Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Landeschef beobachtet: Sachsens Geheimdienst sammelt alles
> Der sächsische Verfassungsschutz speicherte jahrelang Unverfängliches
> über Abgeordnete wie SPD-Landeschef Martin Dulig. Die Betroffenen sind
> sauer.
Bild: Sachsens SPD-Chef Martin Dulig ist über den Verfassungsschutz empört
BERLIN/DRESDEN taz | Der sächsische Verfassungsschutz steht in der Kritik –
mal wieder. Anlass sind Speicherungen unverfänglicher Äußerungen von
Landtagsabgeordneten und SPD-Wirtschaftsminister [1][Martin Dulig], welche
die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags am Dienstag in einem
Bericht deutlich kritisierte. Dulig sprach von einem „ungeheuerlichen
Vorgang“.
Die Parlamentarische Kontrollkommission des sächsischen Landtags legte am
Dienstag zu den Datenspeicherungen einen Bericht vor. Vorausgegangen waren
Abfragen mehrerer Abgeordneter beim sächsischen Verfassungsschutz, was dort
über sie gespeichert ist.
Der Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt etwa erhielt darauf ein Schreiben
mit sechs Punkten. Notiert vom Geheimdienst wurde dort, dass er im Landtag
„mehrere Anträge, Dringliche Anträge und Große und Kleine Anfragen“ für
seine Partei stellte. Oder seine Bemerkung: „Wir wollen nicht zurück in die
Zeit des 'Kalten Kriegesʻ, den wir überwunden glaubten.“
## Harmlose Zitate
Zu SPD-Landeschef Martin Dulig vermerkte der Verfassungsschutz wiederum,
dass dieser in einer Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung
zu Rechtsextremismus in Ostdeutschland auftauche. Dort werde er zitiert,
dass auch die CDU eine Verantwortung dafür trage, welche Zustände heute in
Sachen Rechtsextremismus herrschten. Die CDU habe das Problem 25 Jahre lang
verharmlost und relativiert. Zudem habe Dulig im Oktober 2018 auf Facebook
eine „Ansprache an die Sächsinnen und Sachsen“ gepostet.
Zu dem Grünen-Abgeordneten Valentin Lippmann notierte der
Verfassungsschutz, dass er sich gegenüber einer Nachrichtenagentur
„kritisch“ über die Umstände der im November 2020 aus dem Ruder gelaufenen
Querdenker-Demonstration in Leipzig äußerte. Zu seiner Parteikollegin
Christin Melcher wurde festgehalten, dass sie Erstunterzeichnerin der
„Leipziger Erklärung – Zeit für Zivilcourage“ war. Zum Linken-Abgeordne…
Marco Böhme hieß es, er sei ein Unterstützer des Aktionsnetzwerks „Leipzig
nimmt Platz“ und habe zu Protesten gegen ein Neonazifestival in Ostritz
aufgerufen.
Linken-Fraktionschef Gebhardt hatte schon im November 2020 seinen Fall
öffentlich gemacht und die Speicherung seiner Aussagen beim
Verfassungsschutz kritisiert. „Was ist daran anstößig?“, fragte er damals.
## „Nicht hinnehmbar“
Auch die Kontrollkommission hält die Speicherung all dieser Vermerke des
Verfassungsschutzes nun für „klar rechtswidrig“. Es sei „augenfällig“…
diese nicht dem Verfasssungsschutzgesetz entsprächen, weil keine der
Äußerungen für eine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung stehe. Warum sie gespeichert worden seien, dafür sei eine
„halbwegs plausible Erklärung kaum mehr möglich“.
Offenbar aber sei jahrelang praktisch jede eingehende Information in das
interne Domea-System elektronisch abgespeichert worden. Eine „zwingend
gebotene Relevanzprüfung wurde nicht mit der erforderlichen Konsequenz und
Stringenz durchgeführt“. Diese Praxis, so wird die Kontrollkommission
deutlich, sei „nicht hinnehmbar“.
