| # taz.de -- Nach der Machtübernahme der Taliban: Biden rechtfertigt sich | |
| > Während der US-Präsident den Abzug verteidigt, räumt die Kanzlerin ein, | |
| > die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt zu haben. Die Bundeswehr | |
| > fliegt die ersten Menschen aus. | |
| Bild: Ausgesperrt: US-Soldaten bewachen den internationalen Flughafen in Kabul | |
| Washington dpa | Der UN-Sicherheitsrat hat nach der [1][Machtübernahme der | |
| militant-islamistischen Taliban] in Afghanistan zu einem sofortigen Ende | |
| der Gewalt aufgerufen. Zugleich sollten Verhandlungen über die Bildung | |
| einer neuen, gemeinschaftlichen und repräsentativen Regierung beginnen, der | |
| auch Frauen gleichberechtigt angehören, heißt es in einer Erklärung vom | |
| Montag (Ortszeit). Der Schutz aller Afghanen und internationalen Bürger | |
| müsse gewährleistet sein. Weder die Taliban noch andere Gruppen sollten | |
| afghanischen Boden nutzen, um andere Länder zu bedrohen oder anzugreifen. | |
| Afghanistans UN-Botschafter Ghulam Isaczai hatte während der Sitzung dazu | |
| aufgerufen, einen humanitären Korridor für die Evakuierung derjenigen zu | |
| schaffen, die Ziel von Angriffen und Vergeltung der Taliban werden könnten. | |
| Zugleich sollten die Nachbarländer ihre Grenzen für Flüchtlinge sowie die | |
| Lieferung von humanitären Hilfsgütern öffnen. | |
| US-Präsident Joe Biden hat seinen Entschluss zum Abzug der US-Truppen aus | |
| dem Land am Montag (Ortszeit) gegen wachsende Kritik verteidigt. „Ich stehe | |
| voll und ganz hinter meiner Entscheidung“, sagte Biden im Weißen Haus. | |
| Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) | |
| räumten dagegen ein, die internationale Gemeinschaft habe die Lage in | |
| Afghanistan falsch eingeschätzt und ihre Ziele bei dem Einsatz nicht | |
| erreicht. Biden wiederum betonte, die jüngsten Entwicklungen hätten ihn in | |
| seiner Entscheidung nur bestärkt. Den Taliban drohte er zugleich mit | |
| Vergeltung, falls sie US-Kräfte oder -Ziele angreifen sollten. | |
| Bei Handlungen, die amerikanisches Personal oder deren Mission gefährden | |
| würde, müssten die Taliban mit einer „raschen und starken“ militärischen | |
| Reaktion der USA rechnen, sagte Biden. „Wir werden unsere Leute mit | |
| vernichtender Gewalt verteidigen, falls nötig.“ | |
| ## Schwere Vorwürfe gegen afghanisches Militär | |
| Der US-Präsident erhob schwere Vorwürfe gegen die entmachtete politische | |
| Führung und die Streitkräfte des Landes. „Die politischen Anführer | |
| Afghanistans haben aufgegeben und sind aus dem Land geflohen“, sagte er. | |
| „Das afghanische Militär ist zusammengebrochen, manchmal ohne zu versuchen | |
| zu kämpfen.“ Die jüngsten Ereignisse hätten bekräftigt, dass die | |
| Abzugsentscheidung richtig sei. „Amerikanische Truppen können und sollten | |
| nicht in einem Krieg kämpfen und in einem Krieg sterben, den die | |
| afghanischen Streitkräfte nicht bereit sind, für sich selbst zu führen.“ | |
| Biden räumte aber ein, die USA hätten das Tempo des Taliban-Vormarsches | |
| unterschätzt: „Dies hat sich schneller entwickelt, als wir erwartet | |
| hatten.“ | |
| Die Taliban hatten in den vergangenen Wochen nach dem Abzug der | |
| ausländischen Truppen in rasantem Tempo praktisch alle Provinzhauptstädte | |
| in Afghanistan eingenommen – viele kampflos. Am Sonntag rückten sie | |
| schließlich in die Hauptstadt Kabul ein. Kämpfe gab es keine. Der | |
| blitzartige Vormarsch überraschte viele Beobachter, Experten und auch | |
| ausländische Regierungen. | |
| Auf dem Papier waren die Taliban den afghanischen Sicherheitskräften weit | |
| unterlegen. Rund 300.000 Kräfte bei Polizei und Armee standen Schätzungen | |
| zufolge rund 60.000 schlechter ausgerüsteten Taliban-Kämpfern gegenüber. | |
| Diese profitieren aber von ihrem brutalen Ruf, den sie während ihrer | |
| Herrschaft in den 90er-Jahren mit öffentlichen Exekutionen oder | |
