# taz.de -- Dramatiker Bonn Park: Ein Star, der jung bleiben muss | |
> Bonn Park gewinnt seit Jahren mit seinen Stücken Preise und wird doch | |
> immer noch als Nachwuchs gehandelt. Aus dieser Schublade muss er raus. | |
Bild: Der Theaterbetrieb möchte den Dramatiker Bonn Park nicht erwachsen werde… | |
Bonn Park sieht vor der fränkischen Kleinstadtkneipe aus wie gerade eben | |
von der [1][Vogue-Titelseite] auf die Straße gehüpft. Dandyhaft lässig, | |
melancholisch-teilanwesend und zugleich schrill-überdreht wie die Namen | |
seiner Theaterstücke: [2][„Das Knurren der Milchstraße“ oder | |
„Flankufuroto“] heißen die etwa. An diesem Abend im Januar 2020 hat sein | |
Theaterstück „Das Deutschland“ im beschaulichen Bamberg Premiere gefeiert. | |
Trotzdem sind die namhaften Feuilleton-Stimmen und Preisjury-Mitglieder des | |
Landes angereist. | |
Wo Bonn Park auf dem Spielplan steht, werden Pressekarten verteilt, wie in | |
Rap-Videos mit Geldscheinen um sich geworfen wird. Und das, obwohl der | |
Dramatiker über sich sagt, dass er sich überhaupt nicht etabliert fühle. | |
Dabei strotzen seine Stücke vor Mut und überbordender Eigenwilligkeit. | |
Eine rauchende Giraffe steht neben Kim Jong Un. Dazu die übergewichtige | |
Heidi Klum und Donald Trump, der seinen Präsidentenjob an den Nagel hängt, | |
um auf einem Dampfer anzuheuern. So sieht etwa das Bühnenpersonal aus, wenn | |
[3][Bonn Park in seinen Texten] munter etwas Staub aus alten | |
Theatervorhängen klopft. | |
Pfandflaschen werden in einem Stück zur neuen Währung, ein Außerirdischer | |
beschimpft die Menschheit, und schon ist ein Theaterabend verflogen wie die | |
Folge einer Netflix-Serie. Einfach nur dasitzen und wegnicken klappt hier | |
nicht ganz so gut, wie man das (Vorsicht: Klischee) von manchem | |
Theaterbesuch kennt. | |
## Hip wie einst Wes Anderson | |
Ursprünglich hätte dieser Artikel genau so weiter verfahren und ein reines | |
Porträt über den 1987 in Berlin geborenen Bonn Park werden können. | |
Eigentlich ein Leichtes: Der Theatermacher ist hip wie Wes Anderson in der | |
Hochphase seines Personenkults, seine Stücke sind zugleich Dada wie Monty | |
Python und welthaltig wie die epochalen Schlüsselprobleme der Menschheit im | |
Anthropozän. | |
Hinzu kommt, wie Bonn Park d[4][en Theaterbetrieb immer wieder wohltuend | |
vor den Kopf stößt]. Etwa indem er eine Oper verfasst, dafür ein | |
Symphonieorchester aus 14- bis 19-Jährigen zusammentrommelt und das Werk | |
2018 mit sympathisch-unerschrockener Selbstverständlichkeit auf der | |
Hauptbühne der Volksbühne inszeniert. | |
Mitten im wilden Intendantenwechsel und mit dem Ensemble des | |
Jugendtheaterclubs, der sein Dasein normalerweise auf der Bühne im dritten | |
Stock des Traditionshauses fristet. Auch diese anarchisch eingefärbte | |
Ich-mach-mein-Ding-Geste hat wieder Preise eingefahren. | |
Was aber, wenn ein solches Porträt fragwürdige Zuschreibungen unkommentiert | |
hinnehmen und dadurch weiter zementieren würde? Zerrbilder Bonn Parks, die | |
unter anderem von ökonomischen Zwängen, latentem Rassismus und | |
Altershierarchien im Theaterbetrieb herrühren. | |
## Tschüs, Schublade | |
Was nun also folgt, ist die kontrollierte Sprengung einer viel zu engen | |
Schublade, aus der Bonn Park längst herausgewachsen ist. Die überfällige | |
Entsorgung eines Etiketts, das dem Künstler immer wieder auf die Stirn | |
geklebt wurde: „Nachwuchs“. Nein, Bonn Park ist alles andere als Nachwuchs, | |
auch wenn er jung ist und der Theaterbetrieb bekannt dafür, diesen Stempel | |
ohne Hemmungen auch 40-Jährigen noch aufzudrücken. | |
Und dennoch ist Bonn Park längst nicht etabliert, wie man das von | |
prominenten Namen behaupten kann, deren Stücke die Theaterprogramme | |
landauf, landab bevölkern. In diesem Sinne ist Bonn Park sogar das genaue | |
Gegenteil von etabliert, weil er mit jedem seiner Texte stets | |
Experimentator, Pionier, Außenseiter bleibt. Seine Kunst verwehrt sich den | |
konventionellen Messinstrumenten von künstlerischem Erfolg, und das ist | |
vielleicht das Tollste an diesem Theatermacher. Bonn Parks Texte fordern | |
nicht nur heraus, sie überfordern auch so manche Theaterhäuser. | |
Seine Lektorin, Andrea Czesienski, erläutert diese Tücke hochambitionierter | |
Stücke: „Ein junger Autor lebt davon, dass seine Stücke quer durch das Land | |
gespielt werden können. Bei Bonn braucht es aber ganz eigene Ideen, um | |
diese Texte auf die Bühne zu bringen. Viele Theater trauen sich das | |
