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# taz.de -- Lokführer wollen streiken: Der Ruck-Zug-Streik
> Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) tritt überraschend in den
> Ausstand. Die Bahn spricht von „Eskalation zur Unzeit“.
Bild: Viele Züge stehen still, wenn die GDL es will. Gleisbett in Köln
Dass es so schnell ging, hat nicht nur das Management der Deutschen Bahn
überrascht: Ab 19 Uhr am Dienstag bestreikt die Gewerkschaft Deutscher
Lokomotivführer (GDL) den Güterverkehr der Deutschen Bahn, seit 2 Uhr in
der Nacht auch den Personenverkehr. Bis Freitag früh 2 Uhr soll der
Ausstand dauern.
Das kündigte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky acht Stunden vor Beginn des
Arbeitskampfs am Dienstag an. Ob weitere Streiks geplant sind, wollte er
nicht sagen. Der Arbeitgeber solle Gelegenheit haben einzulenken, sagte er.
Die Deutsche Bahn appellierte an die GDL, an den Verhandlungstisch
zurückzukehren.
Weselskys Ankündigung vorangegangen war die Auszählung der Urabstimmung der
GDL-Mitglieder über Arbeitskampfmaßnahmen. 95 Prozent haben dafür gestimmt.
„Das war mehr, als wir erwartet haben“, sagte Weselsky. „Dieses Ergebnis
zeigt sehr deutlich die Stimmung in der Belegschaft“, sagte er. „Das
Management der Deutschen Bahn befindet sich in einer Auseinandersetzung mit
der eigenen Belegschaft, nicht mit der GDL.“
Gewerkschaft und Bahnvorstand haben sich [1][in einem harten Tarifkonflikt
verhakt]. Die GDL will einen Tarifvertrag, der sich an dem des öffentlichen
Dienstes des Bundes und der Kommunen aus dem vergangen Jahr anlehnt. Das
Management der Deutschen Bahn dagegen will sich am Notlagen-Tarifvertrag
für die Beschäftigten der krisengeschüttelten Flughäfen orientieren.
## Lokführer sind rar
Der Unterschied ist beträchtlich: Die GDL fordert eine Coronaprämie von 600
Euro, eine Lohnanhebung von 1,4 Prozent rückwirkend zum April sowie 1,8
Prozent ab April 2022 bei einer kurzen Laufzeit. Der Bahnvorstand will eine
Laufzeit von 40 Monaten, für 2021 eine Nullrunde, 1,5 Prozent mehr ab 2022
und 1,7 Prozent ab März 2023. Anders als die Züge haben die meisten
Flugzeuge in der Coronakrise stillgestanden. Pilot:innen wurden
massenhaft arbeitslos, Lokführer:innen werden händeringend gesucht.
Weselsky kritisierte bei der Ankündigung des Streiks auch Kürzungen bei der
Altersvorsorge. Zurzeit hätten die Beschäftigten eine Zusatzrente von 150
Euro. Davon wolle die Deutsche Bahn 50 Euro streichen. Gleichzeitig habe
das Management Altersvorsorgeansprüche von 20.000 Euro im Monat. „Wer den
Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern in die Tasche greifen will [2][und sich
selbst bedient], hat eine Antwort verdient, wie wir sie geben werden“,
sagte er.
Hintergrund des Streiks ist auch das Kräftemessen der beiden bei der
Deutschen Bahn aktiven Gewerkschaften. Neben der GDL organisiert die
deutlich mitgliederstärkere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die
Beschäftigten des Staatskonzerns.
Das von der früheren SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles nach einem
Bahnstreik auf den Weg gebrachte Tarifeinheitsgesetz sieht vor, dass
Unternehmen nur mit einer Gewerkschaft – und zwar der stärkeren – einen
Tarifvertrag abschließen sollen. Aufgrund der Zersplitterung des
Bahnkonzerns ist die Lage aber kompliziert, denn in etlichen
Tochtergesellschaften ist die GDL die stärkere Gewerkschaft.
