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# taz.de -- Antibiotika in der Tiermedizin: Weniger Antibiotika sind mehr
> Bei Tieren werden zwar weniger Antibiotika eingesetzt, dafür aber oft
> diejenigen, die für Menschen wichtig sind. Das führt zu Resistenzen.
Bild: Mist: Jetzt muss man seinen Fleisch- und Medikamentenkonsum wohl wirklich…
Berlin taz/afp | Der Antibiotika-Verbrauch für Tiere in Deutschland hat
sich in den vergangenen fünf Jahren halbiert. [1][Zwischen 2011 und 2015
sank die von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärzte
abgegebene Menge von 1.706 auf 837 Tonnen], wie das Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mitteilte. Gestiegen sind
gleichzeitig allerdings die Abgabemengen bestimmter Antibiotika, die auch
von besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen sind. Der Einsatz
der Medikamente trägt dazu bei, dass sie ihre Wirkung verlieren.
Von zwei durch die Weltgesundheitsorganisation als [2][besonders wichtig
für die Humanmedizin] eingestuften Antibiotikaklassen
(„Reserveantibiotika“) wurden 2015 wesentlich höhere Mengen abgegeben:
Fluorchinolone und Cephalosporine der dritten und vierten Generation. Die
Abgabemenge der Fluorchinolone beispielsweise stieg seit 2011 um 82 Prozent
auf 14,9 Tonnen. Sie gehören zu den sehr wenigen Präparaten, mit denen sich
etwa Infektionen mit dem Keim Campylobacter bekämpfen lassen. Bei
Cephalosporinen der dritten Generation betrug das Plus 52 Prozent.
Resistenzen sind ein zunehmendes Problem vor allem in Krankenhäusern. Sie
führen dazu, dass bakterielle Infektionen schwerer oder auch gar nicht mehr
zu behandeln sind, weil Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren.
Spitzenreiter beim Antibiotikaeinsatz in der Tiermedizin war 2015 wie in
den Vorjahren das Gebiet mit der Postleitzahl 49, also die Hochburgen der
konventionellen Tiermast – unter anderem Osnabrück, Münster und Vechta in
NRW und Niedersachsen.
Allein hier wurden 38 Prozent der Gesamtmenge verabreicht. Immerhin gab es
auch dort einen Rückgang im Vergleich zu 2014: um ebenfalls 38 Prozent auf
314 Tonnen. Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte wies darauf hin,
dass nur 2 Prozent der Gesamtmenge Reserveantibiotika seien. Das neue
Arzneimittelgesetz habe dazu geführt, dass insgesamt weniger Antibiotika
eingesetzt würden.
Grüne fordern Einschränkung
Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag,
forderte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt auf, „das
Arzneimittelgesetz zu ändern, damit der Einsatz von Reserveantibiotika bei
Tieren nur noch in klar erkennbaren Ausnahmefällen möglich ist“.
Zudem müssten die Haltungsbedingungen verändert werden. „Den Tieren muss
mehr Platz, Zugang zu einem Außenbereich und artgerechte Beschäftigung
gewährleistet werden. Denn in der drangvollen Enge industrieller
Tierställe, die viel Stress für die Tiere bedeutet, haben Bakterien
leichtes Spiel.“ Ein Bio-Siegel bedeutet zumindest, dass die Häufigkeit des
Antibiotikaeinsatzes – anders als bei konventionellen Tieren –
eingeschränkt ist.
Update 23.09.: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit hat die Statistik über die 2015 in der Tiermedizin
abgegebenen Antibiotika [3][am 21. September 2016 korrigiert]. Demnach
stieg die Abgabemenge der Fluorchinolone seit 2011 nur um 29 Prozent auf
10,6 Tonnen (nicht um 82 Prozent auf 14,9 Tonnen). Die Menge der
Cephalosporine der dritten und vierten Generation stieg nicht, sondern sank
um 3 Prozent auf 3,6 Tonnen. Die Menge aller Antibiotika ging um 53 Prozent
auf 805, nicht 837 Tonnen zurück. Das Bundesamt machte für die ursprünglich
falschen Zahlen ein pharmazeutisches Unternehmen verantwortlich.
4 Aug 2016
## LINKS
[1] http://www.bvl.bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_FuerJournalisten/01_Presse_u…
[2] http://www.who.int/foodsafety/cia/en/
[3] http://www.bvl.bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_FuerJournalisten/01_Presse_u…
## AUTOREN
Jost Maurin
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