# taz.de -- Regierungsbericht zu Tierhaltung: Kleine Höfe, weniger Antibiotika | |
> In großen Ställen werden Tiere häufiger mit Antibiotika behandelt als in | |
> kleinen Betrieben. Das gibt jetzt auch das CDU-geführte Agrarministerium | |
> zu. | |
Bild: Wahrscheinlich bekommen sie im Laufe ihres Lebens Antibiotika: Küken in … | |
BERLIN taz | Kleine Bauernhöfe behandeln ihre Tiere seltener mit | |
Antibiotika als große Betriebe. Diese langjährige Behauptung von | |
Umweltschützern belegt jetzt ein Bericht des | |
Bundeslandwirtschaftsministeriums, das von der CDU-Politikerin Julia | |
Klöckner geführt wird. | |
Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung trägt Behörden zufolge dazu | |
bei, dass krankmachende Bakterien [1][unempfindlich gegen die Medikamente] | |
werden. In Deutschland sterben laut einer von der EU finanzierten Studie | |
[2][jährlich etwa 2.400 Menschen], weil sie sich mit einem resistenten Keim | |
infiziert haben. Unklar ist lediglich, wie hoch der Anteil der | |
Landwirtschaft an der Bildung von Resistenzen ist. | |
Seit April 2014 müssen die Mastbetriebe mit Rindern, Schweinen, Hühnern und | |
Puten den Behörden melden, wie häufig sie Antibiotika einsetzen. Wer die | |
Medikamente besonders oft gibt, muss schriftlich erklären, wie er die | |
Zahlen senken will. Der bisher nicht offiziell veröffentlichte Bericht des | |
Landwirtschaftsministeriums, der der taz vorliegt, zieht eine Bilanz dieser | |
Maßnahmen. | |
Der Report für den Zeitraum von 2014 bis 2017 kommt zu dem Schluss, „dass | |
Tiere aller Nutzungsarten in großen Betrieben häufiger antibiotisch | |
behandelt wurden als in kleinen Betrieben.“ Vor allem in der Kälber- und | |
der Schweinehaltung fielen überproportional viele Höfe mit sehr hohen | |
Viehzahlen negativ auf. | |
## Mögliche Gründe: kein Auslauf, Enge in den Ställen | |
34 Prozent der größten Kälber-Betriebe gehörten während der sieben | |
untersuchten Halbjahre zu dem Viertel mit den häufigsten Behandlungen, wie | |
gut versteckt in einem Anhang des Berichts steht. Dabei waren demnach nur | |
13 Prozent aller Kälber-Höfe jeglicher Größe unter den Top-Nutzern. | |
Bei Mastferkeln seien 14 Prozent der großen Betriebe kontinuierlich in die | |
Gruppe der Höfe mit den meisten Behandlungen gewesen. Hier habe das Mittel | |
über alle Höfe hinweg 7 Prozent betragen. Als „groß“ gilt das Drittel al… | |
Betriebe, das die meisten Tiere der jeweiligen Art hat. Bei Mastferkeln | |
sind das die Höfe mit rund 1300 bis 50.700 Schweinen, die höchstens 30 | |
Kilogramm wiegen, bei den Kälbern die Betriebe mit etwa 70 bis 7.800 | |
Rindern, die höchstens 8 Monate alt sind. | |
Über die Ursachen für die Unterschiede zwischen kleinen und großen | |
Betrieben macht der Bericht keine Angaben. Der agrarpolitische Sprecher der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff aber erklärte: „In der | |
intensiven Agrarindustrie leben die Tiere in drangvoller Enge, ohne | |
Einstreu, ohne Beschäftigung und ohne Zugang nach draußen auf ihren eigenen | |
Exkrementen. Das ist der Grund, weshalb sie so häufig mit Antibiotika | |
behandelt werden müssen.“ | |
## Sinkende Mengen in der Schweinehaltung | |
Tatsächlich halten kleinere Betriebe beispielsweise ihre Milchkühe häufiger | |
auf der Weide statt nur im Stall: Auf Höfen mit weniger als 200 Kühen | |