## Konflikt mit der Konkurrenz
Die EVG kritisiert den Ausstand der Konkurrenzgewerkschaft scharf. „Die
jetzige Tarifrunde der GDL ist die konsequente Fortsetzung ihrer Forderung,
den Bahnkonzern zu spalten und im Sinne der Wettbewerber zu schwächen oder
sogar zu vernichten“, sagte EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel mit Blick auf die
Forderung der GDL und anderer, den Konzern in Betrieb und Infrastruktur
aufzusplitten. „Weil die aggressive Mitgliederwerbung erfolglos war und
ist, soll eine harte Tarifauseinandersetzung jetzt doch noch zu mehr
Mitgliedern führen.“
Die EVG hat bereits mit der Deutschen Bahn einen Tarifvertrag geschlossen,
der für 2021 eine Nullrunde und danach geringe Lohnerhöhungen vorsieht.
Für Bahn-Personalvorstand Martin Seiler ist der Streik „völlig unnötig und
völlig überzogen“. Die GDL habe ihr Wort nicht gehalten und den Ausstand
nicht mit längerer Vorlaufzeit angekündigt, kritisierte er.
„Die GDL-Spitze eskaliert zur Unzeit“, sagte er. „Gerade in einem
systemrelevanten Bereich wie der Mobilität gilt es jetzt, sich an den
Verhandlungstisch zu setzen und nicht unsere Kunden zu belasten.“ Gerade
erst würden die Fahrgäste nach der Coronakrise zurückkehren. „Jetzt dem
Pflänzchen, das entstanden ist, einen Dämpfer zu verpassen, ist
unverantwortlich“, sagte er.
## Nur noch ein Viertel der Verbindungen
GDL-Chef Weselsky wies den Vorwurf zurück, zur Unzeit zu streiken. „Es gibt
keinen richtigen Zeitpunkt für einen Streik“, sagte Weselsky. Man habe sich
für den Donnerstag entschieden, um den Ferien- und Wochenendverkehr nicht
zu stark zu beeinträchtigen.
Der Streik bedeutet nicht, dass bis Freitag früh gar keine Züge fahren. Die
Deutsche Bahn will so viel Zugverkehr wie möglich aufrechterhalten. Am
Mittwoch und Donnerstag wird sie ihr Angebot aber auf rund ein Viertel der
regulären Verbindungen zurückfahren.
Auf Hauptachsen wie Berlin und dem Ruhrgebiet oder Hamburg und
Frankfurt/Main soll ein zweistündiges Angebot aufrechterhalten werden. In
den Zügen können alle Sitzplätze reserviert werden. Wegen der Coronakrise
hatte die Deutsche Bahn die Reservierbarkeit eigentlich stark
eingeschränkt, damit Plätze frei bleiben und die Abstandsregeln eingehalten
werden können.
Ersatzfahrpläne für den Fern- und Nahverkehr sind im Internet unter
[3][bahn.de] und der App DB Navigator abrufbar. „Wir werden Fahrgästen
gegenüber sehr kulant sein“, sagte Seiler. Das gelte etwa bei der Aufhebung
für Zugbindung bei Tickets oder Rückerstattungen. Details dazu finden
Fahrgäste ebenfalls auf der Internetseite der Bahn.
## Wettbewerb hilft
Die GDL bestreikt ausdrücklich nur die Deutsche Bahn. „Die Wettbewerber
haben damit nichts zu tun“, betonte Matthias Stoffregen vom [4][Verband
Mofair], in dem Konkurrenten der Deutschen Bahn zusammengeschlossen sind.
Im Fernverkehr gibt es nur wenige Wettbewerber wie Flixtrain. Im Nahverkehr
haben sie aber nach Angaben von Mofair einen Marktanteil von knapp über 40
Prozent. Große Störungen erwarten die privaten Nahverkehrsbetreiber nicht,
weil in der GDL vor allem Lokomotivführer und Zugbegleiter organisiert sind
und weniger Mitarbeiter, die etwa Weichen- oder Signalanlagen betreuen.
10 Aug 2021
## LINKS
[1] /Verfahrener-Tarifkonflikt-bei-der-Bahn/!5783754
[2] /Mehr-Geld-fuer-Bahnchefs/!5757087
[3] https://www.bahn.de/
[4] https://mofair.de/
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
Schwerpunkt Bahnstreik
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Claus Weselsky
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