| # taz.de -- Sharinganbieter „Enuu“: Knapp daneben | |
| > Die Mini-Autos des Schweizer Sharingdienstes Enuu sind der perfekte | |
| > Gegenentwurf zum SUV – auf dem Gehweg haben sie trotzdem nichts zu | |
| > suchen. | |
| Bild: Klein und niedlich, aber nicht immer am richtigen Ort: ein Enuu | |
| Eigentlich ganz süß, die Kleinen: Seit ein paar Tagen stehen winzige | |
| [1][Autochen der Marke „Enuu“] – nein, nicht überall in Berlin, aber | |
| immerhin in Teilen von Mitte, Kreuzberg und Neukölln. Rund 50 Exemplare | |
| sind es, mal schwarz, mal weiß, hinein passen genau eine Person und ein | |
| paar Einkaufstaschen, die immerhin vor Regen und Wind geschützt sind. | |
| Obwohl sie per Lenker gesteuert werden, fahren sie auf vier kleinen Rädern. | |
| Bei „Enuu“ handelt es sich um einen Sharinganbieter. Wie viele Fahrräder, | |
| E-Tretroller oder elektrische Mopeds lassen sich die „E-Pods“ (so die | |
| Bezeichnung des Unternehmens) nach der Registrierung über eine App und bei | |
| Bezahlung per Kreditkarte nutzen. 19 Cent Gebühr werden dabei pro Minute | |
| fällig. Auf seiner Website verspricht das im schweizerischen Biel ansässige | |
| Unternehmen Großes: Bis 2030 werde Enuu der weltweit meistgenutzte | |
| Micromobility-Service der Welt sein. | |
| Aber nicht alle sind glücklich mit den „fahrenden Eiern“, wie sie in der | |
| Schweiz nach ihrer Premiere bald genannt wurden. Roland Stimpel, | |
| Vorsitzender des Berliner Fußverkehrsvereins FUSS e. V., findet, die | |
| Kleinstmobile könnten „eine spannende Alternative zum Auto“ sein, weil sie | |
| viel Platz und Energie sparten, tatsächlich stünden die Enuus aber „illegal | |
| und geballt auf Gehwegen“ herum, wo sie FußgängerInnen noch stärker den | |
| Platz streitig machten und Menschen mit Behinderungen noch mehr gefährdeten | |
| als die bereits reichlich vorhandenen E-Tretroller. | |
| Stimpel kennt die Rechtslage genau: „Es handelt sich nicht um | |
| Elektrokleinstfahrzeuge wie im Fall der E-Tretroller, die maximal 20 km/h | |
| fahren und grundsätzlich auf Gehwegen stehen dürfen.“ Stattdessen gehörten | |
| die Miniaturautos zur EU-Kraftfahrzeugklasse L6e-BP: Dabei handelt es sich | |
| um ein „leichtes Vierradmobil für die Personenbeförderung“. Und wie alle | |
| anderen Kfz auch dürften diese lediglich auf der Fahrbahn unterwegs sein | |
| und abgestellt werden. Außer dem Bürgersteig seien auch Radwege und | |
| Grünanlagen tabu. | |
| ## „Die meinten, es ist legal“ | |
| Die Höchstgeschwindigkeit gebe das Unternehmen selbst übrigens mit 30 km/h | |
| an, so Stimpel – was dann auch auf dem Trottoir zu erwarten sei, wo die | |
| dort bereitgestellten Fahrzeuge ja entliehen und vermutlich auch | |
| zurückgegeben würden. Er selbst habe am Potsdamer Platz einen | |
| Enuu-Aufsteller auf das Gehwegverbot angesprochen, der aber habe lediglich | |
| berichten können: „They told me it's legal.“ Stimpels Verein ruft deshalb | |
| Ordnungsämter und Polizei zu „energischem Einschreiten“ auf. | |
| Der Fußverkehrsverein hat auch recherchiert, wie es dem Unternehmen mit der | |
| großen Zukunft in der Schweiz ergangen ist: nicht so gut. In Zürich, wo | |
| Enuu 2019 seinen Auftritt hatte, ordneten die Behörden im vergangenen Jahr | |
| die Entfernung von 130 der insgesamt 150 Fahrzeuge an, weil diese | |
| regelmäßig auf Rad- und Gehwegen parkten. In Basel gab es ähnlichen Ärger. | |
| Derzeit kann man nirgendwo mehr in der Schweiz eines der Kleinstautos | |
| mieten. Für Basel teilte Enuu mit, man müsse ein „Hardware-Update“ an den | |
| Fahrzeugen vornehmen. | |
| Wie lange das genau dauern werde, auf diese Frage erhielt die Basler | |
| Zeitung nach eigenen Angaben [2][keine Antwort] von der Firma – ebenso | |
| wenig wie die taz auf eine Anfrage am Montag, ob die Regeln zum Abstellen | |
| bekannt seien und berücksichtigt würden. Roland Stimpel mutmaßt, bei den | |
| Berliner „E-Pods“ könne es sich um diejenigen handeln, die aus Basel | |
| abgezogen wurden. | |
| Und noch jemand wartete bis Montagnachmittag vergeblich auf Antwort: die | |
| Senatsverkehrsverwaltung, deren Sprecher Jan Thomsen gegenüber der taz die | |
| geschilderte Rechtslage bestätigte. Weil der Anbieter „in der | |
| Öffentlichkeit widersprüchliche bis unzutreffende Angaben über die | |
| Nutzungsmöglichkeit der Fahrzeuge“ gemacht habe, habe man Enuu kontaktiert | |
| und dringend zum Gespräch aufgefordert – bislang ohne Erfolg. Untätig | |
| bleibt die Verwaltung trotzdem nicht: „Wir stehen in Kontakt mit dem | |
| Ordnungsamt Mitte, um hier frühzeitig verkehrsregelwidriges Verhalten zu | |
| unterbinden“, so Thomsen. | |
| Allerdings duldete Berlin bisher auch das Abstellen von Motorrädern und | |
| Mopeds (alles Kfz) auf Gehwegen, obwohl das eindeutig der | |
| Straßenverkehrsordnung widerspricht. Erst vor Kurzem und auf Druck aus dem | |
| Abgeordnetenhaus forderte die Senatsverwaltung die Polizei auf, die | |
| Rechtslage endlich durchzusetzen. | |
| 1 Jun 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.enuu.ch/ | |
| [2] https://www.bazonline.ch/wo-sind-eigentlich-die-fahrenden-eier-864887941841 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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