| # taz.de -- Bonn-Park-Theaterstück nach Schiller: Im Fahrtwind der Freiheit | |
| > Bonn Parks „Die Räuber der Herzen“, ein assoziatives Schaumbad nach der | |
| > klassischen Vorlage von Schiller, feiert am Hamburger Schauspielhaus | |
| > Premiere. | |
| Bild: Echte Müßiggangster zielen nur mit dem Zeigefinger | |
| „Okay, ciao!“, ruft Fausty unvermittelt und geht ab. Gerade hatte er noch �… | |
| zusammen mit den anderen Gangstern – laut gesungen. Hatte den Song „I’ll | |
| fly with you“ von Gigi d’Agostino zum Besten gegeben. Hatte die Arme | |
| ausgebreitet und mit seinen Händen Herzchen geformt. Doch dann ist das Lied | |
| vorbei und mit ihm die synthetische, absichtlich weichgespülte Musik von | |
| Fee Aviv Marschall. | |
| Für einen Moment herrscht betretene Stille. Dann geht nicht nur Fausty | |
| Spiegelberg (Matti Krause), sondern auch seine Mitspieler*innen | |
| verschwinden. „Ich geh ins Bett und schau irgendwas.“ Nach und nach löst | |
| sich die Bande auf, genauso nonchalant wie sie zusammengefunden hat. Das | |
| war’s jetzt. Ciao. Okay, ein kleiner Schlussmonolog noch. Das war’s jetzt | |
| aber wirklich. Ciao. | |
| „Alles gut“, möchte man antworten. „Komplizierte Gefühle, aber auch nic… | |
| so schlimm.“ Und schon ist man mittendrin im Text, den [1][Bonn Park] über | |
| Friedrich Schillers „Die Räuber“ hinüber geschrieben hat. Eine | |
| Klassikerbearbeitung, eine, wie der 1987 geborene Autor sie bereits mit | |
| „Drei Milliarden Schwestern“ praktiziert hat. „Die Räuber der Herzen“ … | |
| ein assoziatives Schiller-Schaumbad, in dem sich die Räuberbande um Karl | |
| Moor mit den Ganoven aus dem Thriller „Ocean’s Eleven“ zusammentut. In dem | |
| ein gewisser Karl, hier heißt er mit Nachnamen Ozean, das Casino seines | |
| Vaters ausrauben will. | |
| ## Glitzerpartikel in die Luft werfen | |
| Dann wird sicher alles besser, denkt er. Und: „Alles nicht so einfach, aber | |
| auch nicht so schlimm.“ Also stellt er eine Gangsterclique zusammen, die | |
| entspannter nicht sein könnte. Diese Müßiggangster (Eva Bühnen, Jonas Hien, | |
| Jan Logemann und Matti Krause) zielen höchstens mal mit dem Zeigefinger, | |
| werfen lieber Glitzerpartikel in die Luft als böse Worte und singen | |
| leidenschaftlich zu sanfter Fahrstuhlmusik. Sie sehen aus wie coole Cowboys | |
| (Bühne und Kostüme: Laura Kirst) und tanzen doch am liebsten im Nebel auf | |
| der Showtreppe. | |
| Plaudernd planen sie ihren Coup, wollen einen Anführer, aber auch total | |
| flache Hierarchien, vollführen lässige Kartentricks (der Magier Logemann | |
| zaubert, „Puff!“, später sogar den Tresor-Inhalt weg) und organisieren Karl | |
| (Angelika Richter) erst mal eine Badewanne und ein paar Kerzen, als dieser | |
| sich mal nicht so gut fühlt. So wird das nichts, denkt man. Das hier ist | |
| alles viel zu melancholisch und unentschlossen. Und: „Alles wird gut, was | |
| soll es auch sonst werden.“ | |
| Völlig unbekümmert schreibt und [2][inszeniert Bonn Park,] der zum ersten | |
| Mal in Hamburg arbeitet, sein „Räuber“-Stück nicht um der Handlung willen. | |
| Ihm geht es um gute Gefühle und schöne Stimmungen. Er will, wie er im | |
| Programmheft sagt, dieses wütende Schiller-Stück, „dieses Reclam-Heft, in | |
| die Hand nehmen und es liebevoll streicheln“. Das gelingt ihm meist. | |
| „Häppchen von Zusammenhängen fliegen an uns vorbei / Wie der Fahrtwind der | |
| Freiheit“, heißt es einmal. | |
| ## Gedanken zum Materialismus | |
| Und später wird das „Lied der beeindruckenden Sätze und Vokabeln aus „Die | |
| Räuber“ von Friedrich Schiller“ in einer skurrilen Musical-Moritat zum | |
| Besten gegeben. Etwas zu oft gerät Park allerdings auf René-Pollesch-artige | |
| Abwege, wirft dann naheliegend kritische Gedanken zu Materialismus, Welt- | |
| und Lebenskrisen in den Raum. | |
| Man könnte von dem Abend im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses in | |
| Hamburg enttäuscht sein oder gelangweilt – einiges ist tatsächlich recht | |
| lang und ausufernd musikalisch geraten. Und doch sieht man der lässigen | |
| Angelika Richter extrem gerne zu, wenn sie im Schaumbad ihr Hühnerfrikassee | |
| löffelt und sich dabei Obama-Reden anschaut. Einfach beruhigend. | |
| Das Mash-up aus dem gewaltfreien Heist-Movie und Schillers Jugendwerk ist | |
| ein assoziatives und heiteres Stück Theater über gute Gefühle und ein | |
| bisschen Zuversicht. Es ist ein Stück, in dem der Autor Schiller streift | |
| oder vertont – verortet in einem leuchtend roten, trashig schönen Casino. | |
| Hier blinken Flipperautomaten, wächst der „Räuber“-Wald aus neongrünen | |
| Leuchtstoffröhren-Palmen. | |
| ## Riesige Jetons | |
| Riesige Jetons kullern über die Bühne, verbirgt sich der Tresor hinter | |
| einer Dartscheibe und werden hervorquellende Blutlachen beiläufig mit Zewa | |
| abgedeckt. Nichts ist schlimm, heißt es einmal zynisch, „weder Klimawandel | |
| noch Pandemie, wir kriegens schon irgendwie hin“. Der geplante Überfall | |
| findet irgendwann noch statt, doch die Beute verpufft bei einem | |
| Zaubertrick. Egal! Parks Figuren geht es vor allem um „Zuneigung, die | |
| härteste aller Währungen“, und die „Lust am Gelingen von Plänen“. Park | |
| selbst geht es vornehmlich um die Lust am Spiel. | |
| Mit Texten, Genres und Musik. „Alles gut. Nicht so schlimm“, möchte man ihm | |
| zurufen. Meistens ist es unterhaltsam. Doch „ich geh jetzt ins Bett und | |
| schau irgendwas. Ciao!“ | |
| 4 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Ullmann | |
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