Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung rund um Fußballmusik: Der Sound des Fußballs
> Im Rathaus Köpenick kommen in einer neuen Ausstellung Fußballfans mit
> musikalischen Anekdoten und Raritäten auf ihre Kosten.
Bild: Auch in der DDR gab es eine Fußballmusikkultur
„Die meiste Fußballmusik ist künstlerisch von geringer Qualität – und
trotzdem ein faszinierendes Stück Fußballkultur“, schreibt Gunnar Leue. Den
Beweis für Letzteres hat der taz-Autor allein schon mal dadurch erbracht,
dass er eine faktensatte und liebevolle Ausstellung zum „Sound des
Fußballs“ konzipiert hat, die seit vergangener Woche im Rathaus Köpenick zu
sehen ist. Wie steht es mit der ersten Satzhälfte, wie steht es um die
Kunst im runden Ganzen?
1976 erschien von Udo Lindenberg und dem Panikorchester das Album „Galaxo
Gang – Das sind die Herren vom anderen Stern“ und auf ihm die Moritat von
„Bodo Ballermann“, einem der unsterblichen Lindenberg’schen Charaktere. D…
Musik ist unterkühlter Jazzrock, melancholisch grundiert, es gibt ein
offizielles Video, in ihm preist die Fußball-Bandenwerbung Insignien einer
fernen Zeit: „Aral – immer am Ball“, dazu „Jägermeister“ und
„Sechsämtertropfen“.
Vom Titelhelden erfahren wir: „Bodo Ballermann spielte beim
Rambo-Zambo-Kickerverein // Er flitzt über’n Platz / Schnell wie ein Tiger
// Er war der Schrecken der Bundesliga. // Sah man ein’ Fleck / Meistens
war’s ein blauer / Am Schienbein von Fränzchen Beckenbauer / Oder hielt
sich ein Torwart verzweifelt den Magen // Hatte Bodo wieder zugeschlagen!“
Lange geht das nicht gut, Lindenberg umreißt es mit der sehr
siebzigerjahremäßigen Zeile „Als dann die Damen ihm seinen Samen nahmen“.
Aufstieg und Fall in einem Song von 3 Minuten und 16 Sekunden Dauer, nicht
schlecht. „Bodo Ballermann“ ist interessanterweise auch als B-Seite der
Single „Ich träume oft davon, ein Segelboot zu klau’n“ erschienen, einem
Filmsong aus Hark Bohms Jugenddrama „Nordsee ist Mordsee“. In der
Kombination der Single lässt sich Fußball als Sehnsuchtsort sehen, denn wie
heißt es im Lied: „Es muss doch irgendwo ’ne Gegend geben / Für so’n
richtig verschärftes Leben / Und da will ich jetzt hin.“
Ein anderer dieser Orte wäre die Rockband, nicht umsonst verweist Gunnar
Leue in der Broschüre zur Ausstellung auf eine schöne Anekdote von Led
Zeppelin-Sänger Robert Plant, der auf die Frage nach seinem ersten
Rockkonzert zu Protokoll gab: „Wolverhampton gegen Dynamo Moskau am 9.
November 1955.“ Die Udo Lindenberg-Single wiederum hat Leue auf einer von
insgesamt zwanzig Tafeln seiner Ausstellung platziert, und zwar gleich auf
der zweiten.
„Bodo Ballermann“ steht, so ist zu erfahren, in der Ahnengalerie imaginärer
Rasenhelden wie „Torwart Schwupp vom Fußballklub“ (Leipziger Kristallpalast
Sänger Hillemann, 1924) oder „Fußballfritze als Mittelstürmer“ (Edgar Ey…
1927).
Als erste Schallplattenveröffentlichung für einen leibhaftigen Fußballer
darf „Heute spielt der Uridil“ von 1922 für den Stürmer von Rapid Wien
gelten, schreibt Leue auf seiner ausführlichen Chronologietafel.
Dazu gibt es in der Ausstellung nicht nur Hörproben, die QR-Codes auf einer
Plattencover-Galerie möglich machen, Gunnar Leue hat zu der Ausstellung
selbst eine LP zusammengestellt. Zur Erinnerung, wir befinden uns in
Köpenick, bei der Platte handelt es sich um „Eisern Union“, sie darf als
das auf Vinyl gepresste Liederbuch des 1. FC Union aus Südost-Berlin
gelten. Nina Hagens bekannte [1][Vereinshymne] von 1998 darf nicht fehlen,
mit dabei sind auch Romano, Achim Mentzel, Frank Schöbel, Sporti und Iron
Henning.
