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# taz.de -- Konflikt zwischen Polen und Israel: Ein Gesetz, das entzweit
> Israel fürchtet, dass ein Gesetz in Polen Ansprüche von
> Holocaust-Überlebenden aushebelt. Der israelische Gesandte aus Warschau
> wurde zurückgerufen.
Bild: Die Prostastraße in Warschau war einst von vielen jüdischen Menschen be…
Tel Aviv taz | Erneut eskaliert der diplomatische Konflikt zwischen Israel
und Polen. Dieses Mal entzündete sich eine schwere Krise in den Beziehungen
zwischen den beiden Ländern an einem Gesetz, dass der polnische Präsident
Andrzej Duda am Samstagnachmittag unterzeichnet hatte:
Verwaltungsentscheidungen sollen nach einer Verjährungsfrist von 30 Jahren
nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Israel befürchtet damit
ein Ende der Entschädigungen für Enteignungen im Zuge des Holocaust.
Betroffen sind von dem Gesetz zwar theoretisch jüdische und nichtjüdische
Menschen. De facto richtet es sich aber Kritiker:innen zufolge an
Holocaust-Überlebende. Diese können nun nicht mehr die Rückgabe von nach
dem Zweiten Weltkrieg konfisziertem Eigentum einklagen, das ihnen zur Zeit
der Nazi-Herrschaft weggenommen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der
Grundbesitz in der Regel von der kommunistischen Regierung verstaatlicht.
Der rechtskonservative polnische Präsident Andrzej Duda verteidigte seine
Unterzeichnung des Gesetzes und versprach den Bürger:innen, eine „Ära des
rechtlichen Chaos“ zu beenden. Polnische Wohnungs- und
Grundstücksbesitzer:innen sollen sich in dem Fall, dass sich nach
mehr als 70 Jahren ein früherer Eigentümer melde, in Sicherheit wähnen.
Heftig kritisiert wurde das Gesetz in Israel und den USA. Der amerikanische
Außenminister Anthony Blinken zeigte sich „tief besorgt“. „Nicht zum ers…
Mal hat Polen ein antisemitisches und unmoralisches Gesetz erlassen“,
erklärte Israels Außenminister Jair Lapid am Samstag. Der Sohn von
Holocaust-Überlebenden rief den Gesandten der israelischen Botschaft in
Warschau zu unbefristeten Beratungen nach Israel zurück.
Der polnische Botschafter, der sich derzeit im Urlaub in seinem Heimatland
befindet, soll vorerst nicht nach Polen zurückkehren, so die Empfehlung des
Außenministeriums. Diese Zeit solle laut Lapid genutzt werden, „um den
Menschen in Polen die Bedeutung des Holocaust für die Bürger Israels zu
erklären und dass wir nicht dulden werden, dass das Gedenken an die Opfer
und die Erinnerung an den Holocaust missachtet werden“. Rund drei Millionen
polnische Jüdinnen und Juden, 90 Prozent der jüdischen Gemeinde des Landes,
fanden während des Holocaust den Tod.
Polens Außenministerium wiederum warf Israel vor, „grundlos den Beziehungen
zwischen beiden Staaten zu schaden“. Im Gegenzug kündigte man „angemessene
diplomatische und politische Schritte“ an. Premier Mateusz Morawiecki
sagte, Polen werde „nicht den Preis für deutsche Verbrechen zahlen“.
Der Schlagabtausch ist ein Hinweis auf einen Kurswechsel der neuen
israelischen Regierung unter Ministerpräsident Naftali Bennett: Unter
Ex-Premier Netanjahus geführter Regierung hatten rechtskonservative
Parteien in Europa einen überraschenden Genossen in Israel gefunden.
Israelische Politiker:innen gingen dazu über, lieber Antisemitismus in
der Linken und unter Muslim:innen zu kritisieren, als hetzerische
Identitätspolitik und traditionelle Formen des Antisemitismus in Ländern
wie Polen oder Ungarn aufzugreifen.
Doch kam es zu ersten Unstimmigkeiten, als [1][Polen Anfang 2018 ein neues
„Holocaust-Gesetz“ verabschiedete]. Dieses stellte unter Strafe, das
polnische Volk oder den polnischen Staat für Nazi-Verbrechen während des
Dritten Reichs mitverantwortlich zu machen. Nach einem diplomatischen
Streit und Gegenreaktionen von israelischen und polnischen
Historiker:innen hatte [2][Polens Regierung das Gesetz schließlich
entschärft].
Der Aufruhr der Regierung Bennett-Lapid um das neue Gesetz zeigt: Anders
als Netanjahu, der Antisemitismus gerne für politische Zwecke
instrumentalisierte, hat die neue Regierung kein Interesse daran, an der
Behauptung festzuhalten, die Rechtsextremen in Europa seien Israels beste
Freunde.
16 Aug 2021
## LINKS
[1] /Polens-Ministerpraesident-Morawiecki/!5485382
[2] /Polen-entschaerft-Holocaust-Gesetz/!5516685
## AUTOREN
Marina Klimchuk
## TAGS
Israel
Polen
Antisemitismus
Holocaust
Enteignung
Entschädigung
Kolumne Fernsicht
Italien
Schwerpunkt Flucht
Polen
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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