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# taz.de -- Petition von Tierärzten gegen EU-Reform: Fake News gegen Antibioti…
> EU-Abgeordnete wollen, dass die für Menschen wichtigsten Antibiotika nur
> noch wenige Tiere bekommen. Veterinäre sammeln Unterschriften für eine
> Petition.
Bild: Untersagt wäre es künftig, tausenden Hühnern Antibiotika zu geben, wen…
Berlin taz | Muss dieser süße Hund sterben, falls EU-Parlamentarier
schärfere Regeln für den Einsatz von Antibiotika bei Tieren durchsetzen?
Aus großen Augen schaut er den Betrachter auf dem Aufruf zu einer Petition
des [1][Bundesverbands praktizierender Tierärzte] an. Darüber steht: „Mein
Leben ist in Gefahr!“, darunter: „Bitte unterschreiben, damit auch in
Zukunft alles für meine Gesundheit getan werden kann!“
Alle zugelassenen [2][Antibiotika] sollten auch künftig allen Tieren
gegeben werden dürfen. Das, so die Petition, wäre aber nicht erlaubt, wenn
der Umweltausschuss des EU-Parlaments sich durchsetzt. Auch Ausnahmen für
einzelne Tiere – im Gegensatz zu der Behandlung ganzer Herden – wären dann
nicht möglich.
Aber: Anders als die Veterinäre behaupten, bedrohen die Pläne der
Abgeordneten keinesfalls das Leben von Heimtieren wie Hunden oder Katzen.
Die von den Tierärzten kritisierte [3][Entscheidung des Umweltausschusses]
verlangt zwar, dass Antibiotika aus der laut Weltgesundheitsorganisation
wichtigsten Gruppe („Reserveantibiotika“) grundsätzlich nur noch Menschen
gegeben werden. Das soll verhindern, dass die Medikamente unwirksam werden,
weil Bakterien durch zu häufigen Gebrauch der Präparate resistent werden.
Allerdings fordern die Parlamentarier auch „Ausnahmeregelungen für die
individuelle Behandlung“ von Tieren mit einer lebensbedrohlichen Krankheit,
also zum Beispiel von Hunden. Untersagt wäre hingegen, wie bisher üblich,
beispielsweise Tausenden Hühnern Reserveantibiotika ins Futter oder Wasser
zu mischen, auch wenn nur einzelne Tiere erkrankt sind.
## Bakterien werden unempfindlich gegen Medikamente
Denn der Einsatz von Antibiotika bei Tieren trägt Behörden zufolge dazu
bei, dass krankmachende Bakterien unempfindlich gegen die Medikamente
werden. Beispielsweise über Lebensmittel können die Erreger auf Menschen
übertragen werden. In Deutschland sterben laut einer von der EU
finanzierten Studie jährlich [4][etwa 2.400 Personen], weil sie sich mit
einem resistenten Keim infiziert haben.
Deshalb hat die EU 2019 beschlossen, dass [5][Reserveantibiotika Menschen
vorbehalten] sein sollen. Welche Antibiotika das sind, muss aber noch
entschieden werden. Die EU-Kommission schlug in einem [6][Erlass] Kriterien
für die Auswahl vor. „Doch dieser enthält erhebliche Schlupflöcher, die es
ermöglichen würden, Reserveantibiotika eben doch in der Tiermast
anzuwenden“, sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im
Europaparlament.
Der Hesse hat deswegen in seiner Funktion als Verhandlungsführer der
Abgeordneten für das Thema Einspruch dagegen eingelegt. Der Umweltausschuss
hat das bestätigt, Mitte September soll das Plenum abstimmen und könnte den
Erlass damit stoppen.
Häusling kritisiert, dass die Kommission nicht einfach die
Reserveantibiotika-Liste der WHO übernehmen will. Stattdessen schlägt
Brüssel eigene Kriterien vor, die erfüllt werden müssen, um einen Stoff in
der Tiermedizin zu verbieten: Unstrittig ist, dass er wichtig für die
Humanmedizin sein muss. Grundsätzlich für Häusling okay ist auch, dass es
ein Risiko einer Übertragung von Resistenzen von Tieren auf Menschen geben
muss.
