# taz.de -- Kinder und Erwerbsarbeit: Mutti geht jetzt arbeiten | |
> 2026 kommt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für | |
> Grundschüler:innen. Für Eltern dürfte der aber kaum mehr Zeit mit den | |
> Kindern bringen. | |
Bild: Sondern auch morgen, vor allem abends, wenn Vati sich ausruhen muss | |
Die Coronapandemie zeigte deutlich: Kinder müssen betreut werden, damit | |
ihre arbeitenden Eltern nicht über kurz oder lang einen Nervenzusammenbruch | |
erleiden. Man erinnere sich an die Burnout-nahen [1][Hilferufe von Eltern | |
im Homeoffice], die monatelang gleichzeitig zoomen, kochen und ihre Kinder | |
homeschoolen mussten. | |
Jetzt wird Eltern ermöglicht, Beruf und Familie besser zu vereinbaren, so | |
scheint es: Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass | |
Grundschüler:innen, die ab 2026 eingeschult werden, [2][einen | |
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bekommen.] Was zunächst wie eine | |
sozialstaatliche Entlastungsmaßnahme klingt, hat auch den Sinn, die | |
Gesellschaft von einem prekären Zustand in den nächsten zu überführen: Vom | |
Zwang der Frau in die häusliche Versorgungsarbeit zum Zwang aller in | |
exzessive Lohnarbeit. | |
Acht Stunden am Tag sollen Grundschüler:innen der Klassenstufen eins | |
bis vier künftig betreut werden – den vollen Arbeitstag eben. Der Bund will | |
die Investitionen zum Ausbau in Höhe von 3,5 Milliarden mitfinanzieren und | |
sich langfristig mit 1,3 Milliarden pro Jahr an den Betriebskosten | |
beteiligen. | |
Im Ländervergleich fallen bei den Ganztagsangeboten für Schüler:innen | |
Unterschiede auf: In Bundesländern wie Thüringen, Brandenburg und | |
Sachsen-Anhalt gibt es bereits den Rechtsanspruch und dementsprechend gute | |
Angebote. In westdeutschen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg | |
kommen die Kinder oft noch mittags nach Hause, wo Mutti dann gehetzt | |
irgendein Teil in die Pfanne wirft oder was für die Mikrowelle | |
bereitgestellt hat. Die Frauen im Osten arbeiteten schon immer, ohne Kitas | |
und Horte ging es nicht. | |
## 40-Stunden-Vati-Gehalt | |
Dass die 1950er Jahre jetzt auch langsam in Bayern enden, ist gut. | |
Ganztagsbetreuung: ein Fortschritt. Wie sich die Zeiten ändern, ist aber | |
kein Grund zur Freude. In der alten Welt der gegenderten Arbeitsaufteilung | |
hat ein 40-Stunden-Vati-Gehalt noch eine ganze Familie ernährt. Heute | |
müssen in den meisten Fällen beide Eltern arbeiten, um Miete oder Kredit zu | |
stemmen – und die Pflegearbeit abends hinterherschieben. Statt Eltern | |
finanziell zu entlasten, damit sie tatsächlich Zeit mit ihren Kindern | |
verbringen können, ohne um ihre Existenz fürchten zu müssen, ermöglicht der | |
Staat noch ungezügeltere Lohnarbeitsverhältnisse. | |
Bald kann auch jede Mutti ihre Zeit darauf verwenden, das Kapital ihrer | |
Vorgesetzten zu vermehren. Ein Hoch auf moderne Zeiten. | |
10 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Emeli Glaser | |
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Winfried Kretschmann | |
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