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# taz.de -- Geheimverhandlungen in Doha: Bundesregierung spricht mit Taliban
> Das Auswärtige Amt hat Gespräche mit den Islamisten geführt. Diese hätten
> versichert, sich für den Schutz früherer Ortskräfte vor Ort einzusetzen.
Bild: Die Taliban haben den Leiter des Medienbüros der Regierung ermordet; Kab…
Berlin afp/taz | Das Auswärtige Amt hat am Freitag dem ZDF bestätigt, in
der vergangenen Woche in Katars Hauptstadt Doha mit Vertretern der
afghanischen Taliban gesprochen zu haben. Zum Inhalt der Gespräche machte
das Außenministerium demnach aber keine Angaben.
Laut ZDF, das zusammen mit der Bild-Zeitung als Erstes von den Gesprächen
berichtet hatte, hätten die Taliban dabei versichert, sich für den Schutz
früherer Ortskräfte der Deutschen in Afghanistan einzusetzen. Deutsche
Diplomaten hätten allerdings Zweifel am Wert dieser Zusage, hieß es im ZDF
weiter.
Die Abordnung der radikalislamistischen Taliban wurde dem Sender zufolge
von Abdul Haq Wasiq angeführt. Der frühere [1][Guantanamo]-Häftling werde
von den Taliban als „Leiter der europäischen Sektion des Islamischen
Emirats Afghanistan“ bezeichnet. Die deutsche Delegation sei von dem
Afghanistan-Beauftragten der Bundesregierung, Jasper Wieck, geleitet
worden.
Die Taliban haben seit dem Abzug des Großteils der Nato-Truppen aus
Afghanistan seit Anfang Mai [2][weite Teile des Landes erobert]. Die
letzten in Afghanistan stationierten Bundeswehrsoldaten waren Ende Juni
nach Deutschland zurückgekehrt. Der Einsatz westlicher Truppen hatte nach
den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA begonnen, die
letzten US-Soldaten sollen spätestens bis zu dessen 20. Jahrestag abgezogen
werden.
## Die Taliban sind in der Offensive
Derzeit [3][führen die Taliban Offensiven] gegen mehrere Provinzhauptstädte
durch, darunter Herat, Kandahar und Lashkar Gah. Am Freitag haben sie
offiziellen Angaben zufolge erstmals eine Provinzhauptstadt erobert. Die
Stadt Sarandsch in Nimros im Süden des Landes sei von den radikalen
Islamisten eingenommen worden, teilte die Provinzpolizei laut Reuters am
Freitag mit. Deren Sprecher machte das Ausbleiben von Verstärkungen durch
die Zentralregierung in Kabul für die Niederlage verantwortlich. Die
Regierungstruppen sind vielfach demoralisiert. Doch greift bisher noch die
US-Luftwaffe auf ihrer Seite mit Bombardierungen von Taliban-Stellungen
ein.
Die Taliban haben als Vergeltung dafür angekündigt, gezielt hohe
Regierungsvertreter zu töten. So hatten sie am Mittwoch in Kabul das Haus
des Verteidigungsministers angegriffen und weitgehend zerstört, ihn jedoch
nicht angetroffen. Am Freitag erschossen sie aber den Leiter des
Medienbüros der Regierung beim Gebet in einer Moschee.
Die „Terroristen“ hätten mit der „feigen Tat einen patriotischen Afghanen
zum Märtyrer gemacht“, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Mirwais
Staniksai, am Freitag über den Anschlag auf Daua Khan Menapal. Die Taliban
übernahmen die Verantwortung für das Attentat. Taliban-Sprecher Sabihullah
Mudschahid teilte mit, dass das Opfer bei einem Anschlag der
„Mudschaheddin“ getötet worden sei.
Die monatelangen Gespräche zwischen den Taliban und der afghanischen
Regierung in Doha stocken seit Langem. Die Taliban hatten im Februar 2020
mit der US-Regierung von Donald Trump den Abzug aller US-Truppen bis Ende
April 2021 vereinbart. Auf diese Gespräche und Einigung hatte die
afghanische Regierung von Präsident Ashraf Ghani keinen Einfluss.
## Kritik von Abgeordneter der Linkspartei
Seitdem haben die Taliban aber wenig Motivation, mit der Regierung zu
verhandeln, die ihnen über Neuwahlen eine Machtteilung in Aussicht stellt.
Die Taliban hingegen fordern eine Kapitulation der Regierungstruppen und
Freilassung gefangener Taliban. Die Regierung hat in den letzten Monaten
bereits mehrere tausend Gefangene freigelassen.
Ob die Gespräche der Bundesregierung mit Zustimmung der afghanischen
Regierung stattfanden oder hinter deren Rücken geführt wurden, ist unklar.
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) erklärte: „Es ist
unerträglich, dass die Bundesregierung versucht, mit der islamistischen
Terrorgruppe Geheimvereinbarungen über das Schicksal der Ortskräfte der
Bundeswehr in Afghanistan abzuschließen.“
Sie drängte auf die umgehende Aufnahme gefährdeter Ortskräfte in
Deutschland, statt den Taliban Garantieversprechungen über deren Sicherheit
abhandeln zu wollen. Die Bundesregierung hatte mehrfach die [4][Aufnahme
der Ortskräfte] zugesagt, doch in der Praxis hohe Hürden aufgebaut. Auch
wurden dabei Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Bundesministerien
deutlich. Zugleich ist die Bundesregierung in der Kritik, weil sie auch
aufgrund [5][eines unrealistischen Lageberichts] weiterhin an Abschiebungen
nach Afghanistan festhält, trotz des eskalierenden Krieges und einer Bitte
der afghanischen Regierung, derzeit auf Abschiebungen zu verzichten.
Die Bundesregierung müsse sich auch zu möglichen Gegenleistungen an die
Taliban äußern, so Dagdelen. Sie nannte es „völlig unverständlich, dass d…
Taliban von der Bundesregierung offenbar als Verhandlungspartner über die
Sicherheit der Ortskräfte angesehen werden, während die islamistische
Terrorgruppe bei ihrem Vormarsch zahlreiche Gräueltaten gegen
Andersdenkende, säkulare Afghanen oder die Angehörigen von Minderheiten
begeht.“ Die Partei Die Linke hatte den Einsatz der Bundeswehr in
Afghanistan stets abgelehnt.
6 Aug 2021
## LINKS
[1] /Freilassung-aus-Guantanamo/!5787892
[2] /Gewalt-in-Afghanistan/!5781587
[3] /Vormarsch-der-Taliban-in-Afghanistan/!5786681
[4] /Deutschland-laesst-Afghanen-im-Stich/!5785761
[5] /Regierung-verharmlost-Afghanistan-Lage/!5785151
## AUTOREN
Sven Hansen
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