# taz.de -- Demonstrationsfreiheit in NRW gefährdet: Laschets Koalition bleibt… | |
> In NRW wollen CDU und FDP ihr Versammlungsgesetz durchdrücken – aber erst | |
> Ende 2021. Laschets Chancen bei der Wahl sollen nicht gefährdet werden. | |
Bild: Autoritäres Gebaren: Laschets Landesregierung will die Demonstrationsfre… | |
DÜSSELDORF taz | Trotz massiver Kritik will die schwarz-gelbe Koalition von | |
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet an ihrem autoritären Entwurf für ein | |
neues Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen festhalten. Zwischen den | |
Protesten des Bündnisses „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“, bei denen am | |
vergangenen Samstag in Düsseldorf viele Teilnehmer:innen über massive | |
Polizeigewalt klagten, und seinem Gesetzesentwurf gebe es keinen | |
Zusammenhang, sagte CDU-Landesinnenminister Herbert Reul am Donnerstag im | |
Landtags-Innenausschuss. | |
Eine „Überarbeitung“ oder gar ein „Rückzug“ der Gesetzesvorlage Reuls… | |
„überhaupt nicht notwendig“, erklärte auch der innenpolitische Sprecher d… | |
CDU-Fraktion, Christos Katzidis, im Landesparlament. Verabschiedet werden | |
soll das restriktive Gesetz jetzt aber wohl erst Ende des Jahres – eine | |
Gefahr für die Kanzler-Ambitionen Armin Laschets soll so von dem Vorhaben | |
nicht ausgehen. | |
Die Kritik an dem geplanten Gesetz richtete sich nicht nur gegen die darin | |
vorgesehene ausgeweitete Videoüberwachung und ein strafbewehrtes | |
Vermummungsverbot, das es nicht einmal im CSU-regierten Bayern gibt. | |
Innenminister Reul will der Polizei mit dem Versammlungsgesetz auch die | |
Möglichkeit einräumen, störende Gegendemonstrationen zu verbieten. | |
Geschützt werden dürften so auch Neonazi-Aufmärsche. | |
Unter dem Stichwort „Militanzverbot“ soll untersagt werden, durch das | |
Tragen von „Uniformen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken“ vermeintlic… | |
Gewaltbereitschaft zu signalisieren und einschüchternd zu wirken. | |
Gewerkschaften warnen bereits, dass damit auch Proteste etwa von | |
Belegschaften im einheitlicher und damit „uniformer“ Arbeitskleidung | |
untersagt werden könnten. Selbst Fußballfans fürchten um ihr Recht, sich in | |
Vereinsfarben zu versammeln. | |
## Journalist von Polizisten geschlagen | |
Schon bei der Düsseldorfer Demonstration am Samstag setzte die Polizei auf | |
Härte. Dort waren nach Zählung der Veranstalter rund 6.000 Menschen vor | |
Ort, etwa 100 seien verletzt worden, die meisten von ihnen wohl durch | |
Schlagstöcke und Pfefferspray der Polizei. | |
Mehr als 300 Demonstrierende eines „Antifa-Blocks“ wurden über Stunden | |
eingekesselt, klagten über fehlenden Zugang zu Wasser und Toiletten. | |
Geschlagen wurden auch Journalisten: Ein Fotograf der dpa berichtete, er | |
sei von einem Polizeibeamten mehrmals mit einem Schlagstock geprügelt | |
worden. dpa-Chefredakteur Sven Gösmann sprach daraufhin von einem „nicht | |
hinnehmbaren Angriff auf die Pressefreiheit“. | |
Reul erklärte dazu, die Vorwürfe von Polizeigewalt gegen den Journalisten | |
ärgerten ihn auch persönlich. „Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut“, | |
betonte er mehrfach. Regierungschef Armin Laschet hat sich mit dem | |
Fotografen getroffen und volle Aufklärung des Vorfalls versprochen – seine | |
Berater scheinen erkannt zu haben, welche Gefahr dem Wahlkampf des | |
CDU-Kanzlerkandidaten durch den Vorwurf überzogener Polizeigewalt drohen | |
könnte. | |
Sein Minister Reul erklärte im Innenausschuss dagegen viele | |
Teilnehmer:innen der Düsseldorfer Demo zu Extremist:innen. Als | |
Beispiele nannte der Hardliner neben Fußball-Ultras und Kommunist:innen | |
auch Klimaaktivist:innen, so etwa „Angehörige linksextremistisch | |
beeinflusster Bündnisse, wie zum Beispiel Ende Gelände“. Beteiligt waren an | |
der Demo rund 80 Organisationen, darunter Fridays for Future, Jusos, Grüne | |
Jugend, Erwerbslosen-Initiativen und Anti-Rasisst:innen. | |
## Druck auf die FDP | |
Reul beklagte am Donnerstag, gerade im „Antifa-Block“ hätten | |
Demonstrierende gegen das Vermummungsverbot verstoßen, indem sie sich | |
zusätzlich zu den vorgeschriebenen Coronamasken „Sonnenbrillen“ aufsetzten | |
und „Kapuzen und Schals trugen“. „Ob das Ganze strafrechtlich relevant“ | |
gewesen ist, sei aber „schwer zu beurteilen“. | |
Außerdem seien Polizist:innen beleidigt und angegriffen worden, | |
erklärte der Minister. Bündnis-Vertreter:innen betonen dagegen, die | |
Demonstration sei friedlich verlaufen. „Wir haben die Aufhebung des | |
Versammlungsrechts erlebt“, sagt etwa die Rechtsanwältin Anna Busl vom | |
Verein Republikanischer Anwälte. „Es gab keine unfriedliche Entwicklung, | |
die die Auflösung der Demonstration gerechtfertigt hätte.“ | |
Indirekt musste auch Reul einräumen, wie wenig die Polizei selbst den über | |
Stunden eingekesselten Teilnehmer:innen des „Antifa-Blocks“ vorwerfen | |
kann. Gegen die 328 Menschen, die am Samstagabend bis 23:25 Uhr | |
festgehalten wurden, laufen lediglich 39 Strafverfahren – darunter nur neun | |
wegen Körperverletzung. | |
Trotzdem bekannte sich auch der innenpolitische Sprecher der FDP, Marc | |
Lürbke, zu dem Polizeieinsatz. Bei der Demo seien „Verfassungsfeinde“ | |
mitmarschiert. FDP-Politiker wie die Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes | |
Strack-Zimmermann und Johannes Vogel waren dagegen zuvor auf Distanz zu der | |
Gesetzesvorlage gegangen: Strack-Zimmermann schrieb auf Twitter, es handele | |
sich „um einen Entwurf aus dem CDU-geführten Innenministeriums, den die | |
FDP-NRW so sicher nicht akzeptieren wird.“ Vogel sprach von einem | |
„Reul-Entwurf“. | |
Die Fraktionschef:innen von Grünen und SPD, Verena Schäffer und Thomas | |
Kutschaty, forderten die Landesregierung des CDU-Kanzlerkandidaten Laschet | |
deshalb erneut auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen. Ob und was die FDP | |
an Reuls Entwurf ändern wolle, bleibe völlig unklar, kritisierten sie: | |
Schließlich haben die drei FDP-Minister der Regierung Laschet Reuls | |
restriktiven Entwurf bereits ebenso abgenickt wie der Hauptausschuss des | |
Landtags – mit Stimmen von CDU und FDP. | |
1 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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