# taz.de -- Der Westen und Afghanistan: Biden verteidigt Abzug der Truppen | |
> Joe Biden erklärt, dass das Ziel der Demokratisierung Afghanistans nicht | |
> zu erreichen gewesen sei. Die US-Medien reagieren unterschiedlich darauf. | |
Bild: Joe Biden erklärt seine Entscheidung, aus Afghanistan rauszugehen | |
taz | Es brauchte ein paar Tage, bevor US-Präsident Joe Biden in der | |
größten außenpolitischen Krise seiner bisherigen Amtszeit den Weg vor die | |
Fernsehkameras suchte. Extra aus seinem Sommersitz in Camp David ins Weiße | |
Haus in Washington, D. C., zurückgekehrt, unterstrich Biden am | |
Montagnachmittag Ortszeit, [1][die Entscheidung zum Truppenabzug aus | |
Afghanistan sei richtig gewesen.] Die ursprünglichen Ziele des Einsatzes | |
nach den Attentaten vom 11. September 2001 seien längst erreicht: | |
diejenigen zu finden, die für die Anschläge verantwortlich waren, und zu | |
verhindern, dass Afghanistan erneut ein sicherer Hafen für terroristische | |
Organisationen wird. | |
Alle anderen Kriegsziele, Stabilisierung, Demokratisierung, Nation Building | |
– seien stets falsch und nicht zu erreichen gewesen. Das habe er schon 2009 | |
zu Barack Obama gesagt, als er als dessen Vizepräsident der Aufstockung der | |
Truppenpräsenz, dem sogenannten Surge, widersprach. | |
Was Biden allerdings nicht erwähnt: Im Jahr 2003 war er es selbst, der als | |
Senator einen entsprechenden Gesetzentwurf einbrachte und mit den Worten | |
begründete, der US-Marshallplan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg sei | |
die beste Investitionsentscheidung überhaupt gewesen und man solle sie mit | |
einem Bruchteil der damaligen Kosten in Afghanistan wiederholen. | |
Es sei, sagte Biden am Montag, im Übrigen sowohl aussichtslos als auch | |
nicht im nationalen US-Interesse, weiterhin mit Milliarden US-Dollar eine | |
afghanische Armee auszustatten, die überhaupt nicht bereit sei, das Land | |
tatsächlich gegen die Taliban zu verteidigen. | |
## Eingelöstes Wahlversprechen | |
Biden gab zu, die Geschwindigkeit des Talibanvormarschs unterschätzt zu | |
haben, sodass die Evakuierung sowohl des US-amerikanischen Zivilpersonals | |
als auch der afghanischen Helfer*innen und Ortskräfte „alles andere als | |
perfekt“ sei. 6.000 US-Soldaten sicherten jetzt den Flughafen, um die | |
Operation abzuschließen. Sollten die Taliban das behindern, werde sie die | |
volle US-Feuerkraft treffen. Anschließend aber werde der Abzug vollendet | |
sein und er werde sein Wahlversprechen eingelöst haben, diesen Krieg nicht | |
in ein drittes Jahrzehnt zu überführen. | |
In den Kommentarspalten der US-Medien von rechts und links führte die Lage | |
in Afghanistan zu einer Reihe von Debatten. Biden habe in seiner Rede | |
vollkommen das Thema verfehlt, kritisiert etwa John Salomon, Gründer des | |
Portals [2][Just The News]: Die meisten US-Amerikaner*innen, das zeigten | |
Umfragen seit vielen Jahren, befürworten ein Ende des US-Einsatzes, seien | |
aber entsetzt über dieses kopflose Ende und die erschütternden Szenen am | |
Kabuler Flughafen. Biden habe dazu praktisch nichts gesagt. | |
Die [3][Washington Post] hingegen begrüßt Bidens Rede – er habe die | |
überzeugendste Begründung seiner Abzugspolitik geliefert, die überhaupt | |
möglich sei, schreibt Kommentatorin Jennifer Rubin. | |
Aus dem Trump-Lager melden sich auf Fox News derweil diejenigen zu Wort, | |
die einfach nur den schnellen Punktsieg suchen. Die Lage zeige, dass Joe | |
Biden die USA schwäche, er ein unentschlossener und erratischer Präsident | |
sei, heißt es hier. | |
[4][David Frum], ehemaliger Redenschreiber George W. Bushs, verachtet diese | |
Leute, „die vom Jubel über Trumps Alleinlassen von Afghanistan umschwenken | |
zum Verdammen Bidens fürs Alleinlassen von Afghanistan“. | |
## Vergleich mit US-Einsatz in Vietnam | |
Viele Kommentare greifen auch den Vergleich mit dem Ende des US-Einsatzes | |
in Vietnam 1975 auf, legen doch die Bilder der Hubschrauberevakuierung von | |
der US-Botschaft in Kabul die Erinnerung an Saigon nahe. | |
Ein bedeutender Unterschied sei aber, schreibt Tom Nichols im | |
[5][Atlantic], dass der Vietnamkrieg zu einer Zeit allgemeiner Wehrpflicht | |
tatsächlich ein Krieg war, der alle betraf. Der Afghanistankrieg allerdings | |
habe in den USA nur die Militärfamilien betroffen, unter denen schon in den | |
ersten Kriegsjahren der Spruch herumging: „We’re at war. America’s at the | |
mall“ (Wir sind im Krieg, Amerika ist im Einkaufszentrum). 70 Prozent | |
unterstützten den Abzug, niemand machte sich wirklich Gedanken über die | |
Folgen, und was jetzt an Bildern aus Kabul über die Bildschirme geht, sei | |
genau das, was die US-Amerikaner*innen in ihrer Ignoranz gewollt hätten. | |
17 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Die-USA-und-das-Afghanistan-Desaster/!5793953 | |
[2] https://justthenews.com/government/white-house/mon-biden-vs-biden-speech-de… | |
[3] https://www.washingtonpost.com/opinions/2021/08/17/biden-makes-his-case-let… | |
[4] https://twitter.com/davidfrum/status/1426772508921917440 | |
[5] https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2021/08/afghanistan-your-fault/61… | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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