| Auspeitschungen erlangt haben. | |
| Damals hatten die Taliban mit teils barbarischen Strafen ihre Vorstellungen | |
| eines islamischen Staates durchgesetzt: Frauen und Mädchen wurden | |
| systematisch unterdrückt, Künstler und Medien zensiert, | |
| Menschenrechtsverletzungen waren an der Tagesordnung. Befürchtet wird nun | |
| eine Rückkehr zu derart düsteren Zuständen. | |
| ## Macron kündigt europäische Initiative an | |
| Die Taliban hatten einst al-Qaida-Kämpfern und dem damaligen Chef der | |
| Terrororganisation, Osama bin Laden, Zuflucht gewährt. Die Anschläge der | |
| Terrorgruppe in den USA vom 11. September 2001 hatten dann den US-geführten | |
| Militäreinsatz in Afghanistan ausgelöst, mit dem die Taliban entmachtet | |
| wurden. Bin Laden selbst wurde im Mai 2011 bei einem Einsatz von | |
| US-Spezialkräften in Pakistan getötet. | |
| Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte davor, dass Afghanistan wieder | |
| zu einem Zufluchtsort des Terrorismus werden könnte. Er kündigte eine | |
| Initiative mit den europäischen Partnern dagegen an. Großbritanniens | |
| Premierminister Boris Johnson kündigte nach einem Telefonat mit Macron an, | |
| in den kommenden Tagen auch im Kreis der G7 – einer Gruppe führender | |
| Industrienationen – über Afghanistan reden zu wollen. Auch Johnson hatte | |
| zuvor gemahnt, das Land dürfe nicht wieder zur Brutstätte von Terrorismus | |
| werden. | |
| Biden hielt dagegen, das ursprüngliche Ziel des US-Einsatzes in | |
| Afghanistan, das Ausmerzen der Terrorgruppe al-Qaida nach den Anschlägen | |
| vom 11. September 2001, sei erreicht. Auch bin Laden sei getötet worden. | |
| Die USA könnten islamistische Terrorgruppen wie al-Qaida auch ohne eine | |
| permanente Militärpräsenz in dem Zielland effektiv bekämpfen – das | |
| US-Militär zeige dies in anderen Ländern wie Somalia oder Jemen. Der | |
| US-Präsident betonte außerdem, es sei nie Ziel des Einsatzes gewesen, dort | |
| eine geeinte Demokratie zu schaffen. | |
| Die USA, Deutschland und andere westliche Staaten begannen derweil, in | |
| großer Eile ihre Bürger und gefährdete afghanische Ortskräfte aus | |
| Afghanistan auszufliegen. [2][Am Flughafen in Kabul spielten sich | |
| dramatische Szenen ab]. Hunderte oder vielleicht auch Tausende verzweifelte | |
| Menschen versuchten, auf Flüge zu kommen, wie Videos in Online-Medien | |
| zeigten. | |
| ## Nur sieben Personen an Bord von erstem Flug | |
| Unter schwierigen Bedingungen angesichts der chaotischen Zustände begann | |
| das erste Bundeswehrflugzeug den Evakuierungseinsatz am Flughafen Kabul. | |
| Nach stundenlanger Verzögerung und Warteschleifen landete die Maschine vom | |
| Typ A400M dort in der Nacht zu Dienstag, setzte Fallschirmjäger ab, die die | |
| Rettungsaktion absichern sollen, nahm auszufliegende Menschen an Bord und | |
| startete schnell wieder. | |
| Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul bestätigte Medienberichte, dass mit | |
| dem ersten Bundeswehr-Flug in der Nacht nur sieben Personen aus Kabul | |
| ausgeflogen wurden. „Das stimmt“, [3][sagt der Unions-Fraktionsvize im | |
| Deutschlandfunk]. „Es sind nur sieben.“ Man habe nur einen Slot von 30 | |
| Minuten für die Maschine gehabt. „Und wir konnten nur die mitnehmen, die | |
| jetzt da waren. Es wäre auch unverantwortlich gewesen, weil gar nicht | |
| sicher war, dass die Maschine landen konnte, mehr dort jetzt schon zum | |
| Flughafen zu bringen.“ Der wesentliche Zweck des Fluges sei aber gewesen, | |
| „robuste Kräfte“ nach Kabul zu bringen. Diese Soldaten würden nun die | |
| Voraussetzungen dafür schaffen, dass weitere Maschinen in Kabul landen und | |
| starten könnten. | |
| 17 Aug 2021 | |
| ## LINKS | |
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| [2] /Tragische-Szenen-am-Flughafen-Kabul/!5793857 | |
| [3] https://www.deutschlandfunk.de/afghanistan-wadephul-fordert-kritische-aufar… | |
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