schlicht nicht zu.“ Geht Czesienski jedoch nach den Verlagszahlen seiner | |
Bühnentexte, „dann gehört Bonn zu den Autoren, die regelmäßig bestellt | |
werden. Er wird überall wahrgenommen, er ist bekannt, aber er ist eine | |
echte Herausforderung.“ | |
Diesen Einblick ergänzt Dorte Lena Eilers, Chefredakteurin von Theater der | |
Zeit: „Ist ein Stück erst mal uraufgeführt, wird es kaum nachgespielt. Die | |
Künstler sind gefangen in einer endlosen Produktionsschleife.“ | |
## Mehr als bloß dramatische Ideen | |
Doch Bonn Park ist gerade kein Vielschreiber, der sich diesem Zwang | |
unterwirft. Er spricht sich sogar entschieden dagegen aus: „Ich glaube, es | |
gibt eine allgemeine Annahme, dass jeder gern berühmt sein möchte. Ich | |
würde gern nicht berühmt sein und so arbeiten dürfen, wie ich möchte.“ | |
Seine Theatertexte sind eigenständige sprachliche Kunstwerke, nicht nur | |
dramatische Ideen, die auf die Vervollständigung durch eine Inszenierung | |
warten. | |
Bonn Park zielt nicht darauf ab, möglichst schnell zum Zentrum des | |
Theaterbetriebs zu werden, umworben von allen Bühnen des Landes. Diese | |
kulturellen (Macht-)Zentren sind ihm ebenso suspekt wie ein Polit-Theater, | |
dessen Publikum sich daran ergötzt, von samtbezogenen Stühlen aus einer | |
Kritik auf der Bühne zuzunicken, mit der sich alle auf dem Heimweg als die | |
Guten fühlen können. | |
So kommt etwa „Das Deutschland“ ganz ohne Nazis aus. Stattdessen: Abgründe, | |
die sich in unseren Wohnzimmern, Supermärkten und Floskeln („Ich weiß ja | |
nicht, wie das bei Ihnen ist, aber in diesem Land ist das so“) verbergen. | |
Als würde das Drama die sozialliberale Zivilisiertheit der bürgerlichen | |
Mitte vor dem Spiegel einmal abschminken und hervor käme eine Fratze, deren | |
Anblick man nicht lange ertragen kann. Das Stück ist wie ein Erschrecken | |
vor sich selbst. | |
Dass der junge Dramatiker gefälligst noch geduldig zu warten habe, bis die | |
Herren der Hochkultur ihn offiziell in die Etage der Etablierten aufnehmen, | |
hat außerdem mit verkrusteten Strukturen zu tun. Immer wieder formuliert | |
Bonn Park, dass er sich im Theaterbetrieb fremd fühle, dass weiße Männer | |
mit Nickelbrillen und Bärten es leichter hätten. „Und selbst wenn Jüngere | |
in hierarchisch höhere Positionen rücken“, so Eilers von Theater der Zeit, | |
„sitzt meist ein älterer (meist männlicher) Kollege über ihnen, der sich | |
dafür rühmt, den Nachwuchs befördert zu haben.“ | |
Bonn Park selbst würde am liebsten fern von alledem arbeiten können: „Mir | |
macht Theater Spaß. Bei der Arbeit, beim Proben, beim Rumwerkeln, bei | |
Krisen, bei der Aufführung. Keinen Spaß macht mir, mich oder andere in eine | |
Rangliste zu stecken. Und auch nicht der Fame und die Missgunst, die darin | |
vibrieren.“ | |
## Diversität als Ware | |
Hätte sich Bonn Park einer perfiden Logik des Theatermarkts unterworfen, | |
wäre der deutsch-koreanische Theatermacher womöglich längst schon Dauergast | |
an allen großen Häusern des Landes. | |
So macht Remsi Al Khalisi, Chefdramaturg am Theater Bamberg, auf eine Form | |
des latenten Rassismus im Theaterbetrieb aufmerksam, die den zögerlichen | |
Etablierungsprozess Bonn Parks von seiner hässlichsten Seite verstehen | |
hilft: „Wenn jemand als anders wahrgenommen wird, etwa über sein Aussehen, | |
und sich in seiner Kunst nicht mit seinem Anderssein auseinandersetzt, dann | |
wird das kaum wahrgenommen. Der Kulturbetrieb fordert, dass die | |
vermeintlich Anderen sich gefälligst mit ihrem Anderssein beschäftigen | |
sollen.“ | |
Bonn Parks Lektorin kann diese Beobachtung aus der Verlagsperspektive | |
bestätigen. Vor Kurzem habe sie eine Anfrage eines Theaters erreicht, das | |
um Dramenvorschläge von People of Color für den kommenden Spielplan gebeten | |
habe. Diversität ist hier zum käuflichen Marketingwerkzeug von Theatern | |
geworden. | |
Eine Perversion der Kulturindustrie, der sich Bonn Park mit seinem Schaffen | |
konsequent verweigert: „Ich möchte keine Rolle in der Theaterszene. Ich | |
möchte einfach arbeiten. Ich will mir kein Label auf die Social-Media-Stirn | |
tätowieren und ich will nicht der Wortführer von irgendwas sein. Ich möchte | |
als vollwertige und existierende Person akzeptiert werden, auch wenn ich | |
nicht alles im Internet wegposte, denn wir alle, die das nicht tun, wir | |
sind trotzdem auch auf der Welt und haben Gedanken, nicht im Internet, aber | |
in uns.“ | |
12 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Selmar Schülein | |
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