## Verfassungsschutzchef schiebt Verantwortung ab
Auch Martin Dulig (SPD) zeigte sich am späten Dienstagnachmittag
„fassungslos und empört“ über die Speicherungen. Es gehe in seinem Fall um
„belanglose Daten“ und Kritik an der CDU – während etwa Angriffe auf sein
Bürgerbüro offenbar nicht notiert wurden. „Es kann nicht sein, dass
Menschen die sich demokratisch engagieren, kriminalisiert werden“, stellte
Dulig klar. „Ich fühle mich da persönlich angegriffen.“
Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian schob die
Verantwortung am Dienstag auf seinen Vorgänger Gordian Meyer-Plath, der
[2][im Sommer 2020] geschasst wurde. Er räumte ein, dass jegliches
Schriftgut, das beim Landesamt eingehe, zunächst automatisch erfasst werde.
Eine Relevanzprüfung erfolge erst später und sei bis Mitte 2020 „nicht
fristgemäß“ durchgeführt worden.
So erklärten sich die Speicherungen zu Dulig und den anderen Abgeordneten.
Diese hätten eigentlich „unverzüglich mit Posteingang gelöscht werden
müssen, weil sie überhaupt keinen nachrichtendienstlichen Mehrwert
besitzen“. Heute aber habe sich die Praxis geändert und die rechtmäßige
Speicherung von Abgeordnetendaten „oberste Priorität“, versicherte
Christian.
Der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann forderte dennoch, die
Datenspeicherung beim Verfassungsschutz müsse „unverzüglich auf
rechtsstaatliche Füße gestellt werden und über jeden Zweifel an der
Rechtmäßigkeit erhaben sein“. Die Speicherungen in seinem Fall oder denen
der anderen Abgeordneten seien „eklatant rechtswidrig“. Das dürfe es „bei
einem Geheimdienst in keinem nur denkbaren Szenario geben“.
Auch Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt erklärte: „Das, was über mich und
andere Abgeordnete gespeichert wurde, zeigt mir nur, wie richtig wir in
unserer Forderung liegen, dass diesen Innlandgeheimdienst kein Mensch
braucht. Es ist wie immer: Der Geheimdienst macht nicht, was er soll, dafür
aber das, was er nicht darf.“
Schon zuletzt hatte es beim sächsischen Verfassungsschutz Ärger um die
[3][Speicherung von Daten zu AfD-Abgeordneten] gegeben. Auch wurde dem
Landesamt wiederholt vorgeworfen, zu spät und zu schlecht rechtsextreme
Strukturen in Sachsen zu erkennen.
8 Jun 2021
## LINKS
[1] /SPD-im-saechsischen-Wahlkampf/!5621394
[2] /Sachsens-Verfassungsschutzchef/!5697813
[3] /Verfassungsschutz-in-Sachsen/!5721224
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Verfassungsschutz
Sachsen
Landtag
Martin Dulig
Schwerpunkt Pressefreiheit
Michael Kretschmer
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus
Schwerpunkt AfD
Verfassungsschutz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sächsische Politiker im Privatfernsehen: Von der Regierung finanziert
Beim privaten Sachsen TV laufen Formate wie „MK Direkt“ mit dem sächsischen
Ministerpräsidenten Kretschmer. Nun prüft die Medienaufsicht den Fall.
Migrationspolitik in Sachsen: Der Freistaat schiebt weiter ab
Spätnachts wird eine Familie aus Pirna zurück nach Georgien gezwungen.
Seitdem streiten SPD und Grüne mit der CDU um den Abschiebekurs des Landes.
Neuer Verfassungsschutzbericht: Die Gefahr droht von rechts
Innenminister Seehofer gibt sich angesichts der steigenden Zahl
gewaltbereiter Rechtsextremisten alarmiert. Auch er begreift nun das
Offenkundige.
Rechte und Verfassungsschutz: Pegida jetzt offiziell rechtsextrem
Der sächsische Verfassungsschutz hat die Gruppierung als
„verfassungswidrige Bewegung“ eingestuft. Sie wird nun beobachtet.
Verfassungsschutz in Sachsen: Rechtsaußen rechtssicher beobachten
Der sächsische Verfassungsschutz sammelte Daten über AfD-Abgeordnete. Das
sei rechtswidrig, hieß es zuerst. Doch so eindeutig ist es offenbar nicht.
Verfassungsschutz in Sachsen: Huch, hier gibt's ja Nazis
Der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes vermutet in
Ostdeutschland rechtsextreme Strukturen. Ob dieser Erkenntnis Taten folgen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.