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# taz.de -- Bananenbauern gegen Aldi und Co.: Krumme Geschäfte
> Bananenbauern in Ecuador haben es nicht leicht – das liegt auch an
> deutschen Importeuren von Aldi und Co. Eine Gewerkschaft geht dagegen an.
> Mit Erfolg.
Bild: Grün-gelbes Gold: Auch deutsche Importeure tragen Schuld an den Arbeitsb…
Machala taz | Jhony Janzaguano schlägt an einem Tag im Frühjahr 2019 mit
der Machete einige große Bananenblätter und dann die Staude ab, um dem
neuen Trieb Platz zu machen. Bananenstauden, auf deren großen Blättern die
Regentropfen in der Sonne verdampfen, um sie herum stehen Obst- und
Kakaobäume unter tropischen Schattenbäumen.
Der 57-Jährige mit den von grauen Strähnen durchzogenen Haaren hat sie
selbst gepflanzt, auf seiner sieben Hektar großen Bio-Farm in der
Bananenprovinz Guayas im Süden von Ecuador. Zusammen mit seiner Frau, einem
seiner Söhne und zuweilen ein paar Hilfsarbeiter*innen erntet und
verpackt er das ganze Jahr über Bananen, 230 Kisten schaffen sie pro Woche.
Verschifft werden sie vom Exporthafen Machala im Süden des Landes. Auf
Janzaguanos Kisten prangen Logo und Aufdruck von [1][Banafair und
Fairtrade].
Janzaguano hat großes Glück. Denn im Gegensatz zu vielen anderen
Bananenbauern kann er mit festen Einnahmen rechnen. Mit einem Dutzend
anderer Bauern hat er eine Kooperative gegründet. Ein in Gelnhausen bei
Frankfurt ansässiger Fairtrade-Importeur nimmt ihnen zwei Container pro
Woche ab. Einen weiteren Abnehmer hat die Kooperative in Italien.
8,20 US-Dollar plus ein US-Dollar Prämie für soziale Projekte zahlen die
europäischen Importeure von Banafair den Bauern pro Kiste. „Sie halten uns
über Wasser“, sagt Janzaguano.
Er weiß genau, mit welchen Bedingungen andere Kleinbauern aus der Region zu
kämpfen haben. Oft müssten sie unter dem offiziell festgelegten
Mindestpreis von 6,25 US-Dollar pro Kiste Bananen verkaufen. „Das ist ein
mieses Geschäft.“
Mitverantwortlich für die Dumpingpreise sind die großen Supermarktketten
von Aldi bis Rewe, die immer öfter die Preise diktieren. Zuletzt
[2][kündigte Aldi im November 2020 an, den Ankaufpreis pro Kiste um rund
einen Euro abzusenken]. Das hat für viel Kritik in den Produktionsländern
geführt. Und es zeigt, dass nicht mehr die internationalen Exporteure wie
Chiquita oder Del Monte die Preise vorgeben, wie es noch in den 1990er
Jahren der Fall war.
Wenn die großen Supermarktketten ohne Mittelhändler importieren, sind sie
für die [3][Arbeitsbedingungen auf den Plantagen] mitverantwortlich –
eigentlich. Doch die Realität sieht oft anders aus. Preise von 88 Cent pro
Kilogramm konventioneller Bananen bei den Discountern haben gravierende
Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen, so Frank Braßel,
Kampagnenleiter für [4][wirtschaftliche Gerechtigkeit bei der
Hilfsorganisation Oxfam]. „Die Leute müssen länger arbeiten, werden
schlechter bezahlt. Überstunden oft nicht vergütet“.
Das belegt auch eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung mitfinanzierte und
2019 erschienene Analyse des Instituts für Ecuadorianische Studien (IEE).
Jede Woche exportiert Ecuador zwischen fünf und sieben Millionen
Bananenkisten. Rund 70 Prozent des Volumens wird auf den großen Plantagen
produziert. Die Arbeitslöhne dort liegen der Studie nach bei rund 17
US-Dollar pro Arbeitstag von 10 bis 14 Stunden. Neben nicht vergüteten
Überstunden erhalten die Arbeiter*innen auch den offiziellen
Mindestlohn nicht – weil sie pro Bananenkiste bezahlt werden.
Zudem wird die Gründung von Gewerkschaften auf den Plantagen mit allen
Mitteln unterbunden. Ein Problem, gegen das Jorge Acosta kämpft. Der
60-Jährige ist der Koordinator der ersten Branchengewerkschaft Ecuadors
ASTAC (Asociación Sindical de Trabajadores Bananeros Agrícolas y
Campesinos). 2007 gegründet, zählt die Vereinigung heute 3.000 Mitglieder.
Zuletzt seien auf einer Plantage des ecuadorianischen Bananenmagnaten
Álvaro Noboa wieder mehrere Dutzend Arbeiter*innen entlassen worden,
weil sie sich bei ASTAC organisiert hatten, kritisiert Acosta.
Doch das größte Hindernis für seine Gewerkschaft könnte bald überwunden
sein: die juristische Anerkennung. Über ein Jahrzehnt hat das
ecuadorianische Arbeitsministerium diese verzögert. Nun hat ein
ecuadorianisches Gericht am 26. Mai die Verantwortlichen im
Arbeitsministerium mit einem Urteil dazu aufgefordert, die ASTAC zu
registrieren, die Gerichtsentscheidung auf der Homepage des Ministeriums zu
veröffentlichen und sich bei der Gewerkschaft zu entschuldigen.
