| # taz.de -- Kampf gegen Wohnungslosigkeit: Kreuzberger Linke wollen mehr tun | |
| > Die „Sicherstellung“ von Wohnungen zur Vermeidung vor Zwangsräumungen | |
| > darf kein Tabu mehr sein, sagt Bürgermeisterkandidat Oliver Nöll. | |
| Bild: Drängendes Problem in Berlin und anderen Städten: die zunehmende Wohnun… | |
| Berlin taz | Die Linken in Friedrichshain-Kreuzberg wollen im Kampf gegen | |
| Wohnungs- und Obdachlosigkeit einen Gang zulegen. Wie der Kandidat für das | |
| Amt des Bezirksbürgermeisters, Oliver Nöll, am Mittwoch der taz erklärte, | |
| gehört für ihn dazu auch, das scharfe Schwert der „Sicherstellung“ endlich | |
| einzusetzen. „Die Bezirke sollten prüfen, ob nicht bei drohender | |
| Zwangsräumung die Sicherstellung einer Wohnung möglich ist“, so Nöll. Eine | |
| solche „Beschlagnahmung“, wie der Volksmund sagt, könne juristischen | |
| Bestand haben, meint er – wenn sie temporär bliebe. Diese Zeit könnten | |
| Bezirke nutzen, um mit dem Vermieter über die Erneuerung des | |
| Mietverhältnisses zu verhandeln. | |
| Der Linke-Kandidat für den Bundestagsbezirk | |
| Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost, Pascal Meiser, ergänzte, eine | |
| solche Sicherstellung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit würde zwar kaum | |
| zum Regelfall werden können, aber als „Härtefall im Einzelnen“ könnte sie | |
| durchaus von Richtern anerkannt werden. „Wir denken, dass das auf jeden | |
| Fall getestet werden sollte“, so Meiser. | |
| Die Frage, ob und wie Wohnraum zur Vermeidung von Obdachlosigkeit | |
| „sichergestellt“ werden kann, wird schon lange diskutiert. 2015/16 hat das | |
| Land Turnhallen für die Unterbringung Geflüchteter beschlagnahmt, | |
| rechtliche Grundlage war das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz | |
| (ASOG). Die Sicherstellung von privaten Wohnungen oder Häusern wurde in | |
| Berlin allerdings noch nie versucht. | |
| Vor einigen Monaten hatten Wohnungslose ein seit langem leer stehendes Haus | |
| in der Habersaathstraße in Mitte besetzt und den Bezirk aufgefordert, es zu | |
| beschlagnahmen und für Obdachlose zur Verfügung zu stellen. Der Bezirk | |
| verneinte diese Möglichkeit, da es Alternativen, etwa die Unterbringung in | |
| Wohnungsloseneinrichtungen, gebe. Auch ein juristisches Gutachten des | |
| Wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhauses, das die Linksfraktion | |
| 2019 in Auftrag gegeben hatte, kam zu dem Schluss, dass „Sicherstellungen“ | |
| nur unter sehr begrenzten Voraussetzungen juristisch möglich sind. | |
| ## Teil des Masterplans | |
| Aber auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke), sagt, dass die | |
| Beschlagnahmung von Wohnraum bei drohender Obdachlosigkeit kein Tabu sein | |
| dürfe. Im [1][Masterplan zur Überwindung von Obdachloslosigkeit bis 2030], | |
| den sie vor knapp zwei Wochen vorstellte, ist vorgesehen, dass von den | |
| Senatsverwaltungen für Soziales, Inneres und Justiz ein Handlungsleitfaden | |
| für die Bezirke zu erarbeiten sei, um ein stadtweit einheitliches Vorgehen | |
| zu gewährleisten. Bis 2024 soll außerdem eine Anpassung des ASOG zur | |
| Erleichterung der ordnungsrechtlichen Sicherstellung von Wohnungen für | |
| besonders schutzbedürftige Personen geprüft und gegebenenfalls realisiert | |
| werden. Dabei geht es zum Beispiel um schwer und chronisch Kranke, | |
| Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen, alte Menschen. | |
| Nöll erklärte, er würde Friedrichshain-Kreuzberg gerne zum „Modellbezirk | |
| für den Masterplan“ machen, wenn er Bezirksbürgermeister wird. Dazu gehöre | |
| auch die angestrebte „integrierte Hilfe im Kiez“ mit einer besseren | |
| Zusammenarbeit aller Beteiligten. „Wir brauchen eine andere Kooperation im | |
