Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Evakuierungen aus Afghanistan: Hoffen auf eine Luftbrücke
> Deutschland ist mit Bürokratie beschäftigt. Derweil haben die Taliban
> Kabuls Flughafen umstellt und für AfghanInnen gibt es kein Entkommen
> mehr.
Bild: Afghanische Ortskräfte warten außerhalb des Flughafens in Kabul auf Aus…
Die Bundeswehr hat nach Anlaufschwierigkeiten ihre Evakuierungsmission in
Afghanistan fortgesetzt. „[1][Mehr als 120 Personen], Deutsche, Afghanen
und Angehörige anderer Nationen, sind gerade mit einem weiteren
Evakuierungsflieger aus Kabul abgehoben“, sagte Bundesaußenminister Heiko
Maas (SPD) am Dienstag. Die Luftbrücke mit Bundeswehrmaschinen sei
angelaufen „und wird intensiv fortgesetzt, sofern die Sicherheitslage dies
irgendwie zulässt“. Entwicklungshilfe und andere Gelder für Afghanistan
wurden indessen eingefroren.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte, deutsche
SoldatInnen hätten am Flughafen Kabul Stellung bezogen, um die
Rettungsflüge abzusichern. Sie wurden mit einem ersten A400M-Flug am
Montagabend nach Kabul gebracht und sollen Menschen, die ausgeflogen werden
sollen, durch das Chaos auf dem Flughafen zu dem bereitstehenden Flugzeug
schleusen. „Wir nehmen alles mit, was vom Platz her in unsere Flugzeuge
passt“, sagte Kramp-Karrenbauer. Die SoldatInnen vor Ort seien für solche
Szenarien ausgebildet, betonte Kramp-Karrenbauer. Sie hätten den Freiraum,
operative Entscheidungen zu treffen – und stünden in Kontakt mit den
US-amerikanischen Streitkräften.
Wie lange die Rettungsaktion dauern werde, konnte Kramp-Karrenbauer nicht
sagen. Die Bundeswehr habe sich auf zwei Szenarien eingestellt: Das erste
beinhalte, dass es nur einen sehr „kurzen Zeit-Slot“ für die
Evakuierungsflüge gebe. In einem zweiten Szenario würde die Luftwaffe
möglicherweise bis in die kommende Woche hinein „eine echte Luftbrücke“
aufbauen können. Ob Letzteres gelingt, dürfte auch vom Verhalten der
US-Amerikaner abhängen, die ebenfalls ihre Leute aus Kabul evakuieren – und
die den [2][Afghanistaneinsatz der Nato] geleitet haben.
Entscheidend ist, dass die Bundesregierung nur bestimmte Personengruppen
evakuiert, nämlich Menschen, die namentlich auf einer Liste stehen. Wenn
Kramp-Karrenbauer sagt, man nehme „alles“ mit, sind damit nur alle aus
dieser spezifischen Gruppe gemeint. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am
Montag von deutschen Staatsangehörigen und afghanischen HelferInnen der
Bundeswehr – den sogenannten Ortskräften – und ihren Familien gesprochen.
Auch MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorganisationen, der
Entwicklungshilfe sowie MenschenrechtsaktivistInnen und
FrauenrechtlerInnen samt ihren Angehörigen würden evakuiert.
## Scharfe Kritik der Opposition
Nicht evakuiert werden aber ganz normale AfghanInnen, die aus Angst vor den
Taliban zum Flughafen geflüchtet sind und in Deutschland Asyl beantragen
könnten. Am Flughafen kam es zu fürchterlichen Szenen. Verzweifelte
Menschen klammerten sich zum Beispiel an rollende Militärmaschinen.
Für scharfe Kritik der Opposition und Aufregung in sozialen Netzwerken
sorgte ein erster Flug einer A400M, der am späten Montagabend trotz großer
Widrigkeiten in Kabul landete. Die Landung sei ein „echtes Husarenstück“
der Piloten gewesen, sagte Kramp-Karrenbauer. Die Landebahn sei
unbeleuchtet gewesen, das Rollfeld nicht frei gewesen. Nach einem
Kurzaufenthalt von 40 Minuten, in dem die deutschen FallschirmjägerInnen
von Bord gingen, startete die Maschine wieder nach Taschkent. Sie nahm
lediglich sieben Schutzpersonen mit, obwohl sie 116 Menschen transportieren
kann.
