Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der Kronprinz und sein Biograph: Im Neuschwanstein der Hohenzollern
> Auch Lothar Machtan stellt in „Der Kronprinz und die Nazis“ fest: Der
> Sohn des letzten deutschen Kaisers war ein Helfershelfer der Nazis.
Bild: Fordert Wiedergutmachung vom Staat: Georg Friedrich von Preußen, Urenkel…
Sein bayerischer Vetter Rupprecht sagte über den preußischen Kronprinzen
Wilhelm, Sohn des ehemaligen gleichnamigen deutschen Kaisers, Wilhelms II:
Er sei „wie sein Vater das Rohr im Winde, und es behält bei ihm immer der
recht, der ihn zuletzt gesprochen hat“. Dieser Mangel an Entscheidungskraft
und Charakterstärke fiel schon seinen beiden ersten Biografen nach dem
Zweiten Weltkrieg, Paul Herre (1954) und Klaus W. Jonas (1962), deutlich
auf.
1923 konnte Wilhelm dank der monarchistischen Sentimentalität des damaligen
Reichskanzlers Gustav Stresemann aus dem niederländischen Exil
zurückkehren, sodass für die Republik Goethes bedrückter Seufzer „Ihr naht
euch wieder, schwankende Gestalten“ wahr wurde. Aber erst als diese mit der
Weltwirtschaftskrise nicht mehr in einigermaßen ruhigem Fahrwasser trieb,
konnte er Morgenluft für den Traum einer Restauration der
Hohenzollern-Monarchie wittern.
Auf die Jahre 1930 bis 1935 hat der Autor Lothar Machtan nun den
Schwerpunkt seiner Darstellung Wilhelms gelegt. Sein Buch „Der Kronprinz
und die Nazis“ beschäftigt sich also mit der Zeit vom Beginn der Krise in
der Weimarer Republik bis zum Beginn der endgültigen Festigung der
NS-Herrschaft.
„Wilhelm Kronprinz“, wie Machtan ihn neckisch nennt, war auf seiner
Italienreise im Frühjahr 1928 von Mussolini empfangen worden und pries bei
seinem Vater die „geniale Brutalität des Faschismus“. Künftig zeigte sich
„Wilhelm Kronprinz“ gern auf Kundgebungen des Stahlhelm, eines
rechtsgerichteten soldatischen Traditionsverbands, der mit
Massenaufmärschen in der Öffentlichkeit präsent war.
## Duzfreund des Kronprinzen
Wilhelm selbst hatte nicht viel mehr als seine Stellung durch Geburt
vorzuweisen. Über eine zielgerichtete Machtstrategie verfügte er nicht. Bei
Reichspräsident von Hindenburg zeichnete sich schon 1929 die Absicht ab,
einem autoritären Regierungsstil sein Plazet zu geben. Mit dem Führer der
Zentrumspartei, Heinrich Brüning, fand sich ein dazu bereiter Politiker.
Der Reichstag, der nicht mitmachen wollte, wurde 1930 vorzeitig aufgelöst.
Und so regierte Brüning mit Notverordnungen nach Artikel 48 der Weimarer
Verfassung weiter. Das funktionierte, weil die SPD es aus Furcht vor
Schlimmerem im Reichstag tolerierte. Dass die Wahl auf Brüning gefallen
war, war auch dem intriganten Bürogeneral im Reichswehrministerium, Kurt
von Schleicher, einem Duzfreund des Kronprinzen, zu verdanken.
Hindenburg zeigte sich dann allerdings ungnädig, als Brüning bei ihm den
Gedanken einer möglichen Wiederherstellung der Monarchie ansprach. Der
Reichspräsident und Chef der Obersten Heeresleitung während des Ersten
Weltkriegs dachte gar nicht daran, irgendwann seine eigene Machtposition
infrage zu stellen.
Die Reichstagswahlen vom September 1930 hatten der NSDAP zu enormem
Auftrieb verholfen und sie zu einem ernsthaften Faktor im politischen
Machtspiel werden lassen. Die radikale Rechte aller Schattierungen
attackierte Brüning laufend, vor allem, als seine Regierung das Tragen von
Parteiuniformen verboten hatte.
## Das mysteriöse Hausarchiv
Im Frühjahr 1932 stand turnusmäßig die Neuwahl des Reichspräsidenten an.
Wilhelm kam schon im Januar 1932 auf den Gedanken, selbst zu kandidieren.
