| # taz.de -- Theaterautor Bonn Park: Unliebsame Wichte | |
| > Stücke fehlten, da schrieb er eben eins. Der junge Berliner Autor Bonn | |
| > Park ist zum Stückemarkt des Theatertreffens eingeladen. | |
| Bild: Bonn Park ist in Berlin aufgewachsen und ein Volksbühnenfan | |
| Bitte stellen Sie sich einen jungen Mann bei einer Lesung vor. Er liest | |
| einen Monolog, und zwar einen des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un, | |
| mit halbauthentischem schwiizerdütschen Akzent. Bonn Park liest, so heißt | |
| der junge Mann, als Kim Jong Un mit Nachdruck Zeilen wie diese: | |
| „Wiedervereinigung oder BOOM.“ | |
| Mussten Sie gerade, beim Imaginieren, zumindest leicht schmunzeln? Dann | |
| stehen die Chancen gut, dass Bonn Park der junge Autor ist, von dem Sie | |
| wünschten, seine Texte würden längst auf den größten Bühnen des Landes | |
| gespielt. | |
| Es ist ein Samstag und der erste Abend des Theatertreffens in Berlin, wovon | |
| im Neuköllner Schillerkiez allerdings nichts zu spüren ist. Vor dem | |
| Froschkönig, einer grundsoliden Kneipe, regiert die Gemütlichkeit. Paar | |
| Flaneure, paar Jungs, die ’nen Harten schieben, alles schön langweilig. | |
| Bonn Park sitzt mit mir an einem Biergartentisch, streicht sich die dunklen | |
| Locken aus dem Gesicht. Der Kellner stellt sechs Kurze auf den Tisch, um | |
| aus dem hier, der Interviewsituation, ein entspanntes Gespräch zu machen. | |
| Der oben erwähnte Monolog ist einer von mehreren aus dem „Knurren der | |
| Milchstraße“, dem Text, mit dem Bonn Park zum Stückemarkt des | |
| Theatertreffens eingeladen ist. „Das Stück besteht eigentlich nur aus | |
| Monologen“, sagt Bonn Park, „natürlich mit Absicht.“ Der fassungslose Kim | |
| Jong Un beispielsweise erklärt, er fühle sich missverstanden. Eigentlich | |
| sei er ja angetreten, um für mehr Frieden und Liebe in der Welt zu kämpfen, | |
| nur der Westen wolle halt nicht, ganz besonders die Südkoreaner. | |
| ## Sympathien für Arschlöcher | |
| Zwar ist „Das Knurren der Milchstraße“ eher zum Lachen als zum Weinen. Wie | |
| der Autor allerdings unliebsame Wichte wie den „ernüchterten Donald Trump“ | |
| oder „die zornige Frau, die die Sozialdemokratie rettet“, oder „die fette | |
| Heidi Klum“ in einen an Handlung armen – jetzt muss natürlich kurz das | |
| Postdramatische des Stücks erwähnt werden – Text einbaut, das hat etwas | |
| sehr Liebevolles. Keine seiner Figuren ist ein Held, aber am Ende hat der | |
| Text auch Sympathien für Arschlöcher und Schweine, weil: Letztlich sind sie | |
| ja alle genauso arm dran wie der Autor, du und dein unausstehlicher Onkel. | |
| Ausgehend von der Annahme, dass es ganz gleich ist, ob man nun in die | |
| Volksbühne geht oder einfach sieben Stunden lang mit der S-Bahn durch | |
| Berlin gondelt – weil’s am Ende ja alles Theater ist –, macht Bonn Park a… | |
| Autor genau das Richtige: Er verdichtet, spitzt zu und landet bei einer | |
| Theatervision, die zwar genauso traurig ist wie die Realität, aber immerhin | |
| witziger. Das ist doch etwas beziehungsweise mehr, als man gemeinhin so von | |
| neuen Theatertexten erwarten kann, wenn die nicht gerade von René Pollesch | |
| oder Elfriede Jelinek sind. | |
| ## Als Teenie zum Casting | |
| „Ich wollte ja nie Autor sein“, erzählt Bonn Park. Gerade haben wir den | |
| zweiten Absolut Vodka hinuntergestürzt. Park, 1987 in Berlin geboren, | |
| berichtet, wie er als Teenie aus Versehen Schauspieler wurde, weil ihn eine | |
| Freundin zu einem Casting schleppte, wo man noch einen asiatisch | |
| aussehenden Jugendlichen suchte. „Danach hatte ich eine Zeit lang mehr | |
| Geld, als man normalerweise in dem Alter hat. Ich glaub, die anderen jungen | |
| Schauspieler und ich waren ziemlich unausstehlich.“ Grinsen. Wenn man ein | |
| Taxi rufen wollte, rief man es halt und fuhr dann irgendwohin, wo man sich | |
| gut betrinken konnte. So lange, bis einen das anödete und man Bock hatte | |
| auf mehr. | |
| Bei Bonn Park geschah das, als er mit 16 allein in einen | |
| Dimiter-Gotscheff-Abend in der Volksbühne ging, „Das große Fressen“, in d… | |
| sich vier Wohlstandsverwahrloste zu Tode futtern und vögeln wollen. | |
| Gotscheff inszenierte den „Skandalfilm“ mit so viel Schaum auf der Bühne, | |
| dass die Spieler am Ende alle wie in Watte gepackt waren. Offenbar, könnte | |
| man sagen, hat dieser Theaterabend Bonn Park – für den die wattierte | |
| Lebensrealität des Westens auch ein wichtiges Thema ist – seitdem nicht | |
| mehr losgelassen. | |
| Auf jeden Fall folgten auf dieses einschneidende Guckerlebnis: mehr | |
| Theaterbesuche, Hospitanzen an der Volksbühne, unter anderem bei Frank | |
| Castorf, und ein Studium an der Universität der Künste (Szenisches | |
| Schreiben). „Vorher hatte ich keine Ahnung, dass man heute überhaupt | |
| Theaterautor werden kann.“ | |
| Zum Schreiben kam er dann auch eher notgedrungen, weil er während seiner | |
| Zeit als Hospitant bereits Teil der Volksbühnen-Jugendabteilung p14 war und | |
| weil man dort nach neuen Texten gierte und er dann halt welche schrieb. | |
| ## Preise gewonnen | |
| Das lief so gut, dass Park irgendwann anfing, Stücktexte bei Wettbewerben | |
| einzureichen: „Die Leiden des jungen SuperMario in 2D“ gewann 2011 den | |
| Innovationspreis beim Heidelberger Stückemarkt, „Traurigkeit und | |
| Melancholie“ den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis. | |
| Offenbar glaubt nicht nur der Autor dieses Texts, dass Bonn Park eine | |
| gewichtige Stimme werden kann, ja muss. Irgendwer muss ja endlich kommen | |
| und Fun, Action und Fragezeichen zurückbringen in einen Betrieb, der zu oft | |
| vom eigenen Verstand besoffen ist und dem wahrscheinlich gerade deshalb | |
| noch kein Mittel gegen die schwindende Wirkmacht des Theaters eingefallen | |
| ist. | |
| Die letzten Worte gehören Bonn Park selbst: „Die Menschen hier sind | |
| katastrophal, mitunter gar mies und gemein, aber nun versuchen sie Dinge zu | |
| tun, tolle Dinge aus reiner Naivität, angenehm blöd, um die Welt | |
| anzuschieben, in einer Zeit, in der niemand mehr Dinge tut, vor allem nicht | |
| die Talentierten und Privilegierten, die irgendwann von Schaum und Internet | |
| gefressen werden.“ | |
| 10 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Sascha Ehlert | |
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