## Häusling wirft den Tierärzten ein falsches Spiel vor
Der Grüne akzeptiert aber nicht, dass das Antibiotikum eine nur
„nicht-essentielle“ Bedeutung für die Tiergesundheit haben muss. „Ob ein
Wirkstoff als Reserveantibiotikum eingestuft wird – eben weil man dessen
Wirksamkeit für die Behandlung von Menschen erhalten will –, darf nicht
davon abhängig gemacht werden, welche Rolle dieser Wirkstoff in der
Tiermedizin spielt“, argumentiert Häusling.
Dieser Forderung haben sich die [7][Bundesärztekammer], die Deutsche
Umwelthilfe, die Tierrechtsorganisation Peta und der Tierschutzverband Pro
Vieh angeschlossen. Der Deutsche Tierschutzbund dagegen unterstützt die
Veterinäre, die alle Tierarztpraxen aufgerufen haben, Unterschriften für
ihre Antibiotika-Petition zu sammeln.
„Der Tierärzteverband setzt einfach Falschbehauptungen in die Welt“, wehrt
sich Häusling. Der Umweltausschuss habe von der Kommission klar einen
Vorschlag gefordert, die Tierarzneimittelverordnung so zu ändern, dass
„weiterhin eine Einzeltierbehandlung auch mit Reserveantibiotika“ möglich
ist. Die Organisation teilte der taz daraufhin mit, so eine Änderung der
Verordnung sei „auch jetzt politisch nicht gewollt/mehrheitsfähig“.
Allerdings hat ja die Mehrheit im Umweltausschuss für genau diese Lösung
gestimmt.
Häusling wirft den Tierärzten ein falsches Spiel vor. „Fiffi hält man ins
Bild, man deckt aber im Grunde genommen die andere Form der Tierhaltung,
die man kritisch hinterfragen müsste. Das tun sie aber nicht. Die wollen
nichts ändern“, sagte der Grüne der taz. Tatsächlich werden für einzelne
Heimtiere weit weniger Antibiotika verbraucht als für Nutztiere wie
Schweine, Geflügel und Rinder, die in der Regel in größeren Gruppen
gehalten werden: Laut der [8][EU-Arzneimittelagentur] werden im Schnitt 88
Prozent der Antibiotikamengen für Tiere in 31 europäischen Ländern in
Formen wie Pulver verkauft, die für die Behandlung von Gruppen bestimmt
sind. Nur 12 Prozent sind für Einzeltiere gedacht und werden zum Beispiel
durch Spritzen verabreicht.
## Gesündere Haltung statt Medikamente
Die gängige, konventionelle Landwirtschaft könnte den Grünen zufolge mit
weniger Antibiotika auskommen, wenn sie die Tiere besser halten würde.
„Antibiotika werden zum Beispiel eingesetzt, weil man die Ferkel nach 3
Wochen von der Muttersau absetzt und sie dann oft Durchfall bekommen“, sagt
Häusling. „Werden Ferkel später entwöhnt, ist ihr Verdauungssystem stärker
und die Wahrscheinlichkeit von Durchfall ist geringer.“ Bio-Landwirte kämen
mit deutlich weniger Antibiotika aus, so der Abgeordnete, der selbst lange
einen Biohof geführt hat. Der Anbauverband Demeter habe den Einsatz von
Reserveantibiotika gänzlich verboten.
Die Umwelthilfe wirft den Veterinären vor, zu verschweigen, dass
„[9][einige Tierarztpraxen finanziell massiv profitieren] vom Verkauf und
von Rabatten, die bei großen Antibiotikamengen, etwa für Megaställe,
gewährt werden“. Manche würden 78 Prozent ihres Umsatzes generieren, indem
sie Arzneimittel verkaufen.
Fraglich ist, ob sich Häusling im Plenum des Parlaments durchsetzen kann.
Denn bisher hat sich die große Fraktion der Europäischen Volkspartei, zu
der auch die CDU-Abgeordneten gehören, enthalten. Da die Agrarlobby bei den
Konservativen stark vertreten ist, könnte sie ihre Haltung auch wegen des
Drucks der Tierärzte noch ändern.
2 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.tieraerzteverband.de/bpt/aktuelles/meldungen/2021_08_09_kampagn…
[2] /Antibiotika/!t5007833
[3] https://martin-haeusling.eu/images/210706_Draft_resolution_-_Objection_DA_o…
[4] https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(18)30605-4/…
[5] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/
[6] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=PI_COM%3AAres(2021)2132…
[7] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/1…
[8] https://www.ema.europa.eu/en/documents/report/sales-veterinary-antimicrobia…
[9] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwe…
## AUTOREN
Jost Maurin
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