## Raritäten für musikalische Fußballfans
Ein Song und seine Geschichte lassen sich bis in die sechziger Jahre
zurückverfolgen, es handelt sich um den Beitrag der Multi-Folk-Band
Polkaholix, die 2008 ein ebenfalls „Eisern Union“ betiteltes Stück
aufnahmen, ein verschollenes Lied, von dem Gunnar Leue in seiner Broschüre
erzählt, wie es 1967 vom Rundfunktanzorchester Günther Gollasch im
Erich-Weinert-Klubhaus in Oberschöneweide präsentiert wurde. Nach dem
Pokalsieg von 1968 ist das gesamte Ensemble dem Verein beigetreten.
Swing-Musiker wollen auch kicken.
Diesen Mittwoch – und nur dann – wird Gunnar Leue im Rathaus Köpenick
einige Raritäten präsentieren wie ein Fortuna-Düsseldorf-Trikot mit
Toten-Hosen-Werbung, sowjetische und polnische Tonpostkarten mit
Fußballliedern, seltene alte Notenblätter mit Fußballsongs, Tangos,
Märschen aus England, Argentinien, Wien, BRD etc. sowie Aufstellwände mit
diversen Single-Covern von Fußballplatten aus aller Welt.
Die Frage nach der künstlerischen Qualität lässt sich übrigens noch
weiterverfolgen: An dieser Stelle sei die britische Kammerfolk-Band Dakota
Suite empfohlen, von deren Songwriter Chris Hooson es heißt, er habe sich
für seine minimalistischen Songs vom Auf und Ab seines Herzensvereins FC
Everton inspirieren lassen. Stadiontauglich ist das nicht, aber irgendwann
geht es ja auch wieder nach Hause.
29 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=eJ4w3cKYd3o
## AUTOREN
Robert Mießner
## TAGS
Fußballlyrik
Musikgeschichte
Fußballvereine
Union Berlin
deutsche Literatur
FC Union
FC Union
Kolumne Helden der Bewegung
Ausstellung
Udo Lindenberg
Hertha BSC Berlin
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Übers Union-Gefühl „Fußball wie früher“: Spielstand weiterhin per Hand
Das Anzeigenhäuschen mit den Schiebetafeln im Stadion An der Alten
Försterei genießt vereinsintern Denkmalschutz. Es ist ein Sinnbild für
Tradition.
Literarische Wiederentdeckung: „Kommt alle her und schaut mich an“
Lothar Walsdorf war Museumsgehilfe, Hilfsrestaurator, Wasseruhrenableser,
Fensterputzer. Und ein Dichter in der DDR, den es wiederzuentdecken gilt.
Union gegen Rotterdam: Einfliegender Holländer
Mit einem niederländischen Unionfan bereitet sich taz-Fußballexperte Gunnar
Leue auf das Rotterdam-Spiel vor.
1. FC Union Berlin: Antisemitismus im Stadion
Fans von Union Berlin bedrohen Anhänger des israelischen Vereins Maccabi
Haifa im Olympiastadion. Der Klub entschuldigt sich, Polizei ermittelt.
Die Niederungen des Fußballs: Weißer und männlicher wird’s nicht
Profifußball ist zu absurd geworden, aber die Regionalliga Nordost ist noch
einmal ein ganz besonderer Fall. Man könnte Verschwörungen vermuten.
Ausstellung „Temperate“: Erhöhte Temperatur
In der Schering Stiftung versetzt Susanne M. Winterling die
Besucher*innen in die Perspektive von Mikroorganismen – bei 37 Grad
Celsius.
Udo Lindenberg wird 75: Der Mann aus dem „Atlantic“
Udo Lindenberg ist ein alter Underground-Hase mit Mainstream-Appeal und
längst in Hamburg mental ehreneingemeindet. Nun wird er 75.
Fußball mit Bertolt Brecht: Rasantes Wachstum im Osten
Der 1. FC Union schlägt als nun größter Berliner Klub Hertha in allen
Belangen. Man mag es als Bestätigung der geleisteten Arbeit lesen. Oder als
Gefahr.
Frank Zander über Hertha und Schlager: „Hymnen kann man nicht verordnen“
Frank Zander nennt sich selbst Berliner Urgestein. Der Sänger und seine
Beziehung zu Kiezkneipen, Gänsebraten und der Hertha-Hymne „Nur nach
Hause“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.