nun eine Dokumentation über die
Arbeit der sechs Aktivist:innen. Das Geld, das eigentlich für die
Sieger:in vorgesehen war, sollen nun alle für ihr politisches Anliegen
erhalten. Ein Ausstrahlungstermin ist noch nicht bekannt.
21 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Aktivismus
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