durften laut Statistischen Bundesamt im Jahr 2009 zwischen 40 und 50 | |
Prozent der Tiere auf die Weide. In Betrieben mit 500 und mehr Tieren waren | |
es lediglich 7 Prozent. „40.000 Masthühner auf der Weide zu halten ist eine | |
logistische Herausforderung. Das funktioniert nicht. Und deshalb macht es | |
auch keiner“, sagte Ostendorff am Mittwoch der taz. | |
Der Deutsche Bauernverband widersprach umgehend: „Entscheidend ist aus | |
unserer Sicht nicht so sehr die Größe des Betriebes, sondern das | |
einzelbetriebliche Management des Tierhalters“, teilte Generalsekretär Udo | |
Hemmerling der taz mit. „Das statistische Bild legt diesen Schluss nahe.“ | |
Welche Statistik er meinte, blieb unklar. | |
„Die Zahlen zeigen insgesamt deutliche Fortschritte, vor allem in der | |
Schweinehaltung“, fuhr Hemmerling fort. Tatsächlich ging der | |
Antibiotika-Einsatz dem Bericht zufolge bei Schweinen und Ferkeln vom | |
zweiten Halbjahr 2014 bis zum zweiten Halbjahr 2017 um mehr als 40 Prozent | |
zurück – von knapp über 200 Tonnen auf rund 112 Tonnen. Bei Hühnern und | |
Puten sowie bei Kälbern blieben die verabreichten Mengen aber fast | |
unverändert. | |
## Immer noch viele Reserveantibiotika | |
Problematisch ist auch, dass rund 40 Prozent der beim Geflügel eingesetzte | |
Menge an Antibiotika zu den sogenannten Reserve-Antibiotika gehören. Das | |
sind Medikamente, die die Weltgesundheitsorganisation als besonders wichtig | |
für die Behandlung von Menschen stuft. | |
„Wir fordern, die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen“, teilte der | |
Grüne Ostendorff mit. „Schweine, Hühner und Kühe müssen an die Luft, müs… | |
Kontakt zum Boden haben und artgerecht leben dürfen.“ Dazu sollten die | |
Vorschriften geändert werden. Reserveantibiotika dürften nicht mehr in der | |
Tierhaltung eingesetzt werden. Agrarministerin Klöckner müsse kleine und | |
mittlere Betriebe stärker fördern. | |
Darauf ging die CDU-Politikerin in ihrer Stellungnahme nicht ein. Sie | |
verwies vielmehr darauf, dass die Raten resistenter Keime „in vielen | |
Bereichen der Tierhaltung und der Lebensmittel“ abnehmen würden. Dem | |
Minimierungskonzept der Bundesregierung sei es zu verdanken, dass „die | |
Antibiotikaabgabemengen in der Tiermedizin zwischen den Jahren 2011 und | |
2017 um 57 Prozent (oder von 1.706 Tonnen auf 733 Tonnen)“ gesunken seien. | |
## Klöckner will Lage bei Geflügel verbessern | |
„Daran arbeiten wir weiter, gerade auch an der Verbesserung der Situation | |
bei Geflügel sowie Rindern und Kälbern, sie ist nicht zufriedenstellend. | |
Der Einsatz von Antibiotika generell und insbesondere die Anwendung | |
sogenannter Reserveantibiotika muss hier restriktiver werden“, sagte | |
Klöckner. | |
Der Evaluierungsbericht soll im Juni dem Kabinett vorgelegt und dann | |
offiziell veröffentlicht werden. Zuerst berichteten der [3][Norddeutsche | |
Rundfunk] und die [4][Süddeutsche Zeitung] über ihn. | |
29 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_den_auswirkungen_des_ant… | |
[2] https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(18)30605-4/… | |
[3] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/antibiotika-landwirtschaft-101.h… | |
[4] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tiermast-landwirte-setzen-immer-noch… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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