„Für uns, aber auch für Ecuador ist das Urteil ein Meilenstein, denn es
ermöglicht de facto die landesweite Gründung von Branchengewerkschaften in
Ecuador“, freut sich Acosta. In dem Land sind gerade einmal drei bis vier
Prozent der Arbeiternehmer*innen gewerkschaftlich organisiert. Der
Richterspruch ist für die Gewerkschaftsbewegung also eine Art
Frischzellenkur.
Auch der gängigen Praxis, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen
zu entlassen, dürfte das Urteil einen Riegel vorschieben. Denn nun muss das
Arbeitsministerium einschreiten, wenn sich das Land nicht auch
international ins Abseits stellen will. Mehrfach hat die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO) diese Praxis kritisiert und auf Einhaltung der
Konventionen, die allesamt in der Verfassung fixiert sind, gedrängt.
Einzig die Umsetzung des Urteils, die binnen 30 Tagen hätte erfolgen
sollen, geht nicht voran: Auf der Homepage des Arbeitsministeriums ist das
Urteil nicht veröffentlicht worden – anders als vom Gericht verfügt. Frank
Braßel von Oxfam, der mit ASTAC seit Jahren zusammenarbeitet, hat den
Eindruck, dass auf Zeit gespielt wird. Ein Grund dafür könnte sein, dass
die neue Regierung in Ecuador erst am 24. Mai ihr Amt antrat, ein anderer,
dass die sehr einflussreiche Bananenlobby hinter den Kulissen gegen das
Urteil opponiert.
Das wäre in Ecuador nichts Neues, denn noch in der vorherigen Regierung war
ein Bananenunternehmer Chef im Arbeitsministerium. Allerdings lässt das
Urteil, so eine ASTAC-Rechtsanwältin, keinen Spielraum und könne nicht mehr
angefochten werden.
Jorge Acosta kämpft nicht nur in Ecuador für die Rechte der Bananenbauern.
Bereits vor zwei Jahren hat er vor der [5][EU-Kommission auf die Zustände
auf den Plantagen aufmerksam gemacht], denn der neunte Artikel des
Freihandelsabkommens zwischen der EU und Ecuador verpflichtet beide Seiten,
Menschenrechte und ökologische Standards einzuhalten. Analysen wie die des
IEE zeigen jedoch, dass das nicht ausreichend geschieht.
Deutsche Importeure etwa lassen sich zwar von ihren Partnern in Ecuador
garantieren, dass auf deren Plantagen Arbeits- und Menschenrechte geachtet
werden. Tatsächlich überprüft wird das aber in der Regel kaum. Acosta
ärgert sich darüber: „Das Abkommen sieht keine Sanktionen vor – es ist ein
Papiertiger“.
Mit dem Urteil des Gerichts in Ecuador über seine Gewerkschaft ASTAC hat er
nun die Option, noch einmal in Europa Unterstützung zu suchen. Bei
Regierungen wie der deutschen, die im bilateralen Verhältnis, aber auch auf
europäischer Ebene auf die Verletzung von Grundrechten auf Ecuadors
Plantagen hinweisen kann.
Das im Juni 2021 beschlossene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
(LKSG) könnte Acostas Bemühungen zusätzlichen Aufwind geben. Auf Anfrage
der taz sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zur Rolle deutscher
Importeure für die Arbeitsbedingungen auf Ecuadors Bananenplantagen:
„Unternehmerische Verantwortung darf nicht an der Landesgrenze enden und
deshalb haben wir das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet.
Unternehmen wie [6][Aldi, Lidl und Co] müssen nun ein angemessenes
Risikomanagement einführen.“
Dazu gehöre es, entlang der gesamten Lieferkette menschenrechts- und
umweltbezogene Sorgfaltspflichten umzusetzen. In Ecuador könnte das für
Veränderungen sorgen, denn das Gesetz benennt ausdrücklich Verstöße gegen
die Vereinigungsfreiheit, aber auch das Vorenthalten eines angemessenen
Lohns.
Es ist eine gute Nachricht für den umtriebigen Gewerkschafter Jorge Acosta,
der ständig auf der Suche nach neuen Allianzen ist. Gespräche mit
regionalen Gewerkschaften laufen genauso wie mit spanischen
Gewerkschaftskameraden und in Ecuador mit Kleinbauern-Kooperativen wie
jener von Jhony Janzaguano. Der ist angetan: „Wir brauchen Allianzen, denn
die Zahl der Kleinbauern, die aufgeben, steigt. Das kann nicht im Interesse
der Konsumenten sein.“
3 Sep 2021
## LINKS
[1] /Gerechter-Welthandel-in-der-Pandemie/!5781365
[2] /Discounter-setzt-Bauern-unter-Druck/!5728703
[3] /Ausbeutung-in-der-Landwirtschaft/!5752321
[4] /Oxfamstudie-zu-Bedingungen-in-Supermaerkten/!5693376
[5] /Gewerkschafter-zu-Bananen-aus-Ecuador/!5524621
[6] /Gesetz-gegen-unfairen-Handel/!5770560
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Bananen
Ecuador
Arbeitsbedingungen
Gewerkschaft
Ausbeutung
Kakao
Fairer Handel
Welthandel
Bananen
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