# taz.de -- Kretschmanns Ideen zu Föderalismus: Hand aufhalten und pöbeln | |
> Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält das | |
> Bundesbildungsministerium für überflüssig. Geld vom Bund nimmt er aber | |
> gerne. | |
Bild: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/… | |
Es gibt gute Gründe, die Arbeit von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek | |
(CDU) zu kritisieren: die viel zu späten Coronahilfen für Studierende, ihre | |
Gleichgültigkeit gegenüber den [1][prekären Arbeitsbedingungen] an | |
Hochschulen, das Unvermögen, die Länder in Bildungsfragen stärker zu | |
vereinheitlichen. Siehe Abiturnoten oder zuletzt Pandemiepolitik. | |
Was jedoch der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann soeben in einem | |
[2][Interview] ins Spiel bringt, stellt nicht die Ministerin in Frage – | |
sondern das ganze Ministerium. Kretschmann leuchtet nämlich nicht ein, | |
„warum ein Ministerium auf einer Ebene eingeführt wird, für die man nicht | |
zuständig ist. In Baden-Württemberg gibt es ja auch kein Außenministerium“. | |
Was Kretschmann damit sagen möchte: Das Bundesbildungsministerium ist | |
überflüssig, Bildung ist schließlich Ländersache. Bitte, lieber Bund, | |
begreif das nun endlich mal! Doch ganz so einfach, wie Kretschmann es sich | |
macht, ist es nicht. | |
Denn erstens nimmt Kretschmann seit Jahren gerne die Gelder aus Berlin, um | |
damit auch munter in Stuttgart oder Heidelberg in „seinen“ Hoheitsbereich | |
zu investieren: beim Bafög, Kitaausbau, Ganztag, zuletzt beim Digitalpakt | |
und Nachhilfeprogramm. Um mal nur einige Bundesprogramme zu nennen. | |
## Erpressung im Bundesrat | |
Kretschmann greift also zu, verbittet sich gleichzeitig aber die Mitsprache | |
bei den Zielvorgaben. Undankbar wäre noch ein nettes Adjektiv für dieses | |
Verhalten. Doch es kommt noch dicker: Denn der undankbare Kretschmann | |
torpediert wichtige Bildungsinvestitionen über den Bundesrat, wenn ihm der | |
Bund zu wenig Kohle locker macht. Zuletzt geschehen am vergangenen Freitag. | |
Der Bundesrat sollte da einem Prestigeprojekt der Bundesregierung | |
zustimmen: dem Gesetz, das den Eltern einen Anspruch auf | |
[3][Ganztagsbetreuung an Grundschulen] garantiert. 3,5 Milliarden Euro | |
würde der Bund zahlen, dazu langfristig eine Milliarde jährlich zur Deckung | |
der Betriebskosten. Doch was vielen Ländern reicht, reicht Kretschmann | |
nicht. Baden-Württemberg bliebe so auf dauerhaften Betriebskosten sitzen, | |
schimpfte er. Der Bund müsse mehr Geld rausrücken. | |
## Kretschmanns maue Bilanz | |
Das Gesetz wurde erst einmal nicht verabschiedet. Man muss an dieser Stelle | |
betonen: Kretschmanns eigene (neue und ebenfalls grüne) Bildungsministerin, | |
Theresa Schopper, befürwortet den Ganztagsausbau. Dass die Investitionen | |
bildungspolitisch sinnvoll und notwendig sind, ist also auch in Stuttgart | |
unbestritten. Nur: Bisher hat das Land selbst nicht allzu viel dafür getan. | |
Im Ländervergleich liegt Baden-Württemberg bei der Ganztagsbetreuung an | |
Grundschulen weit abgeschlagen an letzter Stelle. | |
Man kann es also auch so sehen: Wenn es einem der reichsten Bundesländer in | |
der Vergangenheit nicht Wert war, in Chancengleichheit zu investieren, dann | |
sind die Forderungen, der Bund soll jetzt gefälligst alles bezahlen, eine | |
glatte Unverschämtheit. Das sollte auch Winfried Kretschmann endlich | |
begreifen. | |
29 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Arbeitsbedingungen-an-Hochschulen/!5776892 | |
[2] https://www.rnd.de/politik/winfried-kretschmann-annalena-baerbock-braucht-b… | |
[3] http://Ganztagsbetreuung | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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