# taz.de -- Klimabewegung versus IAA: Jetzt gegen das Auto | |
> Die Klimabewegung erklärt den privaten Pkw zum neuen Hauptfeind – und | |
> nimmt sich die Internationale Automobilausstellung vor. | |
Bild: Proteste bei der Internationalen Automobil-Ausstellung im September 2019 … | |
HAMBURG taz | Eine Automesse, das klingt im Klima-Wahlkampfjahr 2021 wohl | |
selbst dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zu oldschool. Der VDA | |
präsentiert die [1][Internationale Autoausstellung] dieses Mal nicht mehr | |
in Frankfurt am Main, sondern in München – und mit neuem Konzept als | |
„Mobilitätsmesse“ statt als reine Autoschau. Die weltweit größte | |
Ausstellung rund ums Auto soll sich vom 7. bis 12. September über weite | |
Teile der bayerischen Landeshauptstadt verteilen – diesmal mit einer 12 | |
Kilometer langen „Umweltspur“ als Verbindung zwischen Messegelände und | |
City-Standorten zur Präsentation von „Low- und No-Emission-Fahrzeugen“. | |
Aus Sicht der Klimabewegung alles reinstes Greenwashing. Gleich mehrere | |
Bündnisse rufen zu Protesten und Blockaden auf. Auch ein Camp soll es in | |
diesem Jahr geben. Im Gegensatz zur Aktion vor zwei Jahren dürften die | |
Proteste diesmal wesentlich größer ausfallen. Das liegt nicht nur am Datum | |
im Wahlkampf-Endspurt, sondern auch am Thema Verkehrswende, das derzeit | |
[2][Hochkonjunktur bei den Klimaaktivist*innen] hat. Die | |
[3][Besetzungen im hessischen Dannenröder Wald], in der Altmark in | |
Sachsen-Anhalt, im Flensburger Bahnhofswald oder im brandenburgischen | |
„Tesla“-Wald richteten sich allesamt gegen den Ausbau von | |
Autoinfrastruktur. Anfang Juni protestierten Aktivist*innen bei einem | |
deutschlandweiten Aktionstag in über 50 Städten gegen die autozentrierte | |
Verkehrspolitik. In Berlin besetzte das Bündnis „Ende Gelände“, das bis v… | |
einem Jahr noch auf Kohleinfrastruktur fokussiert war, eine Autobahn. | |
Gegen die IAA planen die Aktivist*innen neben symbolischen Aktionen und | |
Demonstrationen auch Blockaden, die die Zufahrten zur Messe versperren und | |
den reibungslosen Ablauf verhindern sollen. „Hinter den kapitalistischen | |
Nachhaltigkeitslügen steht noch immer das alte zerstörerische | |
Geschäftsmodell ‚schneller, größer, mehr‘“, kritisiert Lou Winters, die | |
Berliner Sprecherin des Bündnisses [4][„Sand im Getriebe“], das maßgeblich | |
hinter den Protesten steht. Dass die Autoindustrie mit einem angepassten | |
Konzept auf den Klimadiskurs reagiert habe, sei nur trügerischer Schein, | |
sagt Winters. | |
Vielmehr habe man in den Chefetagen der Konzerne offenbar erkannt, dass das | |
Klima vielen Menschen am Herzen liege – und die Marketingstrategie | |
entsprechend angepasst. „Das Interesse der Autoindustrie liegt nicht bei | |
klimagerechter Mobilität, sondern einzig darin, die eigenen Profite zu | |
steigern“, sagt Winters. | |
## Widersprüche gemeinsam überwinden | |
Neben dem seit 2019 bestehenden bundesweiten Bündnis, das sich anlässlich | |
der IAA-Blockade in Frankfurt gegründet hatte und im vergangenen Jahr | |
Waldbesetzungen und Autobahn-Proteste unterstützte, mobilisieren auch die | |
lokalen Bündnisse „No IAA“ und „Smash IAA“ nach München. Während „… | |
mit Verdi, Attac, der Grünen Jugend und den Parteien Die Linke und Die | |
Partei auch ein bürgerliches Spektrum abbildet, betont „Smash IAA“ die | |
klassenkämpferische Dimension des Konflikts und fordert die Enteignung der | |
Autoindustrie und die Überwindung des Kapitalismus. | |
Grundsätzlich teile man aber das gleiche Anliegen und die Kernforderung | |
nach einer sozial gerechten und klimafreundlichen Mobilitätswende, sagt die | |
Sprecherin von Smash IAA, Anna Meyer. Für tiefgreifende Veränderungen | |
brauche es breiten gesellschaftlichen Rückhalt auch von den | |
Arbeiter*innen in den Fabriken und im ÖPNV. | |
Keine Autofabriken, keine Jobs mehr? Die Widersprüche zwischen dem | |
