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# taz.de -- Schau über jüdisches Leben in Harburg: „NS-Hassparolen rekonstr…
> Jüdischen Spuren widmet sich eine Ausstellung im Stadtmuseum Harburg. Sie
> zeigt auch Tora-Rollen, die in der Reichspogromnacht 1938 beschmiert
> wurden.
Bild: Wurde in der Reichspogromnacht 1938 geschändet: der jüdische Friedhof i…
taz: Herr Brauer, gab es in Harburg mehr jüdisches Leben als in Hamburg?
Jens Brauer: Eher weniger. Die Harburger jüdische Gemeinschaft bestand seit
circa 1610, hatte aber nur etwa 350 Mitglieder. Sie waren allerdings gut
ins städtische Wirtschaftsleben integriert.
Bestanden Kontakte nach Hamburg?
Ja. Vor allem nach der [1][Reichspogromnacht] 1938 siedelten Harburger
Juden ins Hamburger Grindelviertel über. Dort gab es eine große Gemeinde
und den Schutz größerer Anonymität.
Wie verlief die NS-Zeit für die Harburger Juden?
Wie überall im „Dritten Reich“. 1933 erstellte der Magistrat eine Liste zu
boykottierender Geschäfte. Am 1. April marschierte dort die SA auf und
schmierte diskriminierende Parolen an die Schaufenster. Bald darauf wurden
Juden von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen, mussten ihre [2][Geschäfte
aufgeben]. Am 10. November 1938 wurde Harburgs jüdischer Friedhof
geschändet, die Leichenhalle angezündet, die Feuerwehr am Löschen
gehindert. Gleichzeitig wurde die Synagoge aufgebrochen, Mobiliar
zerschlagen, Gebetsbücher und andere Kultgegenstände auf der Straße
verbrannt.
Brannte auch die Synagoge?
Nein. Unmittelbar daneben lag eine Kfz-Werkstatt mit Benzin, und man
befürchtete, dass die Flammen überspringen würden. Noch in den
1940er-Jahren ließ das NS-Regime die Synagoge allerdings abreißen. Heute
steht dort ein Wohnhaus. Daneben hat man einen Teil des alten
Synagogenportals nachgebaut.
Zeigt Ihre Schau das alles erstmals?
Nein. Für die Ausstellung, die ausschließlich eigene Exponate zeigt und
gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt und der Initiative Gedenken in
Harburg entstand, haben wir unter anderem Zeitzeugen-Interviews der
1990er-Jahre und Recherchen der [3][Stolperstein-Initiative] genutzt. Und
da die letzte Ausstellung des Harburger Stadtmuseums über jüdische
Geschichte 30 Jahre zurückliegt, war es an der Zeit, das Thema neu zu
beleuchten.
Was genau ist zu sehen?
Zum Beispiel Teile der Soldatenuniform des Karl Jeremias Elkan, der für
seine Verdienste in der Schlacht bei Waterloo eine Konzession fürs
Speditionsgewerbe bekam, das Juden sonst verwehrt war. Außerdem
Silbergegenstände, die Juden 1939 zwangsverkaufen mussten. Was nach 1945
nicht restituiert werden konnte, wurde auf die Hamburger Museen verteilt.
Am wichtigsten sind drei Tora-Fragmente, die wir im Februar von der
Geschichtswerkstatt bekamen: Wir haben darauf – mit Hilfe des „Centre for
the Study of Manuscript Cultures“ der Universität Hamburg – Hassparolen
wieder sichtbar machen können.
Was stand da?
„Juda verrecke“ und „Der Mord an unserem Genossen vom Rath fordert Sühne…
Das bezog sich auf das Attentat des Juden Herrschel Grynszpan am 7. 11.
1938 auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath, den das NS-Regime als
Vorwand für die „Reichspogromnacht“ nutzte. Da stand außerdem: „Ich
bedaure, dass er nicht tot ist, sagt der Jude Grynszpan nach seinem Mord an
vom Rath. Ich tat das nicht aus mir heraus, sondern im Namen des jüdischen
Volkes.“ Das entspricht dem Wortlaut der [4][NS-Propaganda,] wie sie tags
zuvor in den Zeitungen zu lesen war. Dies ist meines Wissens das erste Mal,
das NS-Parolen von 1938 auf Tora-Rollen dokumentiert werden konnten.
26 Jul 2021
## LINKS
[1] /Nach-NS-Vergleich/!5697952
[2] /Bremer-Arisierungs-Mahnmal/!5781861
[3] /Hamburgs-Psychiatrie-arbeitet-NS-Zeit-auf/!5499268
[4] /Buch-ueber-Berlin-in-1930ern/!5680647
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
NS-Verfolgte
NS-Straftäter
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Pogrom
Antisemitismus
Judentum
Holocaust
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