Warum nur so wenige? Diese Frage sorgte für heftige Kritik. „Dass der A400M
trotz des Einsatzes der Bundeswehr-Soldaten nur sieben Menschen aus Kabul
evakuieren konnte, zeigt die Kopflosigkeit der Bundesregierung“, twitterte
Linkspartei-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Auf dem Flughafen herrschten
„schlimme Zustände“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin
Göring-Eckardt. „Und dann schafft es Deutschland am Ende gerade mal sieben
Menschen auszufliegen.“
Das Auswärtige Amt rechtfertigte die Aktion am Dienstag. „Aufgrund der
chaotischen Umstände am Flughafen und regelmäßiger Schusswechsel am
Zugangspunkt war Montagnacht nicht gewährleistet, dass weitere deutsche
Staatsangehörige und andere zu evakuierende Personen ohne Schutz der
Bundeswehr überhaupt Zugang zum Flughafen erhalten würden“, teilte ein
Sprecher mit. Es sei wegen der äußerst gefährlichen Lage ein untragbares
Risiko gewesen, zu Evakuierende vor der Landeerlaubnis und der Sicherung
durch SoldatInnen dazu aufzurufen, zum Flughafen zu kommen. Die Crew nahm
also keine afghanischen Menschen an Bord, die nicht auf der Liste standen.
## „Schweres Versagen“ der Bundesregierung
Ein anderes Problem wurde offensichtlich. Viele Ortskräfte und ihre
Familien befinden sich irgendwo in der Stadt Kabul oder außerhalb – und sie
haben keine Chance mehr, überhaupt zum Flughafen zu kommen. Die Taliban
hätten eine Kette von Sicherungsposten um den Flughafen eingerichtet, sagte
der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, am Dienstag. Und sie
ließen „nur noch internationale Staatsangehörige“ durch.
Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion sagte der
taz, die Taliban hätten erklärt, dass kein Afghane mehr zum Flughafen
dürfe. „Was ab jetzt mit den Ortskräften passiert, liegt ausschließlich in
den Händen der Taliban.“ Es sei ein schweres Versagen der Bundesregierung,
dass sie so viel Zeit vergeudet habe.
17 Aug 2021
## LINKS
[1] /Zweiter-Bundeswehrflieger-in-Kabul/!5794388
[2] /Deutsche-Verantwortung-in-Afghanistan/!5789672
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Heiko Maas
Bundeswehr
Asyl
Annegret Kramp-Karrenbauer
Evakuierung
GNS
Schwerpunkt Afghanistan
Protest
Kolumne Poetical Correctness
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Landesaufnahmeprogramme für Afghanen: Vom Kriegsland nach Friedland
Schleswig-Holstein will 300 Frauen und Kinder aus Afghanistan per
Familiennachzug aufnehmen. Niedersachsen, Hamburg und Bremen setzen auf den
Bund.
Evakuierungen aus Afghanistan: Brückenschlag nach Berlin
Im Senat beschließt man ein Aufnahmeprogramm für Geflüchtete. Innenminister
Seehofer kann dazu kaum Nein sagen.
Nach dem Abzug aus Afghanistan: Die große Lüge
Die Erzählung „westlicher Werte“ war lange populär, ist aber längst eine
leere Phrase. Das zeigt nicht nur der Umgang mit der Situation in
Afghanistan.
EU nach Abzug aus Afghanistan: Hilflosigkeit und Angst
Groß ist die Sorge in der EU vor neuen Flüchtlingen aus Afghanistan.
Brüssel signalisiert frühzeitig eine Kooperation mit Ankara, Islamabad und
Teheran.
Nach der Machtübernahme der Taliban: Biden rechtfertigt sich
Während der US-Präsident den Abzug verteidigt, räumt die Kanzlerin ein, die
Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt zu haben. Die Bundeswehr fliegt die
ersten Menschen aus.
Rettungsaktion nach Taliban-Einmarsch: Das große Bangen in Kabul
Es ist unklar, wie viele Menschen die Bundeswehr aus Afghanistan ausfliegen
kann. Ohne US-Hilfe ist Deutschland vor Ort machtlos.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.