# taz.de -- Solidarischer Klimaaktivismus: „Gegen Gewalt solidarisieren“ | |
> In Brandenburg kooperiert der BUND mit den neuen Formen des | |
> Klimaaktivismus, erklärt Axel Kruschat vom BUND Brandenburg. | |
Bild: „Ende Gelände“-Aktivist_innen blockieren am 30.11.2019 Bahngleise be… | |
taz: Herr Kruschat, die Klimagerechtigkeitsbewegung mit Initiativen wie | |
Ende Gelände, Fridays for Future (FFF) und Wald statt Asphalt bearbeitet | |
das gleiche politische Feld wie die traditionellen Umweltverbände, | |
allerdings häufig mit anderen Aktionsformen. Wie geht das zusammen? | |
Axel Kruschat: In Potsdam gibt es zum Beispiel eine enge Kooperation der | |
FFF-Gruppe mit der BUND-Jugend und wir bieten Räume und andere | |
Infrastruktur. Der Unterschied in den Aktionsformen ist gar nicht so groß: | |
Wir machen Demonstrationen, die machen Demonstrationen und wir unterstützen | |
uns. Bei FFF ist die Arbeit in Gremien, da, wo man hinter die Kulissen | |
guckt, konkrete verbindliche Schritte aushandeln und sehr genau prüfen | |
muss, worum es im Detail geht, noch nicht so ausgeprägt. Das fängt gerade | |
erst an und muss noch stärker werden, damit nicht die Gefahr besteht, | |
vereinnahmt zu werden. Als Beispiel wieder Potsdam: Die Stadt hat unter | |
anderem auf Anregung von FFF und inspiriert von den Demonstrationen den | |
Klimanotstand ausgerufen. In der Stadtpolitik ändert sich dadurch konkret | |
aber erst mal gar nichts. | |
Das heißt, die Aktivist:innen könnten sich mit Symbolpolitik abspeisen | |
lassen, ohne es zu merken. | |
Ja. Krassestes Beispiel ist aktuell, dass die Potsdamer | |
Stadtverordnetenversammlung den Klimanotstand beschließt, aber die | |
Stadtwerke für den neuen Stadtteil Krampnitz ein Erdgaskraftwerk planen, | |
das für die nächsten 30 Jahre im Wesentlichen fossil betrieben werden wird. | |
Es war ein großer Erfolg, dass Potsdam den Klimanotstand ausgerufen hat, | |
jetzt müssen wir aber dafür sorgen, dass wirklich etwas passiert. Damit | |
meine ich uns alle. Das schönste Klimaschutzziel nützt überhaupt nichts, | |
wenn keine verbindlichen Maßnahmen beschlossen werden, mit denen es | |
erreicht werden kann. Wir müssen uns verhalten wie bei einem | |
Vertragsabschluss, mit sehr viel Misstrauen vor allem gegenüber dem | |
Kleingedruckten. Auch der Druck von der Straße durch die neuen Bewegungen | |
muss von den großen Formeln wegkommen hin zu konkreten Forderungen. | |
Zurück zu den Aktionsformen: Ende Gelände war bis Ende 2019 in der Lausitz | |
mit Blockaden und Besetzungen aktiv. Wie passt das mit der Politik eines | |
Umweltverbandes zusammen? | |
Es gab ja nicht nur Tagebaubesetzungen, sondern auch Demos – ganz klassisch | |
– und auf diesen Demos waren wir auch und das hat gut zusammen | |
funktioniert. Als Umweltverband können wir natürlich nicht zu einer | |
Besetzung oder Blockade aufrufen. Das sind Regelbrüche, die mit der | |
Organisationsform des Verbandes nicht vereinbar sind. | |
Die Stimmung in der Lausitz war und ist ja sehr polarisiert und der BUND | |
bleibt nach so einer Besetzung zurück als verhandelnder | |
Umweltschutzverband. Ist das ein Problem? | |
Zuerst einmal hat das einen unglaublichen Schub an Selbstbewusstsein | |