| Sozialraum.“ In diesem Zusammenhang verwies er auf das „Haus der Hilfe“ in | |
| der Reichenbergerstraße, das noch in diesem Jahr eröffnen soll. | |
| Als weitere Maßnahmen zur Prävention von Wohnungslosigkeit will Nöll, | |
| dessen Partei im Bezirk in Umfragen derzeit 3 bis 4 Prozent hinter den | |
| Grünen liegt, auch die bezirklichen Wohnhilfen stärken, sodass sie | |
| Menschen, die von Zwangsräumung bedroht sind, selber aufsuchen und Hilfe | |
| anbieten können. „Die Menschen schämen sich oft und gehen viel zu spät zum | |
| Amt“, sagte er. Laut Bezirk gab es in Friedrichshain-Kreuzberg im ersten | |
| Halbjahr 2021 105 Räumungsklagen, 75 Zwangsvollstreckungen. Die Zahlen sind | |
| seit Beginn der Corona-Pandemie stadtweit sehr zurückgegangen. [2][2019 gab | |
| es in ganz Berlin] laut einer Umfrage unter den Sozialämtern 3.482 | |
| Räumungsklagen – also fast 10 täglich. | |
| Noll erklärte, er werde sich auch dafür einsetzen, im Bezirk eine weitere | |
| Fläche für einen [3][Safe Place] zu schaffen – also einen Ort, wo | |
| Obdachlose sicher leben können. Eine solche Fläche soll am Containerbahnhof | |
| am Frankfurter Tor entstehen, ist aber bislang nicht realisiert. Wo ein | |
| zweiter Safe Place im Bezirk entstehen könnte, vermochte Nöll noch nicht zu | |
| sagen. „Es gibt aber Ideen.“ | |
| 16 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wohnungslose-in-Berlin/!5795305 | |
| [2] /Wohnungslosenhilfe-in-Berlin/!5773121 | |
| [3] /Obdachlos-in-Berlin/!5782159 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
| Manuela Heim | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
| Wohnungslosigkeit | |
| Hausbesetzung | |
| Hausbesetzung | |
| Protest | |
| Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
| Berliner Bezirke | |
| Zwangsräumung | |
| Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
| IG | |
| Elke Breitenbach | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Beschlagnahme der Habersaathstraße: Besetzer machen Politik | |
| Ohne renitente Mieter und Besetzer wäre die Habersaathstraße wohl längst | |
| abgerissen. Ihr Druck zwingt die Politik zum Handeln. | |
| Erfolgreiche Besetzung in Berlin: Wohnungslose erkämpfen Haus | |
| In der Habersaathstraße führt eine erneute Besetzung zum Erfolg. Der Bezirk | |
| will die Wohnungen beschlagnahmen und zur Verfügung stellen. | |
| Protest gegen Zwangsräumungen in Berlin: Früh auf die Straße | |
| Ein Bündnis mobilisiert zur Protesten in Kreuzberg am Montag und Dienstag. | |
| Insgesamt finden jedes Jahr wohl mehr als 3.000 Zwangsräumungen statt. | |
| Odachlosenhilfe in Berlin: Mal Luft holen können | |
| Die Kältehilfe hat begonnen. Das Haus 25 in Reinickendorf möchte wieder | |
| eine 24/7-Unterkunft werden – allein es fehlt das Personal. | |
| Wahlergebnisse in Berlins Bezirken: Der neueste Grünstreifen | |
| Die Grünen stellen in fünf von zwölf Bezirksparlamenten die stärkste | |
| Fraktion. Ob sie dort auch die Bürgermeister*innen stellen, ist offen. | |
| Zahlen zu Zwangsräumungen 2020: Räumungen trotz Pandemie | |
| Bundesweit fanden knapp 30.000 Zwangsräumungen im Jahr 2020 trotz Corona | |
| statt. Ein Skandal, sagt Linkenpolitikerin Caren Lay. | |
| Wohnungslose in Berlin: Die Obdachlosigkeit abschaffen | |
| Wenige Wochen vor der Wahl präsentiert Berlins Sozialsenatorin ihren | |
| Masterplan: Sie will Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 komplett beenden. | |
| Wohnungslos trotz Job: Feierabend in der Notunterkunft | |
| Immer mehr Erwerbstätige in den Städten können sich kein eigenes Zuhause | |
| leisten. Gibt es in Deutschland eine neue Form der „Working Poor“? | |
| Obdachlos in Berlin: Platz finden | |
| Kein Dach über dem Kopf und auch kein geschützer Ort? In Berlin gibt es | |
| Streit um Safe Places für obdachlose Menschen. |