# taz.de -- „Il buco“ beim Filmfestival Venedig: Klaffende Löcher, schwebe… | |
> Lidokino 5: Michelangelo Frammartino erzählt von stummen Höhlengängen in | |
> Italien. | |
Bild: Antonio Banderas, Penélope Cruz und Oscar Martínez beim Proben der „a… | |
Seit einigen Tagen gibt es unter den Festivalbesuchern auf dem Lido eine | |
wiederkehrende Dauerklage: die Tücken des Buchungssystems, mit dem man | |
seine Kinoplätze vorab reservieren muss. Funktionierte dieser Service im | |
vergangenen Jahr noch ziemlich reibungslos, gibt es diesmal diverse | |
Ausfälle. Was an den gut doppelt so vielen Akkreditierten liegt, für deren | |
Zahl das System nicht konzipiert ist. | |
So beschweren sich Besucher über Online-Warteschlangen beim Buchen, die | |
schon mal zur Folge haben können, dass man überhaupt kein Ticket für den | |
gewünschten Film bekommt. Oder man steht plötzlich vor einem Platz, auf dem | |
man laut System sitzen soll, der aber klar erkennbar des | |
Sicherheitsabstands wegen gesperrt ist. | |
Für solche Fälle hält das Festival erfreulicherweise Reserveplätze bereit. | |
Und wenn man interessehalber schaut, ob eventuell noch ein Film der | |
Nebenreihen zu buchen ist, heißt es in der Regel „nicht verfügbar“. Denn | |
die Zahl der verfügbaren Sitze hat, anders als die der Akkreditierten, | |
nicht zugenommen. Was zu einer Konzentration auf den Wettbewerb beiträgt, | |
der sich zunehmend mutiger gestaltet. | |
Mit „Il buco“, dem Beitrag des italienischen Filmemachers Michelangelo | |
Frammartino, geht es nach ganz tief unten. Genauer gut 680 Meter in den | |
kalabrischen Fels hinein, in die Höhle Abisso des Bifurto, die 1961 zum | |
ersten Mal von einer Gruppe junger Höhlenforscher erkundet wurde. | |
[1][Frammartino hatte schon in seinem Film „Vier Leben“ von 2010 einen | |
ungewöhnlichen Blick auf Tiere, Landschaft und Leute in Kalabrien | |
geworfen], unter anderem gab es bei ihm keine Dialoge. | |
## Italienische Höhlen | |
„Il buco“ gestaltet er jetzt als ein freies Reenactment und zeigt auch | |
diesen Abstieg als nahezu stummes Unterfangen. Man sieht die Kletterer mit | |
ihrer altmodischen Ausrüstung in einer noch unberührt wirkenden Höhle, | |
fragt sich mitunter, von welchen Punkten aus die Kamera in diesem Abgrund | |
festen Halt finden konnte. | |
Dazwischen gibt es Bauern aus der Umgebung zu sehen, Kühe, die sich dem | |
Zeltlager der Forscher nähern, und Esel, die schon mal das Innere eines | |
Zelts erkunden. Ein geradliniger Film, der still verzaubert und, mit etwas | |
Höh(l)enangst, über die Welt staunen lässt. | |
Ein weiterer Höhepunkt im Wettbewerb ist der argentinische Beitrag | |
„Competencia oficial“ des [2][Regieduos Gastón Duprat und Mariano Cohn]. | |
Mit viel Freude am Spiel mit den Eitelkeiten des Filmgeschäfts schicken sie | |
Penélope Cruz als exzentrische Regisseurin in den Ring, die zwei | |
antagonistische Schauspieler gegeneinander antreten lässt, gespielt von | |
[3][Antonio Banderas] und Oscar Martínez. | |
Als Mimen, die sie im Film spielen, können sie sich gegenseitig nicht | |
ausstehen, was zu einer Folge von haarsträubenden Hahnenkämpfen führt. Der | |
Film, an dem sie arbeiten, heißt passend „Rivalität“ und erzählt von zwei | |
ungleichen Brüdern. | |
## Authentische Angst | |
Neben der Komik, die das Demontieren von Schauspieleregos birgt, weben | |
Duprat und Cohn als weitere Ebene ein stetes Spiel der Verstellung in Form | |
von Schauspielerei innerhalb der Schauspielerei in den Zweikampf. Selbst | |
Textproben unter einem tonnenschweren, von einem Kran baumelnden | |
Steinbrocken gehören dazu, um „authentische“ Angst zu erzeugen. | |
Beim Zuschauen muss man so ständig auf der Hut sein, was gerade „echt“ und | |
was „fake“ ist. Das Lachen im Publikum der Pressevorführung war zumindest | |
sehr echt. | |
6 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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