| # taz.de -- Aktivist Bernd Heidbreder ist gestorben: Der Versuch, das Richtige … | |
| > Weil er wohl plante, ein Abschiebegefängnis zu sprengen, musste Bernd | |
| > Heidbreder nach Venezuela fliehen. Dort ist er nun gestorben. Ein | |
| > Nachruf. | |
| Bild: Engagierte sich für geflüchtete Menschen und stellte sich gegen rechte … | |
| Oaxaca taz | Zuerst die Flucht aus Berlin, dann die vielen Jahre im Exil | |
| und zuletzt die Zeit im venezolanischen Gefängnis – Bernd Heidbreder hatte | |
| gute Gründe, gerne die T-Shirts mit den Aufdrucken „Refugees Welcome“ und | |
| „Kein Mensch ist illegal“ zu tragen. | |
| Zusammen mit Peter Krauth und Thomas Walter musste er 1995 Deutschland | |
| verlassen, weil sie versucht haben sollen, ein im Bau befindliches | |
| Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau in die Luft zu sprengen. Der Anschlag | |
| scheiterte, weil der Plan vorzeitig aufflog. Mehrere Jahre war Heidbreder | |
| daraufhin in der Welt unterwegs, bis er sich [1][wie seine beiden Freunde | |
| in Mérida im Westen Venezuelas niederließ.] | |
| Würde er jemals wieder nach Deutschland gehen können? Oder sollte er doch | |
| in der Andenstadt alt werden, ohne sein früheres Zuhause nochmal zu sehen? | |
| Die Frage beschäftigte ihn immer wieder. Auch vor gut drei Jahren, als wir | |
| uns im Rahmen [2][einer taz-Recherche] zum letzten Mal sahen. | |
| Nun plötzlich die schlimme Nachricht: „Bernd ist gerade gestorben.“ | |
| Vergangenen Donnerstag erlag der 60-Jährige einem Krebsleiden. Ein schnell | |
| wachsender Tumor hat sein Leben innerhalb weniger Wochen ausgelöscht. Was | |
| bleibt, ist tiefe Traurigkeit und die Erinnerung an einen Menschen, der | |
| versucht hat, das Richtige zu tun, ohne sich damit wichtig zu machen. | |
| ## Juristische Spitzfindigkeiten | |
| In Mérida lebte Bernd, offiziell „Bernhard“ Heidbreder lange mit seiner | |
| Freundin in einer kleinen Wohnung und arbeitete als Drucker in einem | |
| Betrieb, der der linken chavistischen Regierung unterstand. In seiner | |
| Berliner Zeit war der gebürtige Herforder in der autonomen Linken aktiv. Er | |
| wollte nicht tatenlos zusehen, wie ein deutscher Mob in Rostock unter | |
| Polizeischutz vietnamesische Migrantinnen und Migranten mit | |
| Molotowcocktails attackierte. Und er wollte nicht hinnehmen, dass Behörden | |
| kurdische Flüchtlinge in ihre ehemalige Heimat abschoben und damit deren | |
| Tod in Kauf nahmen. | |
| Gegen diese Abschiebungen richtete sich der gescheiterte Anschlag in | |
| Grünau. Während jene, die für den Tod abgeschobener Schutzsuchender | |
| verantwortlich sind, straflos ausgehen, hält die Bundesanwaltschaft bis | |
| heute an der Verfolgung der drei mutmaßlichen Täter fest. Ginge es nach den | |
| üblich angewandten rechtsstaatlichen Kriterien, wären die Vorwürfe der | |
| Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Vorbereitung | |
| eines Sprengstoffanschlags verjährt. | |
| Doch mit einer juristischen Spitzfindigkeit, dem Vorwurf der „Verabredung“ | |
| zu dieser Tat, verlängert sich die Frist auf 40 Jahre. Ein | |
| Verfolgungswille, den selbst Interpol nicht nachvollziehen wollte und | |
| Heidbreder von ihrer Liste strich, weil die Fahndung nicht mehr ihren | |
| Statuten entspräche. | |
| ## Nicht mehr derselbe gewesen | |
| Auch im venezolanischen Exil nahm die Verfolgung kein Ende. 2014 wurde er | |
| dort aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Der Oberste | |
| Gerichtshof lehnte zwar eine Auslieferung an Deutschland ab, trotzdem saß | |
| er zwei Jahre grundlos in Haft. | |
| Diese Demütigung schien er zunächst zu ertragen, wie er bei einem Besuch | |
| sagte. Obwohl, vielleicht aber auch weil er den Chavisten nahestand. Wer | |
| aber die Haftanstalt von Innen gesehen hat, zweifelt daran, dass eine | |
| solche Zeit spurlos an einem vorbeigeht. Und tatsächlich wurden die letzten | |
| Haftmonate zur Qual. | |
| Danach sei er nie mehr derselbe gewesen, sagt sein Freund Thomas Walter, | |
| der ihn bis zum letzten Moment begleitete. Zudem habe ihn die ständige | |
| Unsicherheit zermürbt und traurig gemacht. Ob das zu der Krankheit | |
| beigetragen habe? Ganz sicher, meint Walter. Vielleicht hat er recht. | |
| Vielleicht auch nicht. Aber es ändert nichts. Bernd ist gegangen. Für | |
| immer. Hasta siempre, compañero. | |
| 31 May 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
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