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# taz.de -- Mexikos schwere Coronakrise: Tödliche Fehler
> Nur in den USA und Brasilien sind mehr Menschen an Covid-19 gestorben als
> in Mexiko. Präsident López Obrador hat die Pandemie lange verharmlost.
Bild: In Mexiko und Brasilien starben nach den USA am meisten Menschen durch Co…
Oaxaca taz | Mexiko Präsident [1][Andrés Manuel López Obrador] wird sich
nicht impfen lassen. Zumindest zunächst nicht, sagte der Staatschef zum
Wochenbeginn in seiner täglichen Pressekonferenz. Nach seiner
Corona-Infektion vor zwei Monaten habe er noch genug Antikörper. Eine
Impfung, so hätten ihm die Ärzte gesagt, sei im Moment noch nicht
unverzichtbar.
López Obrador verkündet gerne gute Nachrichten. „Es läuft gut“, wiederho…
er immer wieder. Behauptet jemand Gegenteiliges, tut er das nach Ansicht
des Präsidenten nur, um ihm zu schaden. So auch vergangene Woche, nachdem
bekannt wurde, dass viel mehr Menschen an Covid-19 gestorben sind, als die
Regierung eingeräumt hatte.
Die Übersterblichkeit liege seit Beginn der Coronakrise bei 321.059 Toten,
informierte das Gesundheitsministerium. Das sind über 60 Prozent mehr als
die 200.000 Verstorbenen, die kurz zuvor angegeben wurden. Demnach zählt
Mexiko mit [2][Brasilien] zu den Ländern, in denen nach den [3][USA] am
meisten Menschen durch Covid-19 starben.
„Die Verschleierung der wahren Todeszahlen ist kriminell“, kommentierte der
Journalist Alejo Sánchez Cano in der Zeitung El Financiero. López Obrador
wies die Vorwürfe zurück. Die Medien würden die Zahlen aufbauschen, sagte
er, obwohl die Angaben aus einem Ministerium kamen. Seine Kritikerinnen und
Kritiker seien „unmoralisch, weil sie menschliches Leid für sich nutzen“.
Die Behörden dagegen täten alles, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
López Obrador selbst spielte die Gefahren des Virus immer wieder herunter
und genoss auch noch in den ersten Monaten der Pandemie das Bad in der
Menge. „Das Schlimmste haben wir überwunden“, versprach er vor einem Jahr …
und erntete bei Kritikern Kopfschütteln, während ihm seine große
Anhängerschaft Glauben schenkte.
Zugleich versuchte seine Regierung aber von Anfang an, sich Impfstoffe zu
sichern. Als erstes Land Lateinamerikas begann Mexiko an Weihnachten zu
impfen. Etwa 7 der 126 Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner haben seither
eine Spritze erhalten, eine weitere Million wurde bereits zweimal mit
Sputnik, AstraZeneca, zwei chinesischen Vakzinen oder dem Impfstoff von
Biontech-Pfizer geimpft.
Sogenannte „Diener der Nation“ sorgen derzeit dafür, dass über
Sechzigjährige in abgelegenen Gemeinden ebenso ihren Schutz bekommen wie
Großstädter. Während die eigens aufgestellten Trupps in Mexiko-Stadt recht
gut organisiert sind, müssen Impfwillige in anderen Regionen oft viele
Stunden in der Sonne ausharren. Falls sie überhaupt erfahren, dass in ihrer
Stadt geimpft wird.
Vergleicht man jedoch Mexiko mit europäischen Staaten, wo wesentlich
bessere Bedingungen herrschen, kommt das Land beim Impfen nicht schlecht
weg. Schließlich gilt es, Dörfer zu versorgen, die oft viele Stunden von
einer befestigten Straße entfernt liegen. Zudem haben wirtschaftsliberale
Politiken das Gesundheitssystem ruiniert. Dennoch kündigte der
Covid-Beauftragte [4][Hugo López Gatell] an, dass ab Mitte April täglich
600.000 Menschen geimpft werden.
## Ungebremster Tourismus
Dass Mexiko so viele Tote zu beklagen hat, verwundert nicht. Die Hälfte der
Bevölkerung lebt in Armut, viele müssen sich auch in Coronazeiten in
überfüllte U-Bahnen drängeln oder auf vollen Märkten ihre Waren verkaufen.
Zudem hatte López Gatell lange propagiert, Mund-Nasen-Bedeckungen taugten
nichts und umfangreiche Tests seien überflüssig.
Bis heute kann zudem jeder und jede ungehindert einreisen, ohne negativen
Test, ohne Quarantäne. Zigtausende säumen deshalb die Strände Mexikos,
meist ohne jeglichen Schutz. López Obrador legte großen Wert darauf, keine
Repressalien gegen die Bevölkerung einzusetzen und verzichtet auf
Ausgangssperren sowie Notstandsmaßnahmen wie eine massive Polizei- und
Militärpräsenz – ganz im Gegensatz zu den mittelamerikanischen
Nachbarländern, in denen viele Menschen unter diesem Vorgehen leiden.
Für Kritiker des Präsidenten steht außer Frage, dass dessen Politik für die
verheerend tödliche Bilanz verantwortlich ist. López Obradors größte Fehler
seien es gewesen, die Pandemie kleinzureden, öffentliche Gelder für weniger
wichtige Projekte zu nutzen und aus den Maßnahmen gegen das Virus
politisches Kapital zu schlagen, erklärte die Abgeordnete der
oppositionellen Partei PRD, Verónica Juárez Piña. Und die Kommentatorin
Denise Dresser betonte: „Die große Lüge über die Eindämmung der Pandemie
hat einen irreparablen Schaden hinterlassen.“
9 Apr 2021
## LINKS
[1] /Amtsantritt-von-Lopez-in-Mexico/!5551520
[2] /Coronapandemie-in-Brasilien/!5754801
[3] /Hilfspaket-gegen-Coronakrise-in-den-USA/!5757511
[4] /Wissenschaftler-in-Coronazeiten/!5684053
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Mexiko
Schwerpunkt Coronavirus
Andrés Manuel López Obrador
GNS
Venezuela
Mexiko
Kolumne Latin Affairs
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