# taz.de -- Geplatzte Auflösung des Landtags: Thüringer Politdrama ohne Ende | |
> Die Neuwahl in Thüringen ist gescheitert, das Vertrauen in die Politik | |
> erschüttert. Nun will die AfD ein Misstrauensvotum. Wie geht es weiter? | |
Bild: In Thüringen regiert das Misstrauen: Bodo Ramelow kann sich nicht auf di… | |
LEIPZIG taz | Eigentlich waren die Vorbereitungen zur Wahl bereits | |
angelaufen. Spitzenkandidat:innen wurden aufgestellt, Wahlkreise | |
besucht, Parteiprogramme vorgestellt. Thüringen auf dem Weg in die Zukunft, | |
so sah es aus, Stichtag dafür war der 26. September. Am vergangenen Freitag | |
jedoch war klar: Es wird [1][keine Neuwahl des Thüringer Landtages im | |
September] geben. Grüne und Linke zogen ihre Zustimmung zum Antrag auf | |
Auflösung des Parlaments zurück, den es formell für Neuwahlen braucht. Am | |
Ende schien das Vorhaben den beiden Parteien wohl zu riskant. | |
Die aus ihrer Sicht drohende Gefahr: Weil nicht klar ist, ob die CDU wie | |
vereinbart die nötigen Stimmen liefert, um die Auflösung zu beschließen, | |
hätte schlimmstenfalls die AfD mit für die Auflösung und damit die Neuwahl | |
stimmen können. Das wollte insbesondere die Linke vermeiden. | |
Denn 2019 waren es eben die Stimmen der AfD gewesen, die Thomas Kemmerich | |
(FDP) kurzzeitig ins Amt hoben und damit [2][die Regierungskrise] erst | |
auslösten, die Thüringen seitdem nie ganz losgelassen hat. Auf das | |
Kemmerich-Debakel, das mit dessen Sturz endete, folgte die CDU-gestützte | |
rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Bedingung für diesen Stabilitätspakt | |
war die Einigung, dass der Landtag 2021 aufgelöst und neu gewählt werden | |
soll. Am Freitag platzte dieser Plan. | |
„Die Enttäuschung sitzt tief“, sagte SPD-Parteichef und Innenminister Georg | |
Maier nun gegenüber der taz. Der Schaden sei groß, insbesondere für das | |
Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung. Linken-Fraktionschef Steffen | |
Dittes wies diese Kritik jedoch zurück. Er sieht die CDU in der | |
Verantwortung. Der Rückzug des Antrages sei nicht etwa eine Entscheidung | |
gegen Neuwahlen, „sondern gegen die Gefahr einer Abstimmung mit der AfD“, | |
so Dittes, weil die CDU nicht die nötigen Stimmen gebracht hätte. Die | |
beteuert allerdings, dass die nötigen Mehrheiten vorhanden wären und warf | |
wiederum den Linken politisches Kalkül vor. | |
## Wie geht es weiter? | |
Die Entwicklung zeigt, wie zerstritten das Parlament ist. Seit Dezember ist | |
der mit der CDU vereinbarte Stabilitätspakt ausgelaufen. Konkret bedeutet | |
das, das es keine Mehrheiten mehr gibt. Die Kräfteverhältnisse könnten sich | |
nun verschieben. Für die Minderheitsregierung wird es schwierig, sich ohne | |
Zustimmung der CDU durchzusetzen. | |
Dennoch sagt Dittes: „Es gibt keine Regierungskrise.“ Die Koalition habe | |
vollständige Handlungsfähigkeit. Immerhin sei schon seit der Wahl klar, | |
dass rot-rot-grün eine Minderheitsregierung ist. „Die CDU muss sich nun | |
entscheiden, ob sie künftig die AfD für Mehrheiten nutzen will“, so Dittes. | |
Die Sorge ist, dass die Nicht-Auflösung des Landtages nun vor allem die AfD | |
stärken könnte – wenn sich die CDU nun weiter an sie annähern sollte. Der | |
linke Ministerpräsident ist der CDU-Fraktion schon lange ein Dorn im Auge | |
und die Südthüringer CDU war es schließlich auch, die den umstrittenen | |
Hans-Georg Maaßen als ihren Direktkandidaten für die Bundestagswahl | |
aufstellte. Und im Juni waren sich CDU und AfD bereits bei der Entscheidung | |
einig, eine Petition zur Schließung der Erstaufnahmeeinrichtung für | |
Geflüchtete im thüringischen Suhl einzureichen. | |
Die Frage um das „Wie weiter“ bleibt bei den Fraktionen umstritten. | |
SPD-Chef Maier sagte, es müsse nun erneut Gespräche zwischen rot-rot-grün | |
und der CDU geben und bezeichnete die SPD als Scharnier zwischen den | |
Lagern. Eine solche Abmachung schloss CDU-Chef Mario Voigt jedoch aus. | |
„Eine weitere Übergangsvereinbarung wird es nicht geben“, sagt er zur taz. | |
„Es ist an Rot-Rot-Grün, sich Mehrheiten für Vorhaben und Gesetze zu | |
suchen.“ Die CDU-Fraktion sei nicht dafür da, die Politik einer | |
rot-rot-grünen Minderheitsregierung abzusichern. Er sehe die CDU in der | |
Rolle der Opposition, die die Landesregierung kontrolliere. | |
Diskussion zu einer möglichen Vertrauensfrage von Ramelow sieht | |
Linken-Fraktionschef Dittes als nicht zielführend. „Die Vertrauensfrage | |
würde nicht zu Neuwahlen des Parlaments führen“, so der Fraktionschef. | |
„Daher ist das momentan auch keine Option. Sofern es jedoch kein neues | |
Abkommen zwischen rot-rot-grün und der CDU geben sollte, heißt das: | |
Mehrheiten suchen – und zwar jedes Mal aufs Neue in zäher Aushandlung. | |
Am Montagnachmittag verkündete die AfD, dass sie einen Antrag auf ein | |
konstruktives Misstrauensvotum gegen Bodo Ramelow gestellt hat. Als | |
Herausforderer will der AfD-Vorsitzende Björn Höcke antreten, der für seine | |
rechtsextreme Politik bekannt ist. Für solch ein Votum bräuchte die AfD | |
jedoch ebenfalls eine Mehrheit. Es ist unwahrscheinlich, dass die | |
demokratischen Parteien für Höcke tatsächlich den Weg als | |
Ministerpräsidenten freimachen. | |
19 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
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