Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neue Regierung in Israel: Vereint gegen Netanjahu
> Nach wochenlangem Ringen hat die Opposition eine Regierung gebildet –
> ohne den langjährigen Regierungschef. Doch das große Bündnis ist brüchig.
Bild: Kundgebung in Ramat Gan, Israel, in der Nacht der Regierungsbildung
Berlin taz | Die erste große Hürde ist genommen, und doch ist das letzte
Wort in dem seit Wochen andauernden [1][Ringen um eine neue Regierung in
Israel] noch immer nicht gesprochen. Kaum eine Stunde vor Ablauf der Frist
meldete sich Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei in der
Nacht zum Donnerstag bei Staatspräsident Reuven Rivlin: „Ich habe es
geschafft, eine Regierung zusammenzustellen“, rief er sichtlich erleichtert
ins Telefon.
Ihm zur Seite bei dem vor laufenden Kameras geführten Anruf: [2][Naftali
Bennett, ehemals Chef der Siedlerpartei]. Er soll bei der vereinbarten
Rotation die ersten zwei Jahre Ministerpräsident sein, bis Lapid 2023 im
höchsten politischen Amt nachrücken will.
Im Boot sitzen acht Parteien, die unterschiedlicher kaum sein können, die
aber ein Ziel eint: der [3][Ära Benjamin Netanjahu ein Ende zu setzen].
Ganz links stehen dabei zwei Parteien, die den Friedensprozess mit den
Palästinensern vorantreiben wollen, auch eine konservativ-islamische Liste
ist dabei. Und ganz rechts in der Koalition steht die national-religiöse
Jemina, zu deutsch „Nach rechts“, unter Bennett, die mehr als jede andere
Partei den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland vorantreibt.
Es ist ein wackliges Bündnis, das noch vor Erreichen der Ziellinie zu Fall
kommen könnte. Denn innerhalb der Jemina herrscht Unmut. Und die Regierung
ist erst eine Regierung, wenn sie von den Knesset-Abgeordneten mehrheitlich
befürwortet wird.
## Knappes Rennen in der Knesset
61 der insgesamt 120 ParlamentarierInnen müssen für die
Lapid-Bennett-Koalition stimmen. Das könnte knapp werden, sollte es
Bennett, der künftig das ganze Land regieren will, nicht gelingen, die
ParteifreundInnen für das Bündnis zu erwärmen. Lapid drängt zum schnellen
Votum schon am kommenden Mittwoch, möglicherweise kommt es aber erst
übernächste Woche dazu. In den Reihen von Netanjahus Likud-Partei hofft man
offenbar darauf, das Ruder noch herumreißen zu können. Jeder Tag zählt, so
heißt es, und Parlamentspräsident Jariv Levin, der die Entscheidung über
den Abstimmungstermin fällt, ist ein Vertrauter Netanjahus.
Für den scheidenden Regierungschef sieht es nicht gut aus. Netanjahu muss
sich wegen Bestechung, Betrug, Untreue und Vorteilsannahme [4][vor Gericht
verantworten] und könnte im Gefängnis landen. Mit allen Mitteln wird er
deshalb in den kommenden Tagen versuchen, die Lapid-Bennett-Koalition zu
verhindern, um anschließend mit einer fünften Neuwahl wieder Zeit zu
gewinnen.
Die PartnerInnen im Anti-Bibi-Lager zeigen sich entschlossen, es nicht so
weit kommen zu lassen, auch wenn alle hart für ihre Überzeugungen kämpfen.
Spannend wurde es in den letzten Stunden vor Ablauf der Frist für Lapid,
als Merav Michaeli, Chefin der Arbeitspartei, mit der ultrarechten
Ex-Justizministerin Ajelet Schaked darüber stritt, wer von den beiden mit
der Ernennung der RichterInnen am Obersten Gerichtshof beauftragt werden
würde.
Erschöpft, aber sehr selbstbewusst trat Michaeli anschließend vor die
Kameras: „Dies sind Momente, in denen schwere Entscheidungen getroffen
werden müssen“, ließ sie Schlimmes erahnen, denn Schaked steht auf
Kriegsfuß mit den Gerichten. Am Ende wird jedoch „die Arbeitspartei
Demokratie und Rechtsstaat verteidigen“, resümierte Michaeli.
Sie selbst soll den Vorsitz der Kommission für die RichterInnenernennung
übernehmen. Damit hat die Sozialdemokratin ihre erste Schlacht in der
Koalition für sich entschieden und geht zuversichtlich in die nächste:
„Dies ist ein neuer Anfang.“
3 Jun 2021
## LINKS
[1] /Regierungsbildung-in-Israel/!5771585
[2] /Moeglicher-Regierungschef-Naftali-Bennett/!5771584
[3] http://Die%20Hoffnung%20stirbt%20zuerst
[4] /Historischer-Prozessauftakt-in-Israel/!5687615
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Israel
Benjamin Netanjahu
Knesset
Naftali Bennett
GNS
Kolumne Fernsicht
Israel
Israel
Israel
Ajelet Schaked
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Israels Wahldebakel: Die Sünden des David Ben-Gurion
Das israelische Wahlergebnis ist auch Ergebnis sozialistischer
Beschwichtigungspolitik. Religiöse Fanatiker ernten die süßen Früchte.
Israels Parlamentswahlen: Kein Frieden, keine Gerechtigkeit
Die sich abzeichnende Regierungskoalition verspricht nichts Gutes.
Meinungsfreiheit und die jüdisch-arabische Koexistenz drohen, Federn zu
lassen.
Wieder Neuwahlen in Israel: Weimarer Wolken verdunkeln Tel Aviv
Israel sinkt nach der Knesset-Auflösung erneut in eine Phase der
politischen Lähmung. Die Perspektiven für die Wahl im Herbst ist düster.
SiedlerInnen in Israel: Mit allen Mitteln
Israels konservative Opposition stimmt gegen die eigene Überzeugung, um die
Regierung zu stürzen. Umgekehrt stecken die Linken im ähnlichen Dilemma.
Kontroverse um Israels Innenministerin: Die rechte Femme fatale
Israels Linke ist verängstigt und fasziniert von Innenministerin Ajelet
Schaked. Der Gegenseite gilt sie als „Licht in der Dunkelheit“.
Israelischer Politiker über neue Koalition: „Eine einzigartige Regierung“
In Israel will ein breites Parteienbündnis die Ära Netanjahu beenden. Mossi
Raz von der linken Partei Meretz spricht über die Erfolgsaussichten – und
ist optimistisch.
Neue Regierung in Israel: Es muss funktionieren
Ein Bündnis von Ultrarechten, Feministinnen und Muslimen will Benjamin
Netanjahu ablösen. Die neue Koalition könnte das Land endlich befrieden.
Neuer Staatspräsident in Israel: Genau das richtige Amt
Jitzhak Herzog wird neuer israelischer Staatspräsident. Viele Israelis
sagen ihm Profillosigkeit und fehlende Durchsetzungsfähigkeit nach.
Regierungsbildung in Israel: Die Hoffnung stirbt zuerst
Eine neue Koalition in Israel könnte Premier Netanjahu nach zwölf Jahren
aus dem Amt befördern. Doch das heißt nicht, dass nun Frieden ausbricht.
Arabische und jüdische Israelis: Wenn Wunden aufreißen
Synagogen in Flammen, Menschenjagd auf den Straßen. In Jaffa kommt es auch
zum Gewaltausbruch zwischen palästinensischen und jüdischen Israelis.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.