Interesse, Arbeitsplätze zu erhalten, und der Abkehr von der auf Wachstum | |
und Export ausgerichteten Autoproduktion müsse man gemeinsam überwinden. | |
Zentral sei dafür die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. ArbeiterInnen | |
bei Zulieferfirmen, die nicht mehr gebraucht würden, könnten stattdessen | |
andere Produkte herstellen, wie sich in der Pandemie gezeigt habe. | |
## Antikapitalistischer Ton | |
„Die Menschen arbeiten nicht in der Autofabrik, weil sie möglichst riesige | |
SUV herstellen wollen, egal was mit dem Planeten passiert“, sagt Meyer. | |
„Sie arbeiten da, weil sie Geld verdienen müssen.“ Der gemeinsame Gegner | |
sei folglich das „Kapital“ und die Zustände in der Produktion schon lange | |
nicht mehr so gut wie ihr Image. „Wir kämpfen zusammen dafür, dass der | |
notwendige Wandel nicht auf dem Rücken der Arbeiter*innen abgeladen | |
wird“, sagt Meyer. | |
Der antikapitalistische Tenor der Proteste ist zwar in der | |
Klimagerechtigkeitsbewegung nicht neu, steht aber seit der Coronakrise | |
stärker im Vordergrund. | |
Dazu dürften mehrere Faktoren beigetragen haben: das erfolgreiche Berliner | |
Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ und die durch die | |
Pandemie stärker zutage getretene gesellschaftliche Ungleichheit, mit den | |
Diskussionen um die globale Freigabe der Impfstoffpatente sowie um die | |
Frage, wer letztlich die Kosten für die Krise zahlt. | |
29 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.iaa.de/de/mobility/besucher | |
[2] /Waldbesetzungen-in-ganz-Deutschland/!5769172 | |
[3] /Waldbesetzungen-in-Deutschland/!5776091 | |
[4] https://sand-im-getriebe.mobi/ | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Mobilität | |
Auto | |
Schwerpunkt Klimaproteste | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schulstreik | |
Verkehrswende | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Verkehrswende | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Radwege | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Proteste vor der IAA in München: Bosch for Future? | |
Ungewöhnlicher Protest gegen die Schließung einer Münchner | |
Dieselmotorenfabrik: Klimaschützer und die Belegschaft verbünden sich. | |
Demonstration von Fridays for Future: Spätsommer der Klimaproteste | |
Nach dem IPCC-Bericht kündigen mehrere Gruppen Proteste an. Den Anfang | |
macht Fridays for Future am Freitag in Frankfurt am Main. | |
Ulf Poschardt zur Mobilitätswende: „Teslas sind öde Autos“ | |
Elektromotoren passen gut in Waschmaschinen, aber nicht in Autos, findet | |
„Welt“-Chef Ulf Poschardt. Ein Gespräch über Sportwagen als Kulturgut. | |
Über das Gehen: Antikapitalistische Fortbewegung | |
Unser Autor geht genauso gerne durch die Welt, wie er alle Vorbeigehenden | |
beobachtet. Oft ist das Gehen auch politischer als gedacht. | |
Radverkehr und Klima: Für 1,5-Grad ist mehr nötig | |
Klimaziele sind nur mit umfassenden Veränderungen im Verkehr zu erreichen. | |
Für diesen Meilenstein muss sich was an der politischen Stellung des | |
Fahrrads ändern. | |
Radfahrende Politiker:innen: Die Zukunft auf zwei Rädern | |
Dass der Berliner Politbetrieb öfter einmal am Rad dreht, ist leicht | |
dahingesagt. Wir haben uns mit Abgeordneten auf den Sattel geschwungen. | |
Carola Rackete über Antarktisvertrag: „Kolonialistische Herangehensweise“ | |
Kapitänin und Klimaaktivistin Carola Rackete kennt das Südpolarmeer gut. | |
Klimagerechtigkeit spiele in der Antarktispolitik keine Rolle, meint sie. | |
Solidarischer Klimaaktivismus: „Gegen Gewalt solidarisieren“ | |
In Brandenburg kooperiert der BUND mit den neuen Formen des | |
Klimaaktivismus, erklärt Axel Kruschat vom BUND Brandenburg. | |
Aktionstage für Verkehrswende: Picknick auf der A100-Baustelle | |
Am Samstag endet nach sechs Stunden die Besetzung der Baustelle der | |
Stadtautobahnverlängerung. Am Rand ging die Polizei gegen die Presse vor. |