# taz.de -- Die Wahl für Kegelrobben: Im Meer geht es um viel | |
> Kegelrobben haben kein Wahlrecht. Dabei bedeutet die kommende | |
> Umweltpolitik auch für die Meeressäugetiere Sein oder Nichtsein. | |
Bild: Von Plastiknetzen befreit und gesund gepflegt, darf diese Kegelrobbe zur�… | |
Berlin taz | Kegelrobben stehen bislang nicht im Zentrum des | |
Bundeswahlkampfs. Das ist aus zwei Gründen verständlich: Erstens gibt es in | |
Deutschland nicht mehr sehr viele von ihnen. 2019 zählte das Bundesamt für | |
Naturschutz etwa 6.000 Atlantische Kegelrobben an den deutschen | |
Nordseeküsten und 60 bis 80 Baltische Kegelrobben an der Ostseeküste | |
Mecklenburg-Vorpommerns (um 1900 herum waren es noch Hunderttausende). Und | |
zweitens, selbst wenn die größten heimischen Raubtiere eine größere | |
Zielgruppe bilden würden: Sie haben kein Wahlrecht. | |
So tauchen sie explizit in keinem der untersuchten Wahlprogramme der | |
demokratischen Parteien auf, die jetzt schon im Bundestag sitzen. | |
Allerdings hat sich Deutschland schon vor Jahren eine „Nationale Strategie | |
zur Biologischen Vielfalt“ gegeben und darin versprochen, [1][die | |
Gefährdung der Artenvielfalt zu stoppen] und sie „als Fernziel“ wieder zu | |
mehren. Insofern ist, wer auch immer die nächste Regierung bildet, dazu | |
verpflichtet, auch das Wohlergehen der Kegelrobbe in den Blick zu nehmen, | |
sie zu schützen und ihren Lebensraum, Nord- und Ostsee, lebensfreundlicher | |
zu machen. | |
Dementsprechend hat die Union in ihr Wahlprogramm geschrieben: „Die | |
biologische Vielfalt unserer Meere und Küsten ist ein großer Schatz.“ Will | |
sie ihn verschleudern oder hüten? Das Programm erlaubt beides. Es schreibt | |
fest, es gelte, „den Schutz der Nord- und Ostsee sowie des Wattenmeeres | |
gemäß der europäischen Biodiversitätsstrategie unter Berücksichtigung der | |
Fischerei zu verbessern“. Biodiversitätsstrategie, das klingt gut. Das | |
Vorhaben zum Artenschutz, das derzeit in Brüssel diskutiert wird, wäre eine | |
gute Grundlage für die deutsche Gesetzgebung. Unter Berücksichtigung der | |
Fischerei, das klingt schlecht. Schon in der vergangenen Legislaturperiode | |
war die Union mit der Fischereiministerin Julia Klöckner für den Schatz der | |
Meere zuständig. [2][Allerdings hat sich die Rheinland-Pfälzerin nicht | |
bemüht, die Überfischung von Ost- und Nordsee zu beenden]; strengere | |
Kontrollen der Fischereiflotten hat sie verhindert. Ohne Kontrollen aber | |
bringen Fangquoten wenig. | |
Die SPD nimmt sich in ihrem Wahlprogramm den Lebensraum der Kegelrobbe vor. | |
„Insbesondere die Verschmutzung der Meere durch Plastik ist alarmierend“, | |
schreiben die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm, „wir müssen die | |
zunehmende Plastikflut zurückdrängen.“ Damit nimmt die Partei direkten Kurs | |
auf ihr umweltpolitisches Lieblingsthema der vergangenen Legislaturperiode, | |
wohl auch, weil Plastikmüll eines der letzten wichtigen Themen im | |
entmachteten Umweltministerium war. „Dort, wo Einweg-Kunststoff nicht | |
vermeidbar ist, werden wir umweltfreundliche und recycelbare Lösungen | |
einfordern“, versprechen die Sozialdemokraten, und fordern, „die Hersteller | |
müssten noch stärker in die Pflicht genommen werden.“ Von weniger | |
Plastikmüll in den Meeren würden auch die Kegelrobben profitieren, denn sie | |
sind auf einen sauberen Lebensraum angewiesen. | |
## FDP setzt auf Innovation | |
Den Lebensraum des bis zu 300 Kilogramm schweren Raubsäugetiers nimmt auch | |
die FDP in ihrem Wahlprogramm ins Visier: „Ebenso wichtig wie Wälder an | |
Land sind die Algenwälder, Seegraswiesen und das Phytoplankton der Meere, | |
um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu speichern und Sauerstoff zur Verfügung | |
zu stellen.“ Wie genau die Freien Demokraten diese Erkenntnis in Politik | |
umsetzen wollen, führen sie nicht näher aus. Es müssten „vorhandene | |
Konzepte entschlossen umgesetzt und innovative Lösungen“ gefunden werden. | |
Konkreter Vorschlag: An den Küsten müssten „innovative Unternehmen aus dem | |
maritimen Bereich“ angesiedelt werden. | |
Die Linke setzt in Sachen Lebensraum für Tiere auf Schutzgebiete: | |
„Gemeinsam mit Umweltschutzverbänden fordern wir eine Meeresoffensive“, | |
heißt es im Wahlprogramm, „keine Überfischung, effektiver Schutz mariner | |
Arten und Lebensräume.“ Die Meeresschutzgebiete müssten ausgeweitet und in | |
ihnen mindestens die Hälfte der Fläche aus der wirtschaftlichen Nutzung | |
genommen werden. Zudem versprechen die Linken mehr Geld und Personal, um | |
Maßnahmen umzusetzen. | |
Die Grünen benennen in ihrem Wahlprogramm die Sorgen der Kegelrobben um | |
ihren Lebensraum „Meer“: Versauerung, Überdüngung, Überfischung, | |
Verschmutzung und Plastikmüll. Um den Zustand der Meere zu verbessern, will | |
die Partei ein „verbindliches Abkommen zum Stopp der Plastikvermüllung“ auf | |
den Weg bringen sowie „ein Sofortprogramm mit ehrgeizigen | |
Müllvermeidungszielen auflegen“. | |
Zudem sollen Techniken zur Munitionsaltlastenentsorgung und zum Abfischen | |
des Meeresmülls gefördert werden. In der deutschen Ausschließlichen | |
Wirtschaftszone sollten Öl- und Gasbohrungen sofort gestoppt und die | |
Förderung bis 2025 ganz beendet werden. Aus dem Kies- und Sandabbau in | |
Schutzgebieten solle ausgestiegen und zugleich Raubbau in Ländern des | |
Globalen Südens durch Importstandards verhindert werden. Für die Kegelrobbe | |
– Lieblingsspeise: Fisch – besonders interessant: Die Grünen wollen aus der | |
klima- und umweltschädlichen Grundschleppnetzfischerei aussteigen und die | |
Fischereisubventionen auf eine ökologische Meeresnutzung ausrichten. | |
Wäre schön, wenn die Wähler:innen sich die Vorhaben der Parteien in | |
Sachen Natur- und Artenschutz noch mal genauer ansehen könnten. Für die | |
Kegelrobben sind sie überlebenswichtig, und sie selbst haben keine Stimme. | |
8 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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