Dies ist wohl die einzige neue Information von einigem Gewicht, die Machtan
aus dem geheimnisumwitterten, im Neuschwanstein der Hohenzollern
untergebrachten Hausarchiv in Hechingen ans Licht gebracht hat.
Wie immer ließ Wilhelm dann aber alles treiben und unternahm nichts. Vor
dem zweiten Wahlgang trat er 1932 öffentlich für Hitler ein. Auch nachdem
Hitler nur Zweiter geworden war, blieb er für Wilhelm erste Wahl. Als die
Regierung Brüning die SA und SS verbot, protestierte Wilhelm am 14. April
1932 bei Reichswehrminister Groener.
Inzwischen intrigierte General Kurt von Schleicher hinter den Kulissen so
lange, bis Hindenburg Brüning Knall auf Fall entließ. Als neuen
Reichskanzler schob er Franz von Papen nach, der keinerlei Basis im
Reichstag hatte. So wurde das Parlament 1932 zweimal aufgelöst.
Wilhelm versuchte erfolglos, Schleicher dazu zu bringen, Papen im Sinne
Hitlers zu steuern. Hitler machte seinerseits zunehmend klar, dass für ihn
eine politische Rolle der Hohenzollern nicht infrage kam. Die Klüngeleien
um seine Berufung zum Reichskanzler liefen an Wilhelm vorbei. Doch fühlte
er sich von dieser beglückt und gratulierte Hitler.
## Hochadlige Antisemiten
Einstweilen ließ man Wilhelm noch an öffentlichen Parteispektakeln
teilnehmen. Besonders wahrgenommen wurde seine Anwesenheit bei dem
Staatsakt [1][mit Hitler und Hindenburg am Tag von Potsdam] am 21. März
1933 in der dortigen Garnisonkirche. Er rechtfertigte dann auch die erste
Boykottaktion gegen die Juden in Deutschland Anfang April.
In Hitler sah er einen genialen Führer. Auf die Ermordung seines
Duzfreundes von Schleicher im Gefolge der Beseitigung Röhms und zahlreicher
anderer Personen reagierte Wilhelm mit der Versicherung seiner Treue zu
Hitler. Er blieb [2][Dekorationsstück bei Veranstaltungen]. Aber auch dafür
wurde er schließlich nicht mehr gebraucht.
Machtans Studie basiert jetzt auf einer breiten Fülle von Archivmaterial
und zeugt zweifelsohne von einer fundierten Kenntnis der
geschichtswissenschaftlichen Forschungsliteratur. Zum bisherigen
Erkenntnisstand der Forschung über das Ende der Weimarer Republik und
Hitlers Machtergreifung trägt sie aber nur wenige Nuancen und nichts
Wesentliches bei. Vor allem wimmelt es in der Schrift von Spekulationen und
Vermutungen, die an die Stelle von dokumentierbaren Fakten treten.
Die erste Begegnung Wilhelms mit Hitlers? Gut möglich, dass sie 1930
stattfand. Traf Wilhelm Hitler im Dezember 1931? Das „liegt nahe“. Bei
einer Begegnung der beiden im Frühjahr 1932 „scheint es“ zu einer Absprache
zwischen Hitler und Wilhelm gekommen zu sein. So geht es das ganze Buch
hindurch.
## Zweifelhafte Methoden
Von der Geschichte der NSDAP hat Machtan offenbar wenig Ahnung, sonst
könnte er nicht schreiben, Hitler habe den radikalen „sozialistischen“
Flügel seiner Partei nicht verprellen dürfen, der unter anderem durch
Alfred Rosenberg repräsentiert worden sei. Denn zum einen war dieser
verquere Spintisierer völlig von Hitlers Gunst abhängig, zum anderen hatte
er mit den linken Tendenzen in der Partei nicht das Geringste zu tun.
Machtans Buch ist bekanntlich vor dem Hintergrund der Debatte zu sehen, ob
„Wilhelm Kronprinz“ als führender Repräsentant der gestürzten
Hohenzollern-Monarchie dem Aufstieg und der Etablierung des
Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet habe. Den bisherigen
Gutachtern zu dieser Frage wirft er vor, sie seien mit „unnötigen
Zugeständnissen an ihre Auftraggeber“ an das Thema herangegangen.