gebracht. Die Aktionen haben starke Aufmerksamkeit erzeugt und dazu | |
beigetragen, dass die Klimaproblematik ins öffentliche Bewusstsein | |
gedrungen ist. Und zu Ihrer Frage: Es ist nicht so, dass Ende Gelände | |
gekommen ist und dann war alles polarisiert, sondern das war vorher schon | |
so. Bei allen Veranstaltungen, die wir über Jahre in der Lausitz gemacht | |
haben, gab es Gegendemonstrationen von der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und | |
Energie. Da musste man durch Spaliere von Kohlekumpeln laufen, das war | |
nicht fein. Die fortschreitende gesellschaftliche Polarisierung liegt vor | |
allem an dem enormen Vertrauensverlust in die Landespolitik, die viel zu | |
lange und wider besseren Wissens beteuert hat, an der Seite der Kumpels – | |
wie es immer hieß – den Tagebau zu erhalten. | |
Stellen Sie fest, dass die Auseinandersetzung rauer geworden ist? Gegen das | |
Waldcamp #Monibleibt an der A14-Trasse gab es jüngst massive Bedrohungen | |
und Gewalt bis hin zu einem Brandanschlag auf einen Treffpunkt von | |
Autobahngegner:innen. | |
Die Auseinandersetzungen waren schon immer sehr handfest. Wenn Sie als | |
Naturschützer mit Kohlekumpeln, Bauern oder Wolfsgegnern diskutieren, gibt | |
es immer wüste Beschimpfungen bis hin zu verbalen Drohungen. Bei einem der | |
Klimacamps in der Lausitz gab es auch einen Vorfall mit Neonazis. Neu ist, | |
dass an der A14 tätlich angegriffen wird. Ob das der politischen | |
Gemengelage vor Ort geschuldet ist oder der Anfang einer | |
verallgemeinerbaren Zuspitzung, wird sich zeigen. Gegen diese Gewalt muss | |
man sich ohne Wenn und Aber solidarisieren. Inhaltlich halte ich die | |
Proteste gegen die A14 zum jetzigen Zeitpunkt allerdings für verfehlt. Kein | |
Mensch braucht diese Autobahn – keine Frage, und wir haben lange dagegen | |
gekämpft. Erfolglos. Aber jetzt sind nur zwei Bauabschnitte noch nicht | |
gebaut. Deren Bau wird sich meiner Meinung nach nicht mehr verhindern | |
lassen. Man muss sich auf die Sachen konzentrieren, die funktionieren | |
können. Das gilt für die gesamte Klimabewegung. Das gemeinsame Ziel ist ein | |
Moratorium für den Straßenbau und eine Anpassung des | |
Bundesverkehrswegeplans an die Klimaerfordernisse. Zuständig dafür ist der | |
Bundestag. Dafür muss man vor allem in Berlin demonstrieren. Da fallen die | |
Entscheidungen. | |
Was ist Ihrer Meinung nach beim Straßenbau aktuell ein lohnendes Ziel? | |
Die Verhinderung des Ausbaus der B96 zu einer Schnellstraße, die von Berlin | |
nach Neustrelitz und dann weiter an die Ostsee führen soll. Die Pläne sind | |
noch nicht so weit gediehen, die Umsetzung kann man noch verhindern. Alles | |
ist hier ähnlich wie bei der A14: niemand braucht diese Schnellstraße, die | |
Strecke ist bereits mit Autobahnen versorgt. Die Trasse zerschneidet | |
diverse Schutzgebiete wie den Naturpark Stechlin/Ruppiner Land und geht | |
völlig an den regionalen Mobilitätsbedarfen vorbei. Riesige Flächen werden | |
neu versiegelt und allein beim Bau jede Menge CO2 in die Atmosphäre | |
gelassen. | |
Würden Sie sich über eine Waldbesetzung an der B96-Ausbautrasse freuen? | |
Auf jeden Fall. | |
21 Jun 2021 | |
## AUTOREN | |
Beate Selders | |
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