Demgegenüber gibt Machtan sich als objektiv neutraler Wissenschaftler, der
sich seinem Thema unvoreingenommen angenähert habe. Zweifel könnten da
allerdings aufkommen, da er selber „von einer bedingungslosen Förderung
meines Projektes durch das Haus Preußen“ spricht. Die habe aber seinen
„kritisch-analytischen Forscherblick“ zu „keiner Zeit getrübt“. Wirkli…
Man kann durchaus glauben, dass ihm sein Auftraggeber nicht laufend beim
Schreiben über die Schulter geschaut hat. Doch Georg Friedrich Prinz von
Preußen ist mit seiner bisherigen Strategie, Historiker, die nicht wie er
als Millionäre geboren sind, wegen ihrer ihm nicht genehmen Darstellungen
[3][durch für diese existenzbedrohliche juristische Fußtritte
einzuschüchtern], nicht so recht erfolgreich gewesen.
## Welt- oder Geldgeschichte?
Deshalb hat er jetzt wohl den Urgroßvater – „Wilhelm Kronprinz“ – zum
Abschuss freigeben. Denn wenn dieser, wie Machtan am Ende doch nahelegt,
bei aller Nazischwärmerei nur ein kleines Würstchen gewesen sei, kann er ja
auch keinen großen Schaden bei der Zerstörung der Weimarer Republik und der
Etablierung der Naziherrschaft angerichtet haben.
Dass ein unabhängig sein wollender Historiker sich von den
Hohenzollern-Nachkommen hat fördern lassen, ist und bleibt der eine
Schönheitsfehler. Der andere ist, dass Machtan unter vielen Historikern
nicht als ernst zu nehmende Größe gilt. Das hat er vor allem seinem
unseriös argumentierenden Buch „Hitlers Geheimnis“ zu verdanken, in dem er
über dessen Homosexualität herumspekulierte und für sich in Anspruch nahm,
das Unbeweisbare bewiesen zu haben.
Über die jüngeren Hohenzollern ist die Geschichte längst hinweggegangen.
„Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“, sagt Schiller. Aber [4][jetzt
geht es nicht mehr um die Welt-, sondern lediglich um eine Geldgeschichte].
Und urteilen wird nicht das Weltgericht, sondern möglicherweise ein
Berliner Gericht. Ist man optimistisch, gilt dort vielleicht dann sogar das
Wort: „Es gibt noch Richter in Berlin“, das einst dem bedeutendsten
Hohenzollern entgegenhalten worden sein soll, als er einem Untertanen mit
einem Willkürakt drohte.
15 Aug 2021
## LINKS
[1] /Preussen-Historiker-Clark-rudert-zurueck/!5734272
[2] /Hohenzollern-und-Nationalsozialismus/!5744017
[3] /Rechtstreitigkeiten-mit-Adelsfamilie/!5776970
[4] /Keine-Sonderrechte-fuer-die-Hohenzollern/!5747673
## AUTOREN
Paul Hoser
## TAGS
Hohenzollern
Preußen
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Faschismus
Antifaschismus
Drittes Reich
Restitution
Deutsche Geschichte
GNS
Hohenzollern
Hohenzollern
Hohenzollern
Hohenzollern
Hohenzollern
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hohenzollern und Langemarck-Mythos: „Dieser Staat ist unser Staat“
In Naumburg inszenierten Faschisten und Monarchisten 1933 das Verschmelzen
ihrer Organisationen. Ex-Kronprinz Wilhelm agitierte prominent dafür.
Neues vom Hohenzollernstreit: Der kleinliche Prinz
Neues von den Hohenzollern: Georg Friedrich von Preußen behauptet, er will
den Diskurs. Nur: Warum bekämpft er ihn dann juristisch?
Rechtstreitigkeiten mit Adelsfamilie: Wiki über Hohenzollern-Klagen
Die Adelsfamilie Hohenzollern geht häufig gegen Medien vor. Historiker
dokumentieren die Vorfälle und Klagen nun in einem Wiki.
Keine Sonderrechte für die Hohenzollern: Gerichte sollen entscheiden
Die Grünen wollen, dass die geheimen Verhandlungen von Bund und Ländern mit
den Hohenzollern aufhören. Wie reagiert Monika Grütters?
Hohenzollern und Nationalsozialismus: Militarismus und echte Führerliebe
Historikerin Karina Urbach hat geheime Berichte einer Journalistin
ausgewertet. Sie belegen: Auch die adligen Preußen-Frauen